Klima-Glossar: Bioethanol
In Österreich wird seit April fossilen Superbenzin bis zu 10
Prozent Bioethanol beigemengt - Experten sehen Potenzial zu
Dekarbonisierung des Verkehrs - Umweltschützer sind kritischer
- BILD
Der Alkohol Ethanol wird nicht nur als Genussmittel
genützt. Das aus Agrarprodukten wie etwa Futtermais und Futterweizen
hergestellte Bioethanol kommt in vielen Ländern als nicht-fossiler
Kraftstoff auf den Straßen zum Einsatz. Bioethanol kann als
alleiniger Treibstoff verwendet oder dem Benzin beigemengt werden.
Durch seine Eigenschaften wird Bioethanol von vielen Experten ein
Potenzial zur Dekarbonisierung des Verkehrs zugesprochen.
Umweltschützer sehen das kritischer.
Seit April wird dem Superbenzin an den Zapfsäulen in Österreich
bis zu 10 Prozent Ethanol, auch "E10" genannt, beigemengt, zuvor gab
es "E5". Laut dem Biokraftstoffbericht des Energieministeriums für
das Jahr 2020 konnten dadurch 66.750 Tonnen CO2 im heimischen
Straßenverkehr eingespart werden. Aktuellere Zahlen liegen
öffentlich nicht vor. Die während des Anbaus der Biomasse, des
Transportes der Zwischenprodukte und bei den Umwandlungsvorgängen
anfallenden Emissionen sind in dieser Rechnung noch nicht
berücksichtigt.
Allerdings ist die CO2-Bilanz laut Expertinnen und Experten auch
entlang der gesamten Kette, also von der Erzeugung bis hin zum
Verbrauch, per saldo positiv. Bioethanol hat dabei gegenüber
fossilen Kraftstoffen noch einen weiteren Vorteil. Forscher der
Technischen Universität Wien (TU) untersuchten in einer Studie den
Ausstoß von Feinstaub in Benzinmotoren, die teilweise mit Bioethanol
betrieben wurden. Das Ergebnis: Ab einer Beimengung von zehn Prozent
kommt es zu einer deutlichen Reduktion der Emissionen.
Eine Erhöhung der Beimengungsquote auf zehn Prozent ist neben
Österreich in Europa in 15 EU-Ländern (u. a. Deutschland,
Frankreich) und in Großbritannien schon Realität. Die türkis-grüne
Bundesregierung hat den Umstieg auf "E10" im Regierungsprogramm
2020-2024 verankert.
Die Frage, ob und in welchem Ausmaß Bioethanol eingesetzt werden
soll, bewegt sich aus Sicht des Wifo-Agrarökonomen Franz Sinabell in
einem ethischen Spannungsfeld, da für die Produktion zum Teil große
Mengen an landwirtschaftlichen Erzeugnissen verwendet werden, die
alternativ für die Lebensmittelversorgung gebraucht werden könnten.
Bauernvertreter betonen hierzu, dass es sich beim genutzten Getreide
großteils um Überschüsse aus der Gesamtproduktion handle, für die
sich sonst kein Absatz finde. Außerdem komme auch Getreide in die
Ziehung, bei dem das angestrebte Stärkeziel verfehlt wurde und das
daher keine optimalen Eigenschaften für die menschliche Ernährung
aufweise. Auch eine Lieferung von überschüssigem Getreide in von
Importen abhängige Gebiete sei aufgrund fehlender Transportwege über
Europa nicht ohne weiteres möglich.
Für viele Umweltschützer - etwa Global 2000 - ist die Verwendung
von Bioethanol grundsätzlich problematisch. Es handle sich nur um
eine kosmetische Klimaschutzmaßnahme, die von einer systematischen
Verkehrswende ablenke. Berechnete Einsparungen seien durch den
Anstieg des Verkehrsaufkommens und durch "den Trend zu
spritfressenden SUVs" mehr als wettgemacht worden, argumentieren die
Klimaschützer. Stattdessen fordern diese eine umfassende Umstellung
hin zu öffentlichen Verkehrsmitteln und nicht-fossilen
Transportmitteln, wie etwa Fahrrädern. Zudem befeuere der Einsatz
die Lebensmittelpreise, was potenzielle Hungerkrisen verschärfe.
Chemisch gesehen gibt es zwischen dem herkömmlichen Alkohol -
Ethanol oder auch als Ethylalkohol bezeichnet - wie er durch
natürliche Vergärungsprozesse entsteht, und dem Bioethanol wenig
Unterschied. Dessen Erzeugung ähnelt daher der Schnapsproduktion.
Hierzulande erfolgt die Produktion von Bioethanol - nicht zu
verwechseln mit Biodiesel - größtenteils in der Bioethanolanlage der
Agrana in Pischelsdorf (Niederösterreich). Die aktuelle
Anlagenkapazität liegt bei etwa 250.000 Kubikmeter Bioethanol, womit
der Agrarkonzern den österreichischen Eigenbedarf auch bei
E-10-Umstellung abdeckt.
Bioethanol kommt, so wie er in Österreich produziert wird, ein
Dreifachnutzen zu: Nicht nur spart sein Einsatz im motorischen
Verbrennungsprozess große Mengen an CO2, wie Expertinnen und
Experten betonen. In der Produktion entstehen als Nebenprodukte
proteinhaltige Eiweißfuttermittel, die wiederum dem Kreislauf zur
Lebensmittelerzeugung zugeführt werden können. Der Soja-Importbedarf
der heimischen Landwirtschaft wird somit verringert. Als weiteres
Kuppelprodukt bildet sich nicht-fossiles Kohlendioxid, das in der
Getränkeindustrie verwendet wird.
Der Kraftstoff wird hierzulande neben der Agrana seit Ende 2020
auch in der Zellstofffabrik von Austrocel in Hallein (Salzburg)
produziert. Gewonnen wird das Bioethanol dort aus Holzzucker.
Hierbei handelt es sich um Bioethanol aus der sogenannten "Zweiten
Generation", also Ethanol, das aus Bio-Abfallprodukten erzeugt wird.
Von der "Ersten Generation" ist die Rede, wenn für die Produktion
ausschließlich Stoffe gebraucht werden, die auch in der
Lebensmittelindustrie zum Einsatz kommen. Die Fabrik in Hallein ist
nach Angaben des Unternehmens die weltweit größte derartige Anlage
auf Holzbasis.
tpo/cri
ISIN AT000AGRANA3
WEB http://www.agrana.com
ISIN IE00BYTBXV33 GB00B1VYCH82
WEB http://www.ryanair.com
http://www.thomascookgroup.com/
https://www.laudamotion.com