Verhandlungen in Steyr: MAN-Gutachten verneint Kündigungsausschluss
Privatrechtsprofessor Kietaibl: Betriebsrat nicht zum
Abschluss solcher Vereinbarungen berechtigt - Gespräche über
Sozialplan werden fortgesetzt
Im von der Schließung bedrohten MAN-Werk in
Steyr werden heute, Mittwoch, die Sozialplan-Verhandlungen
fortgesetzt. Die Belegschaftsvertretung steht dabei auf dem
Standpunkt, dass man eigentlich keinen Sozialplan bräuchte, weil es
eine Beschäftigungsgarantie gebe. Der Privatrechtsprofessor
Christoph Kietaibl von der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt kommt
hingegen in einem Gutachten für MAN zu dem Fazit, der Ausschluss
betriebsbedingter Kündigungen sei nicht rechtswirksam.
Wie Kietaibl gegenüber der APA sagte, habe der Betriebsrat
schlicht nicht die Rechtskompetenz, eine Vereinbarung über einen
Kündigungsschutz abzuschließen. Gemäß dem österreichischen
Betriebsverfassungsgesetz könne er nur über ganz bestimmte
Angelegenheiten Verträge abschließen, der Kündigungsschutz falle
nicht darunter. Kündigungsschutz könne man nur mit dem einzelnen
Dienstnehmer vereinbaren.
Bei MAN gebe es zwei Betriebsvereinbarungen aus 2013 und 2015,
erläuterte Kietaibl. Der darin enthaltene Ausschluss
betriebsbedingter Kündigungen entfalte seiner Ansicht nach aus den
genannten Gründen keine Rechtswirksamkeit. Darüber hinaus gebe es
noch eine "Umsetzungsvereinbarung zur Zukunftsfähigkeit" aus 2019,
die zwischen der Belegschaftsvertretung und der Geschäftsführung in
Steyr abgeschlossen wurde. Diese enthalte gar keine
Kündigungsschutzregel, sondern nur den Hinweis, dass die deutsche
Betriebsvereinbarung eine solche für Deutschland beinhalte. Dass der
Kündigungsschutz mittlerweile Teil der Einzelverträge geworden sein
könnte, schließt der Jurist aus.
Er steht damit im Widerspruch zur Rechtsmeinung des Linzer
Uni-Rektors und Zivilrechtsexperten Meinhard Lukas, der in der
Vereinbarung aus dem Dezember 2019 den Ausschluss betriebsbedingter
Kündigungen bis Ende 2030 sieht und davon ausgeht, dass der
Kündigungsverzicht mittlerweile auch Inhalt der einzelnen
Arbeitsverträge geworden sein könnte. Für den Kündigungsverzicht
hätten ja die Arbeitnehmer auch eine Gegenleistung erbringen und
ihrerseits auf Rechte verzichten müssen. Er verweist dazu auf die
Judikatur des OGH.
Kietaibl hingegen berichtet von vielen, wenn auch weniger
namhaften Fällen als MAN, in denen Gerichte die Wirksamkeit solcher
Kündigungsschutz-Vereinbarungen verneint hätten - mit dem Argument,
dass der Betriebsrat solche Verträge nicht abschließen könne.
Uni-Professor Wolfgang Mazal, der ebenfalls im Auftrag von MAN ein
Gutachten erstellt hat, vertritt zudem die Auffassung, dass die
österreichische MAN-Vereinbarung an eine deutsche Rahmenvereinbarung
gebunden sei. Da diese aufgehoben wurde, sei auch jene in Österreich
ausgesetzt.
Die Gutachtens-Dichte ist ein Symptom dafür, dass die Nerven
angespannt sein dürften. Für beide Seiten geht es um viel Geld.
Während Lukas der Ansicht ist, dass Kündigungsentschädigungen bis
zum Jahr 2030 fällig werden und die MAN-Mutter VW Milliarden kosten
könnten, ist laut Kietaibl für die Kosten der Kündigungen nur
relevant, was in den einzelnen Arbeitnehmerverträgen stehe. Da der
Betriebsrat fest entschlossen ist, bei den ersten betriebsbedingten
Kündigungen vor Gericht zu ziehen, ist es recht wahrscheinlich, dass
die Gerichte das letzte Wort haben werden.
(Schluss) ver/ker/sp
ISIN DE0005937007
WEB http://www.man.eu/de/