OMV-Chef legte zum Abschied Rekordgewinn vor und weicht ohne Zorn
CEO Seele tritt nach sechs Jahren ab - Borealis-Kauf
verteidigt: Wahrer Wert kristallisiert sich jetzt heraus -
Düngemittel-Verkauf noch heuer - Einstellungswandel zum
Klimaschutz - GRAFIK
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AKTUALISIERUNGS-HINWEIS
Neu geschrieben nach Pressekonferenz
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OMV-Generaldirektor Rainer Seele verlässt Ende
August nach sechs Jahren die Führungsetage des börsennotierten Öl-,
Gas- und Chemieriesen - ohne Zorn, wie er betont. Zum Abschied legte
er am Mittwoch noch Rekordergebnisse vor, den historisch höchsten
Cashflow des größten heimischen Konzerns und auch ein All-Time-High
beim operativen CCS EBIT. Ermöglicht hat das vor allem die
Chemiesparte, die durch den Zukauf des Kunststoffriesen Borealis
gestärkt wurde.
"Im Zorn und Ärger zu gehen wäre ungesund - ich gehe mit einem
strahlenden Lächeln. Ich gehe mit Freude", meinte CEO Seele in
seinem letzten Pressegespräch als OMV-Konzernchef. Denn es komme
wieder etwas Spannendes und etwas Hervorragendes, das auf ihn warte.
Was das beruflich bedeuten könnte, wollte der demnächst 61-Jährige
nicht sagen: "Beruflich, das wird jetzt erstmal die Familie sein."
Zunächst einmal werde er mehr bei seiner Familie zu Hause in Irland
sein, wie lang, das wisse er nicht. Er habe aufgehört,
Vergangenheitsbewältigung zu betreiben. "Man sollte im Leben
Menschen vertrauen, sich aber auch darauf vorbereiten, dass es
Menschen gibt, die das Vertrauen nicht verdienen - aber 99 Prozent
der Menschen, die man trifft, verdienen das Vertrauen", lautet seine
Lehre aus den letzten Monaten.
Seele ist stolz darauf, sich nach sechs Jahren an der Spitze mit
Rekordergebnissen aus dem Öl-, Gas- und Chemieriesen verabschieden
zu können. Gelungen sei dies in einem "nicht einfachen Marktumfeld".
Ab September führt Alfred Stern, seit dem Frühjahr im OMV-Vorstand
und davor Borealis-Chef, die OMV. Bis Juni steigerte die OMV das
operative CCS EBIT (bereinigt um Lagerhaltungseffekte) um 157
Prozent auf 2,17 Mrd. Euro und den Cashflow aus der
Betriebstätigkeit um 171 Prozent auf 3,44 Mrd. Euro. Das operative
Konzernergebnis wuchs von im Vorjahresvergleich 144 Mio. Euro auf
2,40 Mrd. Euro, der Periodenüberschuss drehte vom vorjährigen Minus
von 11 Mio. Euro auf 1,64 Mrd. Euro ins Plus.
Die 4,1 Mrd. Euro teure Aufstockung beim
Borealis-Kunststoffkonzern von 36 auf 75 Prozent im vergangenen
Herbst verteidigte der OMV-Vorstand heute, weil Borealis den
Hauptteil des Segments Chemicals & Materials (C&M) darstelle, das
das halbe Konzern-EBIT beigesteuert hat. Der wahre Wert der Borealis
kristallisiere sich soeben heraus, betonte Finanzvorstand Reinhard
Florey, der damit an früher da und dort geäußerte Kritik anknüpfte,
wonach der Zukauf zu teuer gewesen sei. "Borealis kann noch viel
mehr als alle - inklusive wir selbst - erwartet haben", so der CFO.
Der geplante Verkauf des Düngemittelgeschäfts von Borealis samt
Stickstoff und Melamin, der auch stark die Chemie Linz in OÖ
betrifft, soll noch heuer mit einer Unterschrift besiegelt werden,
falls es attraktive Angebote gibt, sagte Seele. Derzeit sei der
Düngemittelmarkt sehr günstig für einen Verkauf, es gebe reges
Interesse, meinte er im Pressegespräch. Die Veräußerung ist seit
Monaten geplant, weil man hier keine kritische Größe im Markt hat.
Zum Standort Linz stehe man in enger Kooperation mit den
Arbeitnehmervertretern.
Zu künftigen strategischen Entscheidungen verwies der scheidende
OMV-Chef auf seinen Nachfolger Stern - auch was das Fördergebiet
Achimov IV/V (Urengoy) in Russland oder das Neptun-Gasförderprojekt
von Petrom in Rumänien betrifft, für das 2022 eine finale
Invest-Entscheidung fallen könnte, bei passendem Rechtsrahmen durch
Bukarest.
Zur Nord-Stream-2-Pipeline geht Seele davon aus, das über sie
noch heuer Erdgas aus Russland nach Europa strömen wird. An der
Mitfinanzierung des Projekts habe sich die OMV beteiligt, weil das
Investment lukrativ sei und es um eine Diversifizierung der
Transportwege zur Erhöhung der Versorgungssicherheit gehe. Laut CFO
Florey wird es zu der über 800 Mio. Euro schweren
Finanzierungsbeteiligung der OMV noch heuer den ersten Rückfluss
(Zinszahlungen) geben.
Zu Klimaschutzthemen habe es im OMV-Vorstand und auch bei ihm
persönlich einen Einstellungswandel gegeben - und so wie bei jedem
hätte der natürlich auch früher kommen können. "Wenn sich das Umfeld
ändert, muss man sich auch selbst ändern", meinte Seele - der
Klimawandel müsse als große Chance erkannt werden, das sei bei der
OMV passiert.
In Schwechat wolle man 2023 in die Erzeugung von grünem
Wasserstoff gehen, auch in Richtung alternative Treib- und Rohstoffe
denke die OMV nach. Seele: "Wir werden Biodiesel und Biokraftstoffe
herstellen und ins Re-Oil-Verfahren investieren, wo wir Öl durch
Abfall-Kunststoffe ersetzen, für die Verwendung im Transportsektor
oder in der Chemie-Wertschöpfungskette." Re-Oil-Investments sind
auch vom künftigen Abfallwirtschaftsgesetz abhängig.
Die organischen Investitionen stiegen im Halbjahr auf 1,12 Mrd.
(795 Mio.) Euro, hauptsächlich durch die vollkonsolidierte Borealis.
Im Gesamtjahr 2021 sollen sich die organischen Investitionen
voraussichtlich auf rund 2,7 Mrd. Euro belaufen,
Ihre Produktion erwartet die OMV für 2021 bei rund 480.000 Barrel
Öl-Äquivalent pro Tag (boe/d), je nach Sicherheitslage in Libyen und
in anderen Ländern durch Regierungen auferlegte
Produktionskürzungen. Bis Juni stieg die Produktion um 26.000 auf
490.000 boe/d. Die aktuellen politischen Konflikte in Tunesien
würden ihn vor allem menschlich treffen, sagte Seele: "Ich wünsche
dem Land Stabilität". Die Erdgasproduktions-Aktivitäten der OMV
seien derzeit nicht betroffen.
Der Umsatz des OMV-Konzerns lag bis Juni mit 13,70 Mrd. Euro um
73 Prozent höher, durch zusätzlichen Umsatz der vollkonsolidierten
Borealis und höheren Marktpreisen. Die Mitarbeiteranzahl wuchs um 21
Prozent auf 23.530. Die OMV-Aktie bewegte sich am Mittwoch kaum ins
Plus und blieb damit etwas hinter dem ATX zurück.
( 0956-21, 88 x 104 mm)
(Schluss) sp/itz
ISIN AT0000743059
WEB http://www.omv.com