Grasser-Prozess - "Schicksalstage" für Ex-Finanzminister & Co vor OGH
Keine neuen Beweisaufnahmen vorgesehen - Ob alle vier
anberaumten Termine im Justizpalast benötigt werden, ist offen
- BILD GRAFIK
Ende März entscheidet sich, ob es in der
Buwog-Affäre rund um Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser sowie
weitere Angeklagte wie Grassers Trauzeugen Walter Meischberger und
den Lobbyisten Peter Hochegger bei den erstinstanzlichen Urteilen
bleibt. Ab 20. März behandelt der Oberste Gerichtshof (OGH) in einem
mehrtägigen öffentlichen Gerichtsverfahren die
Nichtigkeitsbeschwerden und Strafberufungen der nicht rechtskräftig
Verurteilten. Vier Termine sind bis 25. März angesetzt.
Ob alle vier Termine tatsächlich benötigt werden, ist offen. Wie
OGH-Sprecher Frederick Lendl auf APA-Anfrage mitteilte, wurde der
Saal im Justizpalast vorsorglich für vier Tage reserviert, "um ein
zeitliches Polster zu haben". Neue Beweisaufnahmen sind keine
vorgesehen. Die Berichterstatterin des Fünf-Richterinnen-Senats wird
zunächst den bisherigen Verfahrensgang skizzieren, was einige Zeit
in Anspruch nehmen dürfte. Anschließend tragen die Verteidiger ihre
Rechtsmittel vor, die sie gegen die im Jahr 2020 verhängten
Haftstrafen eingereicht hatten. Danach kommt die Vertretung der
Generalprokuratur zu Wort, ehe die Angeklagten Gelegenheit haben,
allfällige Schlussworte an den Senat zu richten.
Ex-Finanzminister Grasser wurde am 4. Dezember 2020 am Wiener
Landesgericht zu acht Jahren Haft verurteilt, Maischberger fasste
sieben Jahre Haft aus und Hochegger sechs Jahre. Den 168 Tage
dauernden Verhandlungen gingen sieben Jahre Ermittlungsarbeit voran,
bevor die Hauptverhandlung am 12. Dezember 2017 begann.
Untreue, Beweismittelfälschung und Geschenkannahme
In der Causa Buwog ging es um die Privatisierung der
Bundeswohngesellschaften während der Amtszeit Grassers. Eine dieser
Gesellschaften war die Buwog. Grasser wurde wegen Untreue,
Beweismittelfälschung und illegaler Geschenkannahme verurteilt,
Meischberger wegen Beihilfe und Beweismittelfälschung. Hochegger
wurde nicht nur die Beitragstäterschaft zu Grassers Delikten zur
Last gelegt, sondern auch jene zur Bestechung des früheren
Finanzministers durch den damaligen Immofinanz-Chef Karl Petrikovics
und den Ex-Chef der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich (RLB OÖ).
Laut dem nicht rechtskräftigen Urteil soll es im Rahmen der Causa
Buwog zu verdeckten Provisionsabsprachen in Höhe von 9,6 Mio. Euro
gekommen sein. Und ein Teil davon soll auch bei Grasser gelandet
sein. Und 200.000 Euro sollen bei der Einmietung der Finanz in den
Büroturm Terminal Tower in Linz geflossen sein.
Grasser nannte die Verurteilung durch den Schöffensenat ein
"glattes Fehlurteil" sowie ein "politisches Urteil". Meischberger
warf der Richterin Befangenheit vor. Die Anwälte von Grasser und
Meischberger haben bereits anlässlich der Urteilsverkündung 2020
angekündigt, wegen der langen Verfahrensdauer vor den Europäischen
Gerichtshof zu gehen.
Teilgeständnis von Lobbyist Hochegger
13 Monate nach der Urteilsverkündung, die am 4. Dezember 2020
durch Richterin Marion Hohenecker erfolgte, erging das schriftliche
Urteil. Die Rechtsanwälte bekamen ihrerseits ein Jahr Zeit zum
Einbringen ihrer Rechtsmittel. Die Angeklagten haben, abgesehen des
Lobbyisten Peter Hochegger, die Vorwürfe stets bestritten.
Dass der OGH nun vier Tage für eine Verhandlung ansetzt, kommt
selten vor, das ist dem Umfang geschuldet. Zum Vergleich: In der
Causa BAWAG/Karibik-Verluste hatte der OGH einst zwei Tage
verhandelt.
Eine besondere Rolle im Verfahren hatte Hochegger eingenommen.
Der einstige Star der Wiener PR-Szene hatte zu Prozessbeginn ein
Teilgeständnis abgelegt, fasste aber trotzdem eine sechsjährige
Haftstrafe aus. Laut Richterin Hohenecker habe er nicht bedeutsam
zum Urteil beigetragen - allerdings hatte der Lobbyist mit dem
Teilgeständnis den nachhaltigen Ärger von Grasser und Meischberger
auf sich gezogen, die sich im Laufe des Prozesses massiv auf ihn
einschossen. Diese Erfahrung musste auch Richterin Hohenecker
machen, der anfangs Befangenheit vorgeworfen wurde, deren
Prozessführung aber zum Verfahrensende sogar von den Verteidigern
und Angeklagten gelobt wurde.
Eine wichtige Rolle in der Causa Grasser nimmt die
Generalprokuratur ein. Sie berät den OGH und hat ihre Empfehlung -
an das sich das Höchstgericht meist hält - bereits abgegeben. Gemäß
ihrer Rechtsansicht würden die Urteile im Falle des Untreuevorwurfs
halten, außer bei einem oberösterreichischen Ex-Banker. Eine
Aufhebung schlug die Generalprokuratur bei den Schuldsprüchen zur
(Beteiligung an) Bestechung vor, das bezieht sich auf Meischberger,
Hochegger, Petrikovics und den oberösterreichischen Banker. Für
Grasser gäbe es eine einzige Aufhebung: den Schuldspruch für
Beteiligung an einer Beweismittelfälschung.
Generalprokuratur gibt Grasser wenig Hoffnung
"Nach Ansicht der Generalprokuratur wäre das Urteil sozusagen im
Kern wegen ergangener Untreue-Schuldsprüche im Wesentlichen zu
bestätigen", sagte damals ein Sprecher der Generalprokuratur.
Grassers Anwalt Manfred Ainedter betonte danach, es handle sich "um
eine unverbindliche Rechtsmeinung" der Generalprokuratur, an die der
Oberste Gerichtshof in keiner Weise gebunden sei.
In der Zwischenzeit hat auch Richterin Hohenecker ihren Job
gewechselt und arbeitet nun für die Wirtschafts- und
Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Dass sie auch vor prominenten
Angeklagten keine Scheu hat, hatte sie schon vor dem Grasser-Prozess
unter Beweis gestellt. Unter anderem verurteilte sie den
Ex-FPÖ-Spitzenpolitiker Peter Westenthaler im Bundesliga-Verfahren.
Wobei Westenthaler nicht der einzige bekannte Politiker war, der mit
der Justiz Probleme bekam.
Hier ein kleiner Auszug ohne Vollständigkeit: So musste sich
Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) genauso vor dem Kadi
verantworten wie Ex-Innenminister Ernst Strasser (ÖVP), ältere
Semester werden sich noch an den SPÖ-Gewerkschafter Franz Olah
erinnern können. Die Lucona-Affäre brachte wiederum den früheren
Außenminister Leopold Gratz vor Gericht, sein Parteifreund von der
SPÖ, Ex-Innenminister Karl Blecha, stolperte über die
Noricum-Affäre.
Gleich eine ganze Reihe von hochrangigen Verurteilungen hat die
Aufarbeitung diverser Parteienfinanzierungs-Affären aus der
schwarz-blau-orangen Ära gebracht, etwa für den früheren Kärntner
ÖVP-Chef Josef Martinz. Ebenfalls in Kärnten befasste sich die
Justiz mit Ex-Landeshauptmann Gerhard Dörfler, den Ex-Landesräten
Uwe Scheuch und Harald Dobernig sowie dem Ex-Sprecher des
verstorbenen Landeshauptmanns Jörg Haider, Stefan Petzner (alle
BZÖ).
Steuerverfahren gegen Grasser endete mit Freispruch
Im Sommer 2022 stand Grasser wieder vor Gericht, diesmal in einem
Steuerverfahren - und unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Zu Beginn
des ersten Verhandlungstages, noch unter Öffentlichkeit, wurde
Grasser von Richter Michael Tolstiuk routinemäßig zu seinen
Einkommensverhältnissen befragt. Grasser führte aus, dass er zu
seiner beruflichen Tätigkeit, zu Einkommen, Vermögen und etwaigen
Schulden keine Angaben machen möchte. Das Verfahren endete mit einem
Freispruch.
(Redaktionelle Hinweise: 0385-25, Format 88 x 160 mm - B I
L D A V I S O - Fotos zum Grasser-Prozess sind im Archiv abrufbar.)
sso/stf/cri/cs
ISIN AT00BUWOG001 AT0000A21KS2
WEB http://www.ogh.gv.at/
http://www.buwog.at
http://www.cpi-europe.com
http://www.rlbooe.at
ISIN DE0005937007
WEB http://www.man.eu/de/