AT&S-Chef kritisiert "dirigistische" Industriepolitik in Europa
Mertin: In Europa wird zu viel Bürokratie aufgebaut -
Wirtschaft fällt im Wettbewerb mit USA und China zurück -
Geschäft bei AT&S aber positiv
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AKTUALISIERUNGS-HINWEIS
Neu: Komplett neu nach Pressekonferenz
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AT&S-Chef Michael Mertin äußert massive
Kritik am industriepolitischen Kurs in Europa. Angesichts eines
Vorgehens im Energiesektor, mit dem man Gefahr laufe, "uns den Boden
jeden Wirtschaftens zu entziehen" und einer "dirigistischen"
Herangehensweise, die nur zu Bürokratieaufbau führe, stelle sich die
Frage, was "die Politik eigentlich richtig macht". "Wir (die
Politik, Anm.) tun vieles dafür, dass die Industrie nicht mehr
funktioniert", sagte Mertin am Dienstag.
Der Chef des steirischen Leiterplatten- und Substratherstellers
warnte auch vor "massiver Überregulierung", deren Folgen "steigende
Steuer- und Staatsquoten" und ein Wirtschaftswachstum seien, das
nicht mehr in der Realwirtschaft, sondern fast nurmehr in der
Verwaltung generiert werde. Wolle man sich im Wettbewerb mit
Wirtschaftsmächten wie den USA und China behaupten, "müssen wir
wieder dazu kommen, dass weniger mehr ist" und den Staat
zurücknehmen. Mit Lieferkettengesetzen oder dem Rückbau von
Kühltürmen für Kernkraftwerke, wie dies gerade in Deutschland
geschehe, gerate Europa zunehmend ins Hintertreffen. Und: "Das hat
nichts mit links oder rechts zu tun, das sind Fakten aus der Welt,
in der wir leben", so der Manager bei einem Pressetermin zur
Vorstellung der Halbjahreszahlen.
Deutlich positiver sieht Mertin die Entwicklung des Geschäfts von
AT&S. So steigerte der Konzern den Umsatz im ersten Halbjahr 2025/26
um knapp 6 Prozent auf 846,3 Mio. Euro, und das Ergebnis vor Zinsen,
Steuern und Abschreibungen (EBITDA) legte um 11 Prozent auf 174,7
Mio. Euro zu - eine Kennzahl, die ihm angesichts hoher Investitionen
und damit höherer Abschreibungen, die AT&S vornehmen müsse, als
Maßgabe für die Stärke des operativen Geschäfts besonders wichtig
sei, sagte Mertin. Der CEO hob zudem das laufende
Kosteneffizienzprogramm hervor, mit dem AT&S im laufenden
Geschäftsjahr bis zu 150 Mio. Euro einsparen wird. Seit Jahresbeginn
hat die AT&S-Aktie rund 160 Prozent zugelegt.
Hohe Nachfrage nach AT&S-Produkten
Auch das Geschäftsumfeld erweise sich für den Konzern derzeit als
vorteilhaft, laufe doch sowohl das Geschäft mit klassischen
Leiterplatten wie auch mit IC-Substraten. Das sind
Verbindungselemente zwischen Leiterplatte und Chip, die etwa in
modernen KI-Rechenzentren benötigt und unter anderem am Stammsitz in
Leoben hergestellt werden. Teil seiner Strategie sei,
Innovationspartnerschaften mit Kunden einzugehen, um die
Wertschöpfung zu fördern, "langfristigen Verbindungen" einzugehen
und zukünftige Investitionen abzuleiten, erklärte Mertin. Hierfür
biete Österreich als Land, "das nicht gerade für Industriespionage
bekannt ist", einen guten Rahmen.
Die aktuelle Chipknappheit in der europäischen Automobilindustrie
ist für das Unternehmen kein Thema, stellt AT&S doch weder solche
Produkte her noch verbaut es diese. Risiken am Markt gibt es
allerdings auch für AT&S: Derzeit sei es etwa fraglich, wie sich die
Produktion von sogenanntem T-Glas - feinste Gewebe, die in
AT&S-Modulen verbaut werden - entwickeln wird. "Wir reden hier nicht
über die Einstellung von Lieferungen, aber es gibt Knappheiten und
es ist daher unklar, wie viel davon geliefert werden kann", erklärte
der Manager.
Vage blieb Mertin in Bezug auf den Defence-Sektor, den AT&S, wie
unlängst angekündigt, erschließen will. Konkret wolle und könne er
sich nicht zum Verteidigungsbereich äußern, derzeit beschäftige sich
der Konzern allerdings mit entsprechenden Einstiegsoptionen und
prüfe den rechtlichen Rahmen dafür, meinte er.
Keine Gefahr von Dotcom-ähnlicher Blase durch KI
Eine Gefahr, dass den durch den Boom bei Künstlicher Intelligenz
eine ähnliche Blase wie Anfang der 2000er-Jahre rund um
Internetfirmen (die sogenannte Dotcom-Blase) an den Börsen entstehen
könnte, sieht der CEO von AT&S im Übrigen nicht, denn: "Es stehen
hier nicht nur hypothetische Geschäftsmodelle dahinter, sondern es
gibt hier erste reale Ergebnisse", verwies er etwa auf die jüngsten
Entwicklungen bei Amazon. Er glaube daher nicht, dass es zur
Blasenbildung kommen werde, eher stelle sich die Frage "wer es
schafft und wer es nicht schafft", so Mertin.
tpo/cri
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