Grasser-Prozess - Anwälte mit massiven Angriffen auf das Erstgericht
Verteidiger sehen Befangenheit von Richterin Hohenecker und
sprechen von einem politischen Urteil - Meischberger-Anwalt
vor OGH: Es gibt nur Verlierer - BILD GRAFIK VIDEO
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AKTUALISIERUNGS-HINWEIS
Neu: Stellungnahme weiterer Rechtsanwälte (4. und 5. Absatz)
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Beim Berufungsverfahren im Grasser-Prozess am
OGH hat die Verteidigung von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser am
Donnerstag einmal mehr die Prozessführung des Erstgerichtes unter
Richterin Marion Hohenecker massiv kritisiert. "Das Verfahren war
nicht fair", so Grasser-Anwalt Norbert Wess bei seinem ausführlichen
Statement zu Verfahrensbeginn. Die 168 Prozesstage im Wiener
Straflandesgericht seien von Anfang an ein "juristischer Kampf"
gewesen.
Es habe einen objektiven Anschein der Befangenheit der Richterin
gegeben. Anwalt Wess führte etwa aus, dass die Verteidigung und die
Angeklagten bei der Sitzordnung benachteiligt worden seien. Wobei,
als Richterin Marion Hohenecker an Tagen mit weniger Angeklagten
diese von den gepolsterten Sesseln auf die harte Anklagebank gebeten
hatte, war die Begeisterung der Angeklagten überschaubar. Ebenfalls
kritisiert wurden von Wess umfangreiche Bild- und Tonaufnahmen im
Gericht, auch in den Pausen.
Ainedter: Prozess war politisch motiviert
Vor Wess hielt sich der zweite Grasser-Verteidiger, Manfred
Ainedter, noch kurz: Der Prozess am Landesgericht Wien sei
"politisch motiviert" gewesen, das 1.300 Seiten lange Urteil werde
"einer Prüfung nicht standhalten". Einmal mehr wurde die lange
Verfahrensdauer kritisiert. Ainedter sprach von einem "eklatanten
Fehlurteil", im Übrigen sei der Republik kein Schaden entstanden.
Nach den Rechtsvertretern vom Erstangeklagten Grasser war Anwalt
Michael Dohr für den Zweitangeklagten Walter Meischberger am Wort.
Er betonte, egal wie die Causa ausgeht, es werde nur Verlierer geben
- selbst bei Freisprüchen. Dies sei der langen Verfahrensdauer und
der medialen Vorverurteilung geschuldet. Richterin Hohenecker sei
voreingenommen gewesen, es habe des Weiteren Verfahrensmängel
gegeben, wie etwa die Sitzordnung oder Ton- und Bildmitschnitte im
Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts. Fazit von
Dohr: "Man kann zumindest Gerechtigkeit walten lassen und meinen
Mandanten freisprechen."
Zuständigkeit von Richterin Hohenecker wird angezweifelt
Sehr kurz hielt sich der Verteidiger von Peter Hochegger. Der
Ex-Lobbyist und ehemalige Besitzer einer der größten PR-Agenturen
des Landes war heute aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend.
Die Rechtsvertretung von Ex-Immofinanzchef Petrikovics wiederum
stieß sich daran, dass das Verfahren beim Straflandesgericht
überhaupt Richterin Hohenecker zugewiesen wurde, dies sei nicht
rechtskonform erfolgt.
Grünen-Chef Werner Kogler verwies am Donnerstag in einer
Stellungnahme auf den großen Verdienst seiner mittlerweile
verstorbenen Kollegin Gabi Moser bei der Aufarbeitung der Causa
Buwog. "Gabi Moser startete eine Anfragenserie an die Schwarz-Blaue
Regierung wegen des geplanten Verkaufs der Buwog. Rasch wurde sie
von der Gegenseite mit Millionenklagen eingedeckt und mit vielen
Hindernissen konfrontiert. Dennoch blieb Gabi über viele Jahre an
der Sache dran. Ohne dich hätte es diesen Prozess wahrscheinlich nie
gegeben. Danke Gabi", so Kogler.
Vor den ausführlichen Stellungnahmen der Grasser-Verteidiger war
die Berichterstatterin des OGH-Senates am Wort. Sie startete ihre
Ausführungen damit, dass es in dem OGH-Verfahren um die drei
Themenkomplexe Buwog, Terminal Tower Linz und Telekom Austria geht.
Grasser betreffe der Vorwurf der Untreue und Korruption als
unmittelbarer Täter. Weiters gehe es auch um Beweismittelfälschung
und Geschenkannahme durch Beamte. Grasser habe in Wien und an
anderen Orten seine Befugnisse wissentlich zum Schaden der Republik
missbraucht.
Grasser zu Beginn schweigsam
Der Start des Verfahrens am Donnerstag begann kurz nach zehn Uhr
im Wiener Justizpalast unter großem Medieninteresse. Auf den
Zuschauerrängen blieben noch einige Plätze leer. Grasser gab sich
bei Verfahrensbeginn schweigsam, im Verhandlungssaal plauderte er
vor dem Start locker mit dem ebenfalls angeklagten Ex-Immofinanzchef
Karl Petrikovics.
Der Berufungsprozess am OGH ist für vier Tage anberaumt. Für den
Hauptangeklagten Grasser geht es um viel, er wurde im Dezember 2020
zu acht Jahren Haft verurteilt, sein damaliger Freund und Lobbyist
Walter Meischberger erhielt sieben Jahre.
Die Verhandlung am OGH ist der (vorläufige) Schlussstrich unter
einen Immobiliendeal, der seit nunmehr 21 Jahren die Republik
beschäftigt. Damals gingen rund 60.000 Bundeswohnungen um 961 Mio.
Euro an ein Konsortium rund um die Immofinanz, der unterlegene
Bieter CA Immo hatte gerade einmal 1 Mio. Euro weniger für die
Wohnungen geboten. Das sorgte zwar für Überraschung; dass diese
Privatisierung möglicherweise geschoben war, stellte sich aber erst
ein paar Jahre später heraus, als bekannt wurde, dass zwei
Grasser-Freunde - Meischberger und Hochegger - bei dem
Immofinanz-Deal 9,6 Mio. Euro an Provision mitgeschnitten hatten.
Woher kam der Tipp für die Angebotshöhe?
Die Frage lautete danach: Hatte Grasser seinen Freunden, die die
Immofinanz berieten, verraten, wie hoch das Angebot für einen
Zuschlag sein müsse und damit die Republik geschädigt? Der
Ex-Finanzminister verneint das bis heute wortreich.
Im Vorfeld wurde von mehreren Medien von einem möglichen Problem
der wiederholten Strafverfolgung berichtet. Die Senatspräsidentin
Christa Hetlinger erklärte dazu, dass der OGH sich den
Einstellungsbeschluss des Landesgerichts Wien zustellen ließ. "Das
ist nichts Außergewöhnliches. Nur um Missverständnisse zu
vermeiden", ergänzte Hetlinger. Im Jahr 2019 wurde ein Verfahren
eingestellt, in dem es um den Vorwurf ging, dass Grasser durch den
Gesamtverkauf der Wohnungen zu wenig einnahm. Die Untreue-Vorwürfe
gegen Grasser wurden damals fallen gelassen. In Österreich gilt der
"ne bis in idem"-Grundsatz - das bedeutet, dass man nicht zweimal
für den gleichen Sachverhalt rechtskräftig verurteilt werden kann.
(Redaktionelle Hinweise: 0385-25, 88 x 160 mm)
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