wiiw - Potenzial von Ukraines Wirtschaft mit EU-Integration nutzbar
Sechs Sektoren mit besonderen Wettbewerbsvorteilen - EU sollte
statt auf Protektionismus auf Einbindung des Landes setzen
Die Wirtschaft der Ukraine hat einige Stärken. Die
EU wäre gut beraten, diese zu fördern und für die eigenen
Lieferketten zu nutzen, statt sich mit Protektionismus vor
Konkurrenz aus dem unter Russlands Angriff leidenden Land zu
schützen, schreibt das wiiw in einer am Mittwoch veröffentlichten
Analyse. Besonders gute Aussichten sieht das wiiw für die Sektoren
erneuerbare Energie, kritische Rohstoffe, Metallverarbeitung,
Maschinenbau, Lebensmittelindustrie und IT.
Falls die Industriepolitik der Ukraine entsprechend entwickelt,
ausländische Investitionen gefördert und institutionelle Reformen
umgesetzt werden, könnten diese sechs Sektoren tragende Säulen einer
Integration der Ukraine in die EU-Wirtschaft sein, so das wiiw.
Auslandsinvestitionen hätten schon vor dem Krieg stark geschwankt -
nicht zuletzt, weil die rechtliche Sicherheit fehlt. Hier müsse das
Land noch nachbessern.
Die Ukraine könnte die EU laut EU-Kommission mit rund 20
kritischen Rohstoffen versorgen. Hier liege einer ihrer größten
Wettbewerbsvorteile. Die Nutzung und Einbindung des Potenzials der
Ukraine könnte der EU helfen, ihre globale Unabhängigkeit zu
sichern.
Bemerkenswert seien auch die Exporte von IT-Dienstleistungen aus
der Ukraine, vermerkt das wiiw. Allerdings sei nur ein Teil der
Wirtschaft auf diesem Stand, weitere Modernisierungen und
gesetzliche Anpassungen zum Schutz von geistigem Eigentum seien
nötig.
Bei Agrarprodukten sei die Ukraine zwar sehr stark, aber auch
sehr verwundbar durch Protektionismus der EU. Zuletzt gab es
Widerstand der vom Weltmarkt weitgehend geschützten EU-Bauern gegen
Agrarprodukte aus der Ukraine. Würden diese hingegen in die
Lieferketten der EU integriert, könnte sich Europa zu einem globalen
Lebensmittelversorger entwickeln. Nach den Zerstörungen des Kriegs
entfielen fast zwei Drittel der ukrainischen Exporte auf
Agrarprodukte. Stark sei die Ukraine auch in einigen Sektoren des
Maschinenbaus.
Für die EU haben die Autorinnen der gemeinsam mit der
Bertelsmann-Stiftung erarbeiteten Studie, Miriam Kosmehl, Veronika
Movchan, Olga Pindyuk und Stefani Weiss, drei Empfehlungen, um der
Ukraine den wirtschaftlichen Weg zu ebnen. Im Mittelpunkt müsse
stehen, nachhaltig ausländische Investitionen ins Land zu bringen.
Es reiche nicht, mit niedrigsten Löhnen zu werben. Geeignete
Maßnahmen wären etwa, die Arbeitsproduktivität zu verbessern, indem
die Ukraine (ganz) in Programme über Bildung, Forschung- und
Entwicklung und Industriepolitik eingebunden wird.
Weiters solle die EU den Zugang der Ukraine in den EU-Markt und
ihre Lieferketten weiter öffnen. Befristete Liberalisierungen
sollten dauerhaft gemacht werden, "anstatt kurzfristigen und nur
vermeintlichen Lösungen der protektionistischen Abwehr nachzugeben".
Die komparativen Vorteile der Ukraine sollten genutzt werden, um die
Souveränität der EU zu stärken.
Drittens sollte die EU mit der Ukraine zusammenarbeiten, um ihre
Industriepolitik zu entwickeln, viel versprechende Nischen der
ukrainischen Wirtschaft aufzubauen, soweit wie möglich noch während
der Krieg andauert sowie möglichst viele Industriesektoren für den
EU-Binnenmarkt fit zu machen.
tsk/cgh
ISIN
WEB http://www.wiiw.ac.at/
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