Schwierige Fragen rund um Russland-Engagement österreichischer Firmen
Beispiel Agrana: Chef verweist auf Versorgungsrolle auch in
Russland - Derzeit will man noch bleiben - "Das kann sich aber
nächste Woche ändern" - Wie RBI auch in Ukraine engagiert
Das Thema Russland ist für viele
Firmen nicht einfach, wenn sie dort tätig sind. Es gibt
Wirtschaftsbereiche, für die gar keine harten Sanktionen gelten,
etwa die Nahrungsmittelindustrie. Bekanntes Beispiel ist die RBI,
die schon lange überlegt, wie sie weiter vorgehen soll, während ihr
Gewinn zuletzt stark aus Russland floss. Im Lebensmittelbereich ist
die Raiffeisen-nahe Agrana weiter in Russland tätig. Beide Firmen
sind allerdings auch in der Ukraine engagiert.
Eine aktuelle Studie der Universität St. Gallen, über die das
ORF-Wirtschaftsmagazin "ECO" zuletzt berichtet hat, zeigt, dass
österreichische Firmen relativ gesehen zögerlicher sind mit einem
Rückzug aus Russland als Unternehmen aus anderen Staaten. So hätten
bisher 4 Prozent der Austro-Unternehmen Russland verlassen, aber 8,5
Prozent der Unternehmen aus anderen EU- und aus G7-Staaten. Laut dem
in St. Gallen tätigen Wirtschaftsprofessor Simon J. Evenett
gegenüber "ECO" haben nur die Strabag und Petro Welt Technologies
ihr Russland-Geschäft eingestellt.
Schon Mitte Jänner hatten Recherchen der Kyiv School of Economics
(KSE) wie berichtet gezeigt, dass ein knappes Jahr nach Beginn der
russischen Ukraine-Invasion zwei Drittel der zuvor bereits präsenten
Unternehmen aus Österreich weiterhin in Russland aktiv sind. Auch
hier zeigte sich, dass österreichische Unternehmen Russland
gegenüber deutlich loyaler sind als Unternehmen aus anderen Ländern.
Im kriegführenden Staat bleiben wollen nach Einschätzung der
ukrainischen Experten derzeit 39 Prozent aller untersuchten
internationalen Unternehmen. Bei Firmen aus Österreich treffe das
allerdings 65,6 Prozent zu.
Agrana-Chef Markus Mühleisen betonte, dass das 300-köpfige Team
einer Agrana-Fruchtzubereitungsfabrik im Moskauer Umland "sich unter
extrem schwierigen Bedingungen anstrengt, das Geschäft aufrecht zu
erhalten". Gleichzeitig verurteilte er im Gespräch mit Journalisten
den "russischen Kolonialkrieg". "Wir wollen in keiner Weise das
Putin-Regime unterstützen, aber stellen keine Rüstungs- oder
Lifestyleprodukte her, sondern Fruchtzubereitungen." Die russische
Armee sei natürlich kein Kunde. "Dass jemand im Supermarkt Joghurts
mit unseren Fruchtzubereitungen kauft und das zu seinem Einsatz
mitnimmt oder jemandem dorthin schickt, kann man nicht ausschließen.
Es ist eine extrem schwierige Abwägung für uns."
Es gehe auch um den Zugang zu Nahrungsmitteln für die normalen
Menschen, die Agrana spiele eine Versorgungsrolle, sagte Mühleisen
auf Journalisten-Nachfragen. Ihr Tätigkeitsfeld unterliege keinen
Sanktionen. "Es ist aber eine Option aufzuhören und wir beobachten
die Situation ganz genau. Die Lage kann sich nächste Woche ändern."
Die Agrana ist auch in der Ukraine mit einem
Fruchtzubereitungswerk mit 500 Mitarbeitern. Oft falle der Strom
aus, man besorge derzeit einen neuen großen Generator. Es gebe dort
natürlich Fragen zum Engagement in Russland. Aber man lasse die
Ukraine nicht im Stich. So liege die Werksauslastung etwa nur bei 50
Prozent, es gebe aber keine Kündigungen, betonte der Agrana-Chef.
Man wolle auch beim Wiederaufbau in der Ukraine helfen, das wolle
auch die RBI, so der Manager. Wenn man vorher hinausgeworfen werde,
sei dies schwieriger. Es gebe jedenfalls trotz mancher Kritik in der
Ukraine auch Verständnis für die Position der Agrana.
Das Thema ist schwierig für die Unternehmensvertreter, wenn sie
darauf angesprochen werden. Auch die OMV ist in Russland nach wie
vor am Gasfeld Juschno-Russkoje beteiligt. Diese Beteiligung wurde
bereits abgeschrieben, allerdings habe dieses Gasfeld auch für
Russland strategische Bedeutung, "und damit sind die gesetzlichen
Rahmenbedingungen, wie man dort aussteigen kann, sehr
eingeschränkt", erläuterte OMV-Chef Stern dieser Tage. Eine
Ausschüttung von Dividenden an Unternehmen aus "verfeindeten
Staaten" sei in Russland verboten, daher gebe es aus Russland keinen
Ergebnisbeitrag mehr.
Es sei unverständlich, dass nach wie vor österreichische Firmen
in Russland aktiv seien, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr
Selenskyj beim kürzlichen Besuch von Österreichs Staatsoberhaupt
Alexander van der Bellen. So würde etwa die Raiffeisen Bank
International (RBI) russischen Soldaten Kreditstundungen gewähren.
Das sei inakzeptabel. "Wir möchten, dass diese Unternehmen
stattdessen in die Ukraine kommen", so Selenskyj. "Wir rufen die
österreichische Seite auf, Maßnahmen zu treffen, damit wegen
österreichischer Unternehmen nicht Österreichs Bevölkerung in
Misskredit gerät."
Van der Bellen reagierte gegenüber österreichischen Journalisten
nach dem Medientermin mit Selenskyj gelassen. In den
Delegationsgesprächen sei das nur am Rande ein Thema gewesen. "Es
wurde nicht wirklich Druck gemacht hinter dieser Geschichte. Ich
sehe auch gar nicht, wie man das schnell lösen kann."
phs/ivn
ISIN AT000AGRANA3 AT0000743059 AT0000606306 AT000000STR1
WEB http://www.agrana.com
http://www.omv.com
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http://www.strabag.com
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