Anlegervertreter zum Regierungsprogramm: "Chance verpasst"
IVA-Vorstand Beckermann: Vorhaben zum Kapitalmarkt "unkonkret"
- Kritik an Abgaben für Energiekonzerne und Banken
Florian Beckermann, Vorstand des
Interessenverbands für Anleger (IVA), ortet in den Vorhaben der
schwarz-rot-pinken Regierung zum Kapitalmarkt eine "Handschrift des
Stillstands". Das Programm sei "unkonkret" und "unambitioniert",
etwa fehlt ihm eine Abschaffung der Kapitalertragssteuer (KESt) auf
Wertpapiere nach einer Behaltefrist. Damit werde eine Chance
verpasst, den Markt für eine "breite Masse zugänglich zu machen",
sagte er am Donnerstag vor Journalisten.
Auch die Abgaben für Energiekonzerne sowie die Erhöhung der
Bankenabgabe sieht der Kleinanlegervertreter kritisch. Es handle
sich um reine "Anlassgesetze", die "negative Signale" für
Anlegerinnen und Anleger setzen würden. "Das versteht der
internationale Markt nicht, und das verstehen auch österreichische
Aktionäre nicht." Zwar sei es richtig, dass die Geldhäuser durch die
Zinserhöhungen der EZB jüngst hohe Gewinne geschrieben haben, seit
der Finanzkrise hätten die Anleger aber auch hohe regulatorische
Kosten sowie den Aufbau von Kapitalpuffern mitgetragen und bezahlt,
argumentierte Beckermann. Den Banken und damit ihren Aktionären nun
Profite "wegzunehmen", sei daher "unfair".
Außerdem ergehe sich die neue Regierung zum Kapitalmarkt in
"Überschriften", die noch dazu großteils an Bedingungen geknüpft
seien. Gerade in einer Zeit, wo die Börsen jüngst Höhenflüge (vor
den aktuellen Kursstürzen, Anm.) erlebten, sei es demgegenüber
wichtig, den Kapitalmarkt für Sparer zu attraktivieren und zu
öffnen, meinte Beckermann. Immerhin: ETF-Sparpläne für junge
Menschen zu fördern, wie das im Regierungsprogramm verankert ist,
sei ein positiver Schritt.
"Gold Plating" als Gefahr für den Standort
Eine Gefahr für den österreichischen Standort erkennt Beckermann
im sogenannten "Gold Plating", also in der übermäßigen nationalen
Umsetzung von EU-Vorgaben. In Bezug auf den Kapitalmarkt betreffe
dies etwa Gesetze zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Bei deren
Implementierung sei Österreich zwar säumig, mit dem sogenannten
"Omnibus-Verfahren" der Kommission gehe der nationale Entwurf aber
mittlerweile über die EU-Regularien hinaus. Es bestehe nun also die
Möglichkeit, den entsprechenden Gesetzesentwurf zu entschärfen,
erklärte Beckermann.
Das Land müsse sich zudem darüber klar werden, ob es die
EU-Vorgaben bei Regularien zur Gleichstellung von Geschlechtern in
Leitungsfunktionen übertreffen wolle. Er verwies dabei auf eine noch
unter der ehemaligen Justizministerin Alma Zadic (Grüne)
eingebrachte Gesetzesinitiative, die sich derzeit in Begutachtung
befindet. Demnach muss ab mehr als zwei Vorstandsmitgliedern
mindestens eine unterrepräsentierte Person ins Gremium einziehen,
bei Aufsichtsräten sieht das Gesetz eine Quote von 40 Prozent für
das unterrepräsentierte Geschlecht vor. In der entsprechenden
EU-Richtlinie seien es nur 33 Prozent der Vorstands- und
Aufsichtsratsposten, "das schafft fast jeder", so Beckermann. Und:
"Mit Leistung hat das alles nichts zu tun, da geht es nur um
Quoten."
RBI für Beckermann weiter in der Zwickmühle
Die Raiffeisenbank International (RBI) sieht Beckermann mit Blick
auf das Russland-Geschäft weiter "in der Zwickmühle", selbst wenn
sich der geopolitische Wind durch einen amerikanischen Kurswechsel
drehen sollte. Er gehe jedenfalls nicht davon aus, dass für die Bank
ein "Exit" möglich ist, schließlich handle es sich bei der
Russland-Tochter um die größte systemrelevante Auslandsbank in dem
Land. Grundsätzlich stelle sich die Frage, in welche Märkte die RBI
nach dem Verkauf etwa des Belarus-Geschäfts strategisch vorstoßen
könnte.
Auch auf die Turbulenzen bei Pierer Mobility sowie die
KTM-Insolvenz kam Beckermann am Donnerstag im Klub der
Wirtschaftspublizisten in Wien zu sprechen. "Da haben wir uns für
eine österreichische Lösung stark gemacht", so Beckermann zur
Insolvenz des Motorradherstellers. Es bringe aber nichts, Stefan
Pierer als Unternehmer "durchs Dorf zu jagen". Ob dieser einen
Beitrag zur KTM-Sanierung in Form eines Zuschusses aus dem
Privatkapital leisten könne, hänge nämlich letztlich nicht nur von
Pierer selbst ab. Das liege auch daran, ob andere potenzielle
Geldgeber weiter mit ihm zusammenarbeiten wollten. Kritik an dessen
Einstieg bei Rosenbauer, der zeitlich nahe zur Insolvenz bekannt
wurde, könne er aufgrund der "fatalen Optik" aber nachvollziehen.
tpo/cri
ISIN AT0000KTMI02 AT0000606306
WEB www.pierermobility.com
http://www.rbinternational.com/
ISIN AT00BUWOG001 AT0000809058
WEB http://www.buwog.at
http://www.immofinanz.com
http://www.rlbooe.at