Konjunktur
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Datum/Zeit: 26.06.2022 13:19 Quelle: Konjunktur - Presseaussendung |
Weitere Abkühlung der deutschen Wirtschaft infolge
rückläufiger Exporte und starker Inflation - Aussichten
verdüstern sich zunehmend
Das Wachstum der deutschen Wirtschaft hat im Juni
stark an Dynamik verloren. Als Bremsklotz erwiesen
sich die rückläufigen Auslandsbestellungen, während
auch die Inlandsnachfrage infolge der gestiegenen
wirtschaftlichen Unsicherheit und der anhaltend hohen
Teuerung unter Druck geriet. Angesichts der sich
verdüsternden Erwartungen in der Industrie fielen die
Geschäftsaussichten insgesamt so wenig optimistisch
aus wie seit der ersten Pandemiewelle vor über zwei
Jahren nicht mehr.
Der S&P Global Flash Deutschland Composite Index
Produktion gab im Juni zum vierten Mal hintereinander
nach und notiert mit 51,3 Punkten nach 53,7 im Mai auf
dem niedrigsten Wert seit der vierten Coronawelle im
Dezember 2021. Der Servicesektor vermeldete das
schwächste Wachstum seit fünf Monaten (Index bei
52,4), was die Befragten auf die nachlassende
Nachfrage und Personalengpässe zurückführten. Die
Industrieproduktion wurde zum zweiten Mal innerhalb
der letzten drei Monate gedrosselt (Index bei 49,0).
Dass die deutsche Wirtschaft im Juni vor dem
Hintergrund des rückläufigen Auftragseingangs
überhaupt noch Wachstum erzielte, war in erster Linie
der Abarbeitung der Auftragsbestände zu verdanken.
Beim Neugeschäft schlug erstmals in diesem Jahr
insgesamt in Minus zu Buche, das noch dazu so hoch
ausfiel wie zuletzt im Juni 2020. Hauptgrund hierfür war
der stärkste Auftragsrückgang in der Industrie, wozu
auch das gravierende Exportorderminus beitrug.
Ausschlaggebend hierfür waren laut Industrieunternehmen die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine,
Geschäftsunterbrechungen mit China, die haussierenden Preise und hohe Lagerbestände auf Kundenseite.
Gleichzeitig verbuchten die Dienstleister erstmals seit
sechs Monaten einen minimalen Auftragsrückgang, was
laut Befragten auf die zunehmende Ausgabenzurückhaltung der Kunden und den Anstieg der Preise
zurückzuführen war.
Die Bestände an Vormaterialien und Fertigwaren
nahmen im Juni gleichermaßen zu. Bei den Fertigwarenlagern kam es wegen Auftragsverschiebungen
oder -stornierungen zum stärksten Aufbau seit Beginn
der ersten coronabedingten Geschäftsschließungen vor
zwei Jahren. Die Lieferengpässe sorgten dafür, dass die
Lagerbestände an Materialien und Komponenten
aufgestockt wurden. Dass sich die Lieferzeiten im
geringsten Ausmaß seit Februar verlängerten, zeigte
allerdings, dass das Ausmaß der Lieferverzögerungen
leicht abnahm.
Dies trug mit dazu bei, dass der Anstieg der
Einkaufspreise in der Industrie trotz anhaltend hohem
Niveau so schwach ausfiel wie seit 16 Monaten nicht mehr. Im Gegensatz dazu legten die Kosten im
Servicesektor wegen der gestiegenen Preise für
Energie, Kraftstoffe, Löhne sowie höherer Kreditkosten
mit neuer Rekordrate zu. Folglich stiegen die
Einkaufspreise insgesamt mit der zweithöchsten Rate
seit Umfragebeginn, lediglich übertroffen im Vormonat
April.
Der Anstieg der Verkaufs- bzw. Angebotspreise für
Güter und Dienstleistungen schwächte sich jedoch zum
zweiten Mal hintereinander auf den niedrigsten Wert
seit März ab. In beiden Sektoren sanken die
entsprechenden Raten.
Die Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist fielen so
wenig optimistisch aus wie seit über zwei Jahren nicht
mehr. Ausschlaggebend hierfür war jedoch einzig und
allein der Industriesektor, wo sich die Betriebe immer
größere Sorgen hinsichtlich der rückläufigen Nachfrage,
der anhaltend hohen Inflation und den weiteren
Lieferunterbrechungen machen. Im Servicesektor blieb
der Ausblick wie im Mai gedämpfter als im langjährigen
Mittel.
Der Stellenaufbau im Privatsektor hat sich im Juni
verlangsamt. So stieg die Beschäftigung mit der
niedrigsten Rate seit 15 Monaten an. Das
Mitarbeiterplus fiel dabei sowohl auf Herstellerseite als
auch bei den Dienstleistern kleiner aus.
Phil Smith, Economics Associate Director bei S&P
Global Market Intelligence, kommentiert:
„Die Juni-Flashes zeigen, dass die deutsche Wirtschaft
praktisch den gesamten Schwung verloren hat, den sie
durch die Lockerung der Coronabeschränkungen
gewonnen hatte. Insbesondere im Servicesektor hat
sich das Wachstum im Umfragemonat das zweite Mal in
Folge stark abgeschwächt.
Größter Anlass zur Besorgnis ist jedoch der Nachfragerückgang auf breiter Front: In der Industrie
beschleunigte sich der Auftragsrückgang, der Servicesektor musste das erste Minus beim Neugeschäft seit
sechs Monaten hinnehmen. Steigende Preise und die
zunehmende Unsicherheit haben hier ihren Tribut
gefordert. Gestützt wird das Wachstum lediglich noch
durch die in den Vormonaten aufgebauten Auftragspolster.
Der Preisdruck ist nach wie vor auf historisch hohem
Niveau. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass es für die
Unternehmen zunehmend schwieriger wird, die höheren
Kosten an die Kunden weiterzugeben, da die Verkaufs- bzw. Angebotspreise für Güter und Dienstleistungen
trotz des beschleunigten Anstiegs der Einkaufspreise
(teilweise im Zusammenhang mit dem höheren
Lohndruck) nicht mehr ganz so stark gestiegen sind wie
in den beiden Vormonaten.
Aufgrund des besonders düsteren Ausblicks in der
Industrie sind die Geschäftsaussichten binnen
Jahresfrist insgesamt so wenig optimistisch ausgefallen
wie seit der ersten Pandemiewelle vor zwei Jahren nicht
mehr. Dies hat dafür gesorgt, dass sich der
Stellenaufbau auf breiter Front verlangsamt hat, da die
Unternehmen beginnen, ihren Personalbedarf für die
Zukunft neu zu bewerten.“
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