Konjunktur
|
Datum/Zeit: 09.11.2024 15:02 Quelle: Konjunktur - Presseaussendung |
Eurozone-Wirtschaft stagniert im Oktober
Ergebnisse auf einen Blick:
HCOB Composite PMI® Eurozone bei 50,0 (Finalwert September: 49,6), 2-Monatshoch
HCOB Dienstleistungsindex Eurozone bei 51,6 (Finalwert September: 51,4), 2-Monatshoch
Stagnation aufgrund weiterer Rückgänge bei Auftragseingang und Beschäftigung
Die Konjunktur in der Eurozone ist zu Beginn des vierten Quartals stagniert. Ausschlaggebend hierfür war, dass die
Wirtschaftsleistung in den beiden Schwergewichtsländern Deutschland und Frankreich schrumpfte, was wiederum das
Wachstum in den übrigen betrachteten Ländern überkompensierte. Beim Auftragseingang schlug erneut ein Minus zu Buche,
und der Stellenabbau beschleunigte sich so deutlich wie seit Dezember 2020 nicht mehr. Gleichzeitig fielen die
Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist zum fünften Mal hintereinander weniger optimistisch aus und landeten auf einem
vorläufigen Jahrestief.
Kaum Veränderung gab es indes bei den Ein- und Verkaufspreisen. Beide Steigerungsraten zählten zu den niedrigsten seit
über dreieinhalb Jahren.
Der finale saisonbereinigte HCOB Composite PMI für die Eurozone - ein gewichteter Mittelwert aus dem HCOB Eurozone
Index Industrieproduktion und dem HCOB Eurozone Service-Index Geschäftstätigkeit - legte binnen Monatsfrist um 0,4 Punkte
auf 50,0 zu und signalisierte damit, dass die Wirtschaftsleistung im Oktober im Vergleich zu September stagnierte. Der
Langzeitdurchschnitt von 52,5 Punkten wurde erneut unterschritten.
Die Stagnation kaschierte allerdings die beträchtlich auseinanderlaufenden Entwicklungen auf Sektorenebene. So expandierte
der Dienstleistungssektor nicht nur den neunten Monat in Folge, der Aufwärtstrend hat sich hier sogar nochmals leicht
beschleunigt, während die Industrieproduktion ein weiteres Mal stark zurückging.
Auch auf Länderebene zeigte sich im Berichtsmonat ein gemischtes Bild. So drückten die beiden größten Volkswirtschaften -
Deutschland und Frankreich - abermals auf die wirtschaftliche Aktivität des Euroraums. Doch während Frankreich tiefer in den
rezessiven Bereich rutschte, schwächte sich die Talfahrt in Deutschland ab. Dass die Wirtschaftsleistung in beiden Nationen
schrumpfte, glich das Wachstum in den übrigen von der Umfrage erfassten Ländern aus.
Spanien blieb trotz leicht
nachlassender Dynamik Spitzenreiter. Moderat aufwärts ging es ebenso in Irland und Italien, Letzteres vermeldete erstmals
wieder Zuwächse.
Der Auftragseingang wies im Oktober zum fünften Mal hintereinander insgesamt ein Minus aus. Auf der Herstellerseite
schwächte sich der noch immer kräftige Auftragsrückgang ab, bei den Serviceanbietern schlugen hingegen die gravierendsten
Verluste seit Januar zu Buche. Dass der Rückgang in der Industrie deutlich stärker ausfiel als im Dienstleistungssektor, lag zum
Teil am höheren Auftragsminus von den Exportmärkten. Der Gesamtindex Exportneugeschäft notierte den 32. Monat in Folge
im negativen Bereich.
Die Auftragsbestände nahmen zum 19. Mal hintereinander und erneut kräftig ab, wovon beide Sektoren gleichermaßen
betroffen waren. Folglich wurde die Beschäftigung zwar nur minimal abgebaut, der entsprechende Job-Index sackte jedoch auf
den tiefsten Wert seit Dezember 2020 ab. Der Stellenabbau konzentrierte sich dabei ausschließlich auf das verarbeitende
Gewerbe, während die Beschäftigung im Servicesektor nahezu stagnierte.
Unterdessen sanken die Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist den fünften Monat in Folge und fielen so wenig optimistisch
aus wie seit Jahresbeginn nicht mehr.
Der Kostendruck fiel im Oktober abermals gedämpft aus. So blieb der Anstieg der Einkaufspreise nicht nur deutlich unter
seinem Langzeitdurchschnitt, er war auch fast genauso schwach wie im September, als die Ausgaben mit der drittniedrigsten
Rate seit knapp vier Jahren zugelegt hatten. Die Verkaufspreise wurden nur moderat und mit der zweitniedrigsten Rate seit
Februar 2021 angehoben.
Rangliste der Composite PMIs im Oktober 2024
Spanien 55,2 2-Monatstief
Irland 52,6 2-Monatshoch
Italien 51,0 4-Monatshoch
Deutschland 48,6 (Flash: 48,4) 3-Monatshoch
Frankreich 48,1 (Flash: 47,3) 8-Monatstief
HCOB Dienstleistungsindex Eurozone
Mit 51,6 Punkten nach 51,4 im September signalisierte der HCOB Dienstleistungsindex Eurozone, dass sich das Wachstum
des Servicesektors im Oktober zwar leicht beschleunigt hat, die Steigerungsrate jedoch erneut kleiner ausgefallen ist als im
langjährigen Mittel.
Die Nachfrage nach Dienstleistungen ging im Umfragemonat nicht nur ein weiteres Mal zurück, das zweite Minus in Folge fiel
sogar so hoch aus wie seit Januar nicht mehr. Größter Belastungsfaktor war das Exportgeschäft, wo die stärksten Verluste seit
zehn Monaten zu Buche schlugen. Damit übertraf der Rückgang der Auslandsbestellungen sogar die Einbußen beim Gesamt-Auftragseingang.
Derweil nahmen die Auftragsbestände abermals ab. Ungeachtet dessen stieg die Beschäftigung erneut, diesmal jedoch mit der
niedrigsten Rate seit Februar 2021. Die Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist blieben zuversichtlich, wenngleich der
Optimismus gegenüber September leicht nachließ.
Der Anstieg der Einkaufs- und Angebotspreise beschleunigte sich zwar, beide Teuerungsraten notierten gegenüber den
niedrigen Vormonatswerten jedoch kaum verändert.
Dr. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, kommentiert:
„Wachstum und Stabilität sind nicht die ersten Begriffe, die man mit der aktuellen Wirtschaftslage in der Eurozone in
Verbindung bringen würde. Aber genau das bietet der Dienstleistungssektor mit einem stabilen Wachstum seit Anfang des
Jahres. Die bescheidenen Zuwächse waren entscheidend dafür, dass die Währungsunion nicht in eine Rezession abgerutscht
ist. Wir sind zuversichtlich, dass die Dienstleister ihre Geschäftstätigkeit weiter steigern werden, da eine niedrigere Inflation und
höhere Löhne steigende Ausgaben der Privathaushalte bedeuten, was die Nachfrage nach Dienstleistungen stützt. Daher
erwarten wir auch eine Erholung des Neugeschäfts, das in den letzten zwei Monaten etwas zurückgegangen ist.
Es ist nicht klar, ob eine Stagnation der Wirtschaft in der Eurozone verhindert werden kann, da der Composite PMI für Oktober
genau bei 50,0 Punkten liegt. Unser BIP-Nowcast für das vierte Quartal, der auf den PMIs und mehreren anderen Indikatoren
basiert, signalisiert einen leichten Rückgang der Geschäftstätigkeit. Ein BIP-Wachstum ist immer noch möglich, wenn die
Industrieproduktion in den nächsten zwei Monaten anzieht, wofür die Oktober-Zahlen eine gewisse, wenn auch nur sehr vage
Hoffnung bieten.
Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), stellte auf der letzten EZB-Pressekonferenz fest, dass die
Inflation im Servicesektor weiterhin recht hartnäckig ist. Die PMI-Preisindizes stützen diese Ansicht. Die Kosten stiegen im
Oktober schneller als in den Vormonaten, ebenso wie die Verkaufspreise. Unserer Ansicht nach ist diese Trägheit ein
strukturelles Problem, das mit dem demografisch bedingten Arbeitskräftemangel zusammenhängt, der einen Aufwärtsdruck auf
die Löhne ausübt. Für die EZB wird es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, das 2%-Inflationsziel in diesem Umfeld nachhaltig
zu erreichen.“
|