Konjunktur
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Datum/Zeit: 25.09.2021 10:20 Quelle: Konjunktur - Presseaussendung |
Eurozone im September: Lieferengpässe und stärkster
Preisanstieg seit 21 Jahren bremsen Wachstum
Aufgrund von Lieferengpässen und der Besorgnis
hinsichtlich der andauernden Coronavirus-Pandemie
schwächte sich das Wachstum der Eurozone im
September spürbar ab. Dies zeigt, dass der
Höhepunkt des Nachfragebooms im zweiten Quartal
2021 überschritten wurde. Da die Delta-Variante die
Nachfrage nach wie vor beeinträchtigte und auch die
Lieferprobleme anhielten, gingen die
Geschäftsaussichten erneut zurück, was zur Folge
hatte, dass sich der Stellenaufbau von seinem 21-
Jahreshoch im Juli weiter abschwächte.
Da die Nachfrage das Angebot allerdings weiterhin
übertraf, zogen die Kosten der Unternehmen mit der
höchsten Rate seit 21 Jahren an, wobei sich der
Preisauftrieb in der Industrie zunehmend auch auf
den Servicesektor auswirkt.
Der IHS Markit Flash Eurozone Composite Index
Produktion sackte binnen Monatsfrist um 2,9
Punkte auf ein 5-Monatstief von 56,1 ab und
entfernte sich damit weiter von seinem 15-Jahreshoch im Juli. Er lag damit allerdings noch immer
deutlich über dem Langzeit-Durchschnittswert des
Zeitraums Umfragebeginn bis zum Beginn der
Pandemie und kennzeichnete eine auch im
historischen Vergleich ausgesprochen hohe
Wachstumsrate.
Trotz Abschwächung blieb das Wachstum sowohl in
der Industrie als auch im Servicesektor stark, wobei
die Industrie erneut die Nase vorn hatte. Während
sich die Steigerungsrate im Servicesektor auf den
tiefsten Stand seit Mai abschwächte, wurde die
Industrieproduktion mit der niedrigsten Rate seit
Januar ausgeweitet.
Ausschlaggebend für das verlangsamte Produktionswachstum der Hersteller waren den Befragten
zufolge die unterbrochenen Lieferketten, wovon
auch einige Dienstleister betroffen waren. Dass die
Nachfrage nur mäßig stieg, wurde oftmals auf die
andauernde Pandemie zurückgeführt. Betroffen
hiervon war vor allem das Exportneugeschäft im
Servicesektor.
Aufgrund der nachlassenden Nachfrage sowohl in
der Industrie als auch im Dienstleistungssektor wies
der Gesamt-Auftragseingang im September das
niedrigste Plus seit April aus. In den Vormonaten
waren die Zuwächse noch außergewöhnlich stark
ausgefallen.
Der Index für das Exportneugeschäft fiel auf den
niedrigsten Wert seit Februar. Im verarbeitenden
Gewerbe ließ die Auslandsnachfrage besonders
deutlich nach, im Servicesektor legte sie nur moderat
zu.
Infolge der weitverbreiteten Lieferprobleme nahmen die Auftragsbestände erneut rasant zu, vor allem in
der Industrie.
Die Lieferzeiten – ein Schlüsselindikator für
Verzögerungen in den Lieferketten in der Industrie –
verlängerten sich im Berichtsmonat wieder stärker
als zuletzt. Dies zeigt, dass das Ausmaß der
Verlängerung ein weiteres Mal alles übertraf, was
vor Beginn der Pandemie verzeichnet worden war.
Zudem sorgten die Lieferengpässe für den
kräftigsten Anstieg der Einkaufspreise seit
September 2000. Im Servicesektor kletterte der
entsprechende Index auf ein 8-Jahreshoch, im
verarbeitenden Gewerbe blieb er nahe den jüngsten
Höchstständen.
Die höheren Einkaufpreise wurden vielerorts an die
Kunden weitergegeben, weshalb die Verkaufs- bzw.
Angebotspreise im September mit der dritthöchsten
Rate seit zwei Jahrzenten zulegten, lediglich
übertroffen von den Werten im Juni und Juli.
Aufgrund der Verlangsamung in Industrie und
Servicesektor schwächte sich der Stellenaufbau
insgesamt auf ein 4-Monatstief ab. Ausschlaggebend hierfür war vor allem die Unsicherheit wie
sich Nachfrage und Lieferzeiten weiter entwickeln
werden. Dennoch blieb der Jobaufbau insgesamt
einer der stärksten seit zwanzig Jahren, da viele
Unternehmen nach wie vor bestrebt sind, ihre
Kapazitäten aufzustocken.
Die Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist
schwächten sich zum dritten Mal hintereinander ab
und fielen so wenig optimistisch aus wie zuletzt im
Januar. Vor allem die Sorgen hinsichtlich der
andauernden Pandemie – insbesondere unter den
Dienstleistern – waren hier ausschlaggebend.
Innerhalb der Eurozone schwächte sich das
Wachstum in Deutschland besonders deutlich ab,
hier wurde die niedrigste Steigerungsrate seit
Februar verzeichnet. Beide Sektoren kühlten
merklich ab, wobei vor allem die Industrie unter den
Lieferengpässen litt.
Frankreichs Wirtschaftswachstum verlor ebenfalls
an Dynamik und fiel so schwach aus wie zuletzt im
April. Während sich der Servicesektor noch wacker
hielt, wurde die Industrieproduktion hier ebenfalls
von Lieferengpässen ausgebremst.
In den übrigen von der Umfrage erfassten
Ländern blieb das Wachstum zwar stärker als in
Deutschland und Frankreich, es fiel jedoch so
schwach aus wie zuletzt im April. Im Servicesektor verlangsamte sich das Geschäftswachstum, und
auch das Tempo des Produktionswachstums in der
Industrie ließ leicht nach.
Chris Williamson, Chief Business Economist bei
IHS Markit, kommentiert den aktuellen Eurozone
Flash-PMI:
„Der Flash-PMI für September zeigt eine wenig
erfreuliche Kombination aus stark verlangsamtem
Wirtschaftswachstum und kräftig steigenden
Preisen.
Einerseits war eine gewisse Abkühlung des
Wachstums gegenüber den Zwanzig-Jahres-Höchstständen zu Beginn des Sommers zu
erwarten. Andererseits sind die Unternehmen
zunehmend frustriert über Lieferverzögerungen,
Engpässe und immer höhere Preise für
Vormaterialien. Die Unternehmen, vor allem im
Verarbeitenden Gewerbe - und jetzt auch im
Servicesektor - werden dadurch eingeschränkt und
verlieren häufig Umsatz und Kunden.
Die Besorgnis über die hohen Preise, die
angespannten Lieferketten und die Widerstandsfähigkeit der Nachfrage angesichts der anhaltenden
Pandemie hat die Zuversicht vieler Unternehmen
getrübt, sodass der Geschäftsausblick für das
kommende Jahr nun auf den niedrigsten Stand seit
Januar gesunken sind.
Für den Moment bleibt das Wachstum trotz
Abschwächung solide. Allerdings dürfte es sich in
den kommenden Monaten weiter verlangsamen,
wenn der Preis- und Angebotsdruck nicht
nachlässt, vor allem jedoch, wenn im Herbst auch
noch ein Anstieg der Coronavirus-Infektionszahlen
hinzukommt."
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