Porr bewältigt Krisen mit dickem Auftragspolster
CEO: Es schaut aus, als könnte 2023 noch besser werden als
2022 - Was bremst, ist der Arbeitskräftemangel - Lieferketten
und Materialpreise beruhigen sich - Mole im Hafen Wien
gesichert
Trotz akuten Arbeitskräftemangels und hoher
Material- und Energiepreise brummt der Motor bei Österreichs
zweitgrößtem Baukonzern Porr. "Angesichts unseres Auftragsbestands
schauen wir voller Zuversicht in die Zukunft - es schaut aus, als
könnte 2023 noch besser werden als 2022", sagte Konzernchef
Karl-Heinz Strauss am Mittwoch vor Journalisten in Wien. "Wir
glauben nicht, dass die Lieferketten wieder gefährdet sind, wir
glauben auch nicht, dass es weniger Aufträge gibt."
Die Logistikströme müssten neu geordnet werden - ein Prozess, der
bereits im Gange sei. Die Porr will ihre Baustoffe verstärkt
regional besorgen und hat sich dafür auch bereits eine Mole im Hafen
Wien gesichert. "Das ist schon unterschrieben", so Strauss. "Wir
errichten dort ein Betonwerk - wir können Zement und viele Dinge
jetzt in Wien per Schiff anlanden." Die Verschiebung von
Warenströmen "passiert definitiv". "Man sucht jetzt Zweit- und
Drittlieferanten." Der taiwanesische Apple-Zulieferer Foxconn mache
gerade ein Drittel seiner Werke in China zu und gehe nach Indien.
"Leise schleichend verschwinden auch viele Produktlinien aus
Deutschland", so Strauss. Das sei nicht nur den hohen Energiepreisen
geschuldet, sondern auch der "überbordenden Regulierungswut".
Biontech gehe beispielsweise mit der Krebsforschung nach England.
Die drastisch gestiegenen Baupreise beunruhigen den Porr-Chef
nicht weiter. "Das normalisiert sich wieder." Der Preis für eine
Tonne Stahl sei zwischenzeitig auf 1.900 bis 2.000 Euro pro Tonne
geklettert, jetzt sei er wieder bei 1.000 bis 1.100 Euro. Der
Holzpreis habe sich verdreifacht und sei jetzt wieder normal. "Der
Markt regelt die Dinge." Die Gefahr sei eher, dass 50 Prozent der
Inflation auf die Energiepreise zurückzuführen sei. Vor allem der
Strompreis sei hoch.
Der Klimawandel und der Green Deal der EU dürften auch in Zukunft
für eine gute Auftragslage sorgen. "Es passiert sehr sehr viel.
Regulierungen treiben uns in eine Richtung", so der Konzernchef mit
Blick auf die neuen Umweltvorgaben. Noch kein Land habe unter 65
Prozent fossile Energie. "Dass man das nach unten drücken muss, ist
ja unbestritten, aber wir brauchen stabile Übergangszeiten und
stabile Vorgaben", betonte Strauss. "Eine Transformation von
Industrie und Energie von heute auf morgen geht nicht", forderte er
von der Politik längere Übergangszeiten. "Zu glauben, wir werden in
fünf Jahren genug erneuerbare Energie haben, dass wir Öl und Gas
nicht mehr brauchen, das ist doch absurd", hielt er fest. Für den
Fall, dass der Wind ausfällt, brauche man unbedingt
Pumpspeicherkraftwerke.
Die Zuversicht gilt freilich vorbehaltlich weiterer
geopolitischer Verwerfungen, die sich noch aus dem Angriffskrieg
Russlands gegen die Ukraine ergeben könnten. Weniger rosig sieht es
auch bei den Arbeitskräften aus. "Wir haben zu wenig Leute", räumte
Strauss ein. Es mangle nicht nur an Fachkräften, sondern generell an
Arbeitskräften, also auch einfachen Bauarbeitern. Zum Teil bemüht
sich der Konzern nun zusätzlich um Mitarbeiter aus Indien, die sie
bereits von Baustellen in Katar kennt. Für Aufträge in Deutschland
rekrutiert die Porr in Polen.
"Wir haben rund 1.000 Stellen ausgeschrieben, die wir sofort
besetzen könnten." Auch für die große Baustelle in Hannover brauche
er natürlich gewerbliches Personal. Die Porr hat sich dort gemeinsam
mit der deutschen Stump-Franki Spezialtiefbau/Hagedorn einen 400
Mio. Euro schweren Großauftrag zur Sanierung und Modernisierung
eines Abschnitts der historischen Verkehrsachse B3 gesichert.
Die Rot-Weiß-Rot-Karte, die ein Vehikel für die Zuwanderung von
Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern ist, "wird für den Tourismus und
Erntehelfer geöffnet". "Das gehört natürlich auch aufgemacht für den
Baubereich und vor allem auch für den Pflegebereich", meinte
Strauss. "Man muss auch die saisonalen Kontingente drastisch
erhöhen."
Es gibt zu wenig Personal. Strauss sorgt sich bereits um die
heurigen Lohnverhandlungen in Österreich. Denn angesichts der hohen
Inflation ist mit hohen Forderungen seitens der Arbeitnehmer zu
rechnen. "Wir können nicht sagen, 4 bis 5 Prozent wären angemessen,
wenn andere sagen, 8 Prozent", so der CEO. Zur Abgeltung der
Teuerung sähe er hier aber lieber Einmalzahlungen.
Der Baukonzern beschäftigt weltweit knapp über 20.000
Mitarbeiter, fast 9.000 davon in Österreich. Das Geschäftsjahr 2022
ist trotz Krisen recht gut gelaufen - mit einem "All Time High" bei
den Aufträgen und einem Ergebnis, das - wie auch zum Ende des
dritten Quartals prognostiziert - über 100 Mio. Euro lag. In den
ersten neun Monaten hatte die Porr einen Orderbestand von 7,8 Mrd.
Euro. Der Umsatz war um gut 11 Prozent auf über 4 Mrd. Euro
gestiegen, der Periodengewinn um zwei Drittel auf über 43 Mio. Euro.
Für das Gesamtjahr wurde eine Produktionsleistung von 6 Mrd. Euro
erwartet. Die Porr sei gut ins Jahr 2023 gestartet und auch 2024
werde gut laufen, so Strauss.
kre/pro
ISIN AT0000609607
WEB http://www.porr-group.com
ISIN AT0000743059
WEB http://www.omv.com