Konjunktur
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Datum/Zeit: 11.01.2025 13:20 Quelle: Konjunktur - Presseaussendung |
Deutscher Servicesektor im Dezember: Geschäftstätigkeit nimmt zu, aber
auch der Preisdruck
Ergebnisse auf einen Blick:
HCOB Dienstleistungsindex Deutschland bei 51,2 (Finalwert November: 49,3), 2-Monatshoch
HCOB Composite PMI Deutschland bei 48,0 (Finalwert November: 47,2), 2-Monatshoch
Inflation der Kosten und Angebotspreise beschleunigt sich
Wie die jüngsten Daten zeigen, zog die Geschäftstätigkeit in Deutschlands Dienstleistungssektor zum Jahresende leicht an.
Gleichzeitig verstärkte sich allerdings auch der Preisdruck. Nach dem Minus im Vormonat waren die neuerlichen Zuwächse
jedoch größtenteils dem Abbau der unerledigten Projekte und Aufträge zu verdanken, da die Nachfrageflaute weiterhin anhielt.
Obgleich die Beschäftigung sektorweit erneut zurückging, haben sich die Kosten aufgrund der steigenden Löhne und Gehälter
abermals erhöht, und das so sehr wie zuletzt im Februar. Dies veranlasste die Branchenakteure wiederum dazu, ihre
Angebotspreise deutlicher anzuheben.
Nachdem er zur Mitte des finalen Quartals noch kurzzeitig in die Schrumpfungszone abgesackt und auf 49,3 Punkte gefallen
war, kletterte der finale und saisonbereinigte HCOB Index Geschäftstätigkeit im Dezember über die Wachstumsschwelle von
50,0. Mit aktuell 51,2 Punkten signalisiert der Hauptindex wieder ein Plus, das in etwa dem Jahresdurchschnitt für 2024
entspricht.
Dass der Aufwärtstrend jedoch auf wackligem Fundament stand, verdeutlicht die andauernde Nachfrageschwäche. So
schlugen beim Auftragseingang bereits zum vierten Mal in Folge Verluste zu Buche, die den Befragten zufolge der Unsicherheit
unter den Kunden, dem Mangel an öffentlichen Ausschreibungen und der Misere im verarbeitenden Gewerbe geschuldet
waren. Das Auslandsgeschäft blieb ebenfalls rückläufig. Ein Lichtblick waren die verbrauchernahen Serviceanbieter, die ein
solides Maß an Neuaufträgen verzeichneten.
Da es beim Gesamt-Auftragseingang erneut bergab ging, wurden die neuerlichen Zuwächse bei der Geschäftstätigkeit
vornehmlich vom Abbau der unerledigten Projekte getragen. Diese wurden rasant und sogar noch schneller abgearbeitet als im
Vormonat.
Derweil wurden auch zum Jahresende - wie bereits seit sechs Monaten - Stellen gekürzt. Der Jobabbau blieb allerdings
moderat. Wo ein Beschäftigungsrückgang gemeldet wurde, begründeten die Umfrageteilnehmer diesen zumeist mit fehlenden
Projekten und gezielten Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität sowie zur Kostenersparnis.
Tatsächlich zogen die Ausgaben abermals kräftig an was laut Befragten insbesondere den wachsenden Löhnen und Gehältern
zuzuschreiben war. Die Inflationsrate beschleunigte sich hier den dritten Monat hintereinander und fiel so hoch aus wie zuletzt
im Februar.
Folglich hoben die Dienstleister ihre Preise deutlicher an als zuletzt. So stiegen die Angebotspreise so stark wie seit acht
Monaten nicht an. Zudem übertraf die dazugehörige Teuerungsrate den langjährigen Mittelwert von vor der Pandemie.
Nichtsdestotrotz blickten die Manager erneut nur vorsichtig optimistisch in ihre geschäftliche Zukunft binnen Jahresfrist. Dass
der zukunftsgerichtete Index zwar weiterhin spürbar unter dem Langzeitdurchschnitt rangierte, aber immerhin gegenüber
November etwas zulegte, lag an der Hoffnung auf einen Aufschwung durch niedrigere Zinsen sowie auf stabilere politische
Rahmenbedingungen in Folge der Neuwahlen im kommenden Jahr. Trotz allem trübten die Sorgen über den Zustand der
Industrie und den Neuauftragsmangel im öffentlichen Sektor die Wachstumserwartungen.
Dr. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, kommentiert die aktuellen Umfrageergebnisse:
"Die wichtigste Erkenntnis aus dem PMI für Dienstleistungen im Dezember ist, dass wir es mit einem schwachen Wachstum
gepaart mit einer starken Inflation zu tun haben – eine beinahe lehrbuchhafte Stagflation. Der Ausgabenanstieg ist atemberaubend: Der Kosten-Index stieg um fast vier Punkte und damit so rasant wie zuletzt im Februar 2024.
Hauptursächlich sind
hier wahrscheinlich die Löhne und Gehälter, die im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um nahezu 9% in die Höhe
schossen.
Eine hohe Inflation bei den Serviceanbietern ist für eine Wirtschaft, die mit einer Rezession flirtet, recht ungewöhnlich. Seit
2021/2022 sehen wir einen deutlichen Kontrast zwischen der hohen Inflation und dem langsamen Wachstum (oder sogar
einer Stagnation) der Geschäftstätigkeit. Diese Diskrepanz, die mit den konjunkturellen Schocks während der Pandemie und
des Einmarschs Russlands in die Ukraine ihren Anfang nahm, weist auf einen strukturellen Wandel hin, der möglicherweise
mit der Demografie und dem anhaltenden Arbeitskräftemangel zusammenhängt.
Der HCOB Dienstleistungsindex ist nach einem Rückgang unter 50,0 Punkte im November wieder in einem - wenn auch nur
moderaten - Wachstumsmodus, und der gestiegene Optimismus der Befragten hinsichtlich der künftigen Geschäftsaussichten ist eine gute Nachricht. Die andauernden Einbußen beim Auftragseingang und der kontinuierliche Abbau der unerledigten Projekte dämpfen jedoch die positiven Zahlen zur Geschäftstätigkeit.
Es ist ziemlich bemerkenswert, dass die Aktivität im Servicesektor trotz der anhaltenden Rezession im verarbeitenden
Gewerbe resilient geblieben ist. In der Vergangenheit sind die Entwicklungen in beiden Sektoren recht parallel gelaufen, mit
Ausnahme weniger Fälle während der großen Rezession von 2008/2009 und 2019/2020.
Dies deutet darauf hin, dass ein
wachsender Teil der Dienstleistungen unabhängiger von der industriellen Aktivität wird, was wiederum die zunehmende
Rolle der Serviceanbieter bei der Stabilisierung der Wirtschaft unterstreicht."
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