 Konjunktur
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Datum/Zeit: 26.04.2025 19:18 Quelle: Konjunktur - Presseaussendung |
Stärkster Auftragsrückgang seit Jahresbeginn:
Eurozone-Wirtschaft tritt auf der Stelle
Ergebnisse auf einen Blick:
HCOB Flash Eurozone Composite PMI(1) bei 50,1 (März: 50,9), 4-Monatstief.
HCOB Flash Eurozone Service-Index Geschäftstätigkeit(2) bei 49,7 (März: 51,0), 5-Monatstief.
HCOB Flash Eurozone Index Industrieproduktion(4) bei 51,2 (März: 50,5), 35-Monatshoch.
HCOB Flash Eurozone Industrie PMI(3) bei 48,7 (März: 48,6), 27-Monatshoch.
Wie die Vorabschätzung signalisiert, blieb die wirtschaftliche Aktivität der Eurozone zu Beginn des zweiten Quartals weitgehend
konstant. Gebremst wurde der Aufwärtstrend von einem beschleunigten Auftragsrückgang und der schwindenden Zuversicht
beim Jahresausblick, der auf den tiefsten Wert seit knapp zweieinhalb Jahren absackte. Analog zum Wachstum blieb auch die
Lage am Arbeitsmarkt nahezu unverändert. Die Einkaufsmenge wurde abermals reduziert, wenngleich mit der niedrigsten Rate
seit knapp drei Jahren. Zugleich schwächte sich der Inflationsdruck ab, was die verlangsamten Steigerungsraten der Ein- und
Verkaufspreise zeigten.
Produktion und Nachfrage
Mit seinem Vier-Monatstief von 50,1 Punkten nach 50,9 im Vormonat signalisierte der saisonbereinigte HCOB Flash Eurozone
Composite PMI, dass die Eurozone-Privatwirtschaft im April kaum vom Fleck gekommen ist. Die aktuelle Umfrage basiert auf
rund 85% der regulären Umfrage-Rückmeldungen.
Auf Sektorenebene lief die Entwicklung allerdings auseinander. So schrumpfte die Geschäftstätigkeit im Servicesektor nach
viermonatigem Wachstum geringfügig, während die Industrieproduktion den zweiten Monat hintereinander und so kräftig
ausgeweitet wurde wie seit Mai 2022 nicht mehr - wenngleich der Anstieg insgesamt nur moderat ausfiel.
Deutschlands Wirtschaftsleistung schrumpfte zum Quartalsstart erstmals seit vier Monaten wieder, nachdem sie im März so
stark zugelegt hatte wie seit zehn Monaten nicht mehr. Mit Frankreichs Wirtschaft ging es deutlicher bergab, während die
Wirtschaftskraft in den übrigen erfassten Ländern abermals kräftig stieg, obgleich mit leicht abgeschwächter Rate.
Bremsfaktor Nummer eins war der elfte Rückgang der Auftragseingänge in Folge – noch dazu der stärkste seit Jahresbeginn.
Sowohl im verarbeitenden Gewerbe als auch bei den Dienstleistern schlug hier ein Minus zu Buche. Beim Exportneugeschäft
(das den Intra-Eurozone-Handel beinhaltet) fielen die Einbußen derweil ähnlich gravierend aus wie beim GesamtAuftragseingang. Die Auslandsnachfrage geht bereits seit März 2022 ununterbrochen zurück.
Ausblick
Die Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist sackten auf den tiefsten Wert seit November 2022 ab und landeten damit auch
unter ihrem Langzeitdurchschnitt. Die Stimmungseintrübung erstreckte sich sowohl über beide Sektoren als auch über
sämtliche von der Umfrage erfassten Regionen. So sank die Zuversicht in allen Industrie- und Servicesektoren, bei den
Dienstleistern sogar so deutlich wie seit knapp fünf Jahren nicht mehr. In Frankreich fiel der Ausblick erstmals seit fünf Monaten
wieder pessimistisch aus, während der Optimismus in Deutschland und den übrigen Eurozone-Ländern nachließ.
Beschäftigung
Nach dem ersten Anstieg seit acht Monaten im März blieb die Beschäftigung im April weitgehend konstant. Hier überlagerte
der starke Rückgang auf der Herstellerseite das moderate und abgeschwächte Plus im Servicesektor. Weiter sinkende
Mitarbeiterzahlen in den beiden größten Volkswirtschaften des Euroraums machten die Zuwächse andernorts zunichte.
Ungeachtet des anhaltenden Stellenabbaus sorgte der abermalige Auftragsrückgang dafür, dass die Auftragsbestände den
25. Monat in Folge abnahmen, diesmal jedoch mit der niedrigsten Rate seit knapp einem Jahr.
Preise
Der Kostendruck nahm weiter ab. So stiegen die Einkaufspreise insgesamt mit der niedrigsten Rate seit November 2024 und
damit langsamer als im langjährigen Mittel. Während sie im Dienstleistungssektor kräftig zulegten, sanken sie im
verarbeitenden Gewerbe erstmals seit fünf Monaten wieder.
Auch die Verkaufspreise legten im April so geringfügig zu wie zuletzt vor fünf Monaten. Im Kontrast zu den Einkaufspreisen
wurden sie allerdings in beiden Sektoren angehoben, in der Industrie sogar so kräftig wie seit zwei Jahren nicht mehr,
wenngleich der Anstieg insgesamt moderat ausfiel. Bei den Serviceanbietern wurden die Angebotspreise mit der niedrigsten
Rate seit September 2024 erhöht. In Frankreich sanken die Verkaufspreise erstmals seit drei Monaten wieder, während sie in
Deutschland und in den übrigen erfassten Ländern erneut anzogen.
Lagerhaltung und Lieferketten
In der Eurozone-Industrie wurde die Einkaufsmenge abermals reduziert, diesmal jedoch mit der niedrigsten Rate seit Beginn
der Kürzungen vor 34 Monaten. Auch der Abbau der Vormaterial- und Fertigwarenlager verlangsamte sich und fiel so
schwach aus wie zuletzt vor 24 bzw. sechs Monaten. Gleichzeitig verkürzten sich die durchschnittlichen Lieferzeiten zum
dritten Mal hintereinander, und das so sehr wie seit Juni letzten Jahres nicht mehr.
Dr. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, kommentiert:
“Das verarbeitende Gewerbe scheint sich besser zu schlagen als erwartet. Trotz der Einführung allgemeiner Zölle von 10% und
Autozölle von 25% durch die USA Anfang April wirken die meisten Industrieunternehmen in der Eurozone nicht allzu
beunruhigt. Statt einzubrechen wurde die Produktion sogar zum zweiten Mal in Folge ausgeweitet, und das noch deutlicher als
im März. Auch der Stellenabbau hat sich verlangsamt und die Hersteller konnten ihre Gewinnmargen dank niedrigerer Kosten
und der Möglichkeit, die Verkaufspreise stärker als im Vormonat anzuheben, steigern. Zudem sind die aufgrund der
Rezessionsängste in den Vereinigten Staaten gesunkenen Energiepreise derzeit ein Segen für die Produzenten der Eurozone.
Ein weiterer positiver Faktor ist die angekündigte Erhöhung der Verteidigungsausgaben.
Derweil ist der Dienstleistungssektor aktuell der Spielverderber. Hier ist die Geschäftstätigkeit geschrumpft, anstatt zu wachsen,
wie es seit Februar 2024 fast ununterbrochen der Fall war. Dem Composite PMI zufolge hat dies wiederum dafür gesorgt, dass
die Wirtschaft insgesamt stagniert. Der beschleunigte Auftragsrückgang deutet darauf hin, dass diese Schwäche noch eine
Weile anhalten könnte. Die höheren Infrastrukturausgaben in Deutschland und die Verteidigungsausgaben in ganz Europa
dürften jedoch letztendlich nicht nur der Industrie, sondern auch den Serviceanbietern zugutekommen, wenn auch mit einer
gewissen Verzögerung.
Indes erhält die Europäische Zentralbank durch die Preisindikatoren im Dienstleistungssektor, die von der Notenbank genau
beobachtet werden, leichte Unterstützung für ihre Zinssenkungshaltung. Die Kosten sind ähnlich stark gestiegen wie im
Vormonat, aber die Erhöhung der Angebotspreise hat sich spürbar verlangsamt. Bei den Warenpreisen zeigt sich ein
gemischtes Bild: Die Einkaufspreise sind erstmals seit vier Monaten wieder gesunken, während die Verkaufspreise zwar nur
moderat, aber etwas kräftiger als zuletzt angehoben wurden.
In den beiden größten Volkswirtschaften der Eurozone - Deutschland und Frankreich – zeigen sich ähnliche Muster. In beiden
Ländern wurde die Industrieproduktion im April ausgeweitet, während die Aktivität der Dienstleister zurückging. Die allgemeine
Schwäche scheint in Frankreich etwas ausgeprägter zu sein, insbesondere im Servicesektor. Dies könnte auf die
gegensätzliche politische Lage zurückzuführen sein: In Frankreich herrscht angesichts einer fragilen Schuldenlage ein
ständiges Risiko eines Regierungssturzes. Im Kontrast dazu besteht in Deutschland die Chance, dass ab Mai eine
funktionsfähige neue Regierung mit erheblichem finanzpolitischen Spielraum an die Macht kommt.“
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