MAN-Belegschaft sagte deutlich "Nein" zu Wolf-Übernahme
Zentrale will Werk nun schließen - Zukunft von 2.300
Beschäftigten ungewiss - Betriebsrat und Politik wollen weiter
für Erhalt des Standorts kämpfen - GRAFIK
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AKTUALISIERUNGS-HINWEIS
Neu: Zusammenfassung
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Die Belegschaft des MAN-Werks in Steyr hat
in einer Urabstimmung mit knapp 64 Prozent gegen eine Übernahme
durch Investor Siegfried Wolf gestimmt. Wolf ließ nach dieser
deutlichen Abfuhr wissen, er nehme das zur Kenntnis und bedauere das
Ergebnis. Die MAN-Zentrale in München will das Werk, wo inklusive
Leihpersonal rund 2.300 Leute beschäftigt sind, nun schließen. Der
Betriebsrat gibt sich nach wie vor kämpferisch, auch die Politik
forderte weitere Gespräche.
Wolf wollte das Werk übernehmen, aber von der aktuell knapp 1.900
Personen zählenden Stammbelegschaft rund 1.250 Leute behalten. Zudem
hätten die Verbleibenden mit Gehaltseinbußen rechnen müssen. Daher
wurden die Mitarbeiter von ihrer Vertretung zur Urabstimmung
gebeten. 94 Prozent der 2.356 stimmberechtigten MAN-Mitarbeiter und
Leasingkräfte nahmen teil. Sie votierten zu 63,9 Prozent mit "Nein",
zu 34,9 Prozent mit "Ja", der Rest war ungültig. Wolf hätte sich
"ungeteilte Zustimmung" gewünscht, aber zumindest zwei Drittel
angepeilt.
"Ich kann dieses Votum heute nur mit großem Bedauern zur Kenntnis
nehmen", so Wolf, er habe "viel Herzblut" in dieses Projekt
investiert, aber auch er habe "das Rad der Zeit nicht zurückdrehen,
sondern nur ein solides, durchdachtes Konzept für die Zukunft
entwickeln" können. Ob das nun einen endgültigen Rückzug bedeutet,
blieb offen, scheint aber naheliegend. Die MAN-Zentrale in München
ließ wissen, dass man nun die Schließung anpeile. In Konzernkreisen
war die Rede von einer "Selbstmord-Wahl" und einer "Wahl für die
Schließung des Standorts".
Die Gewerkschaft kritisierte am Donnerstag die "mangelnde soziale
Verantwortung" des Konzerns, der die Produktion nach Polen
verlagere, wo "die Menschen um nicht einmal vier Euro Mindestlohn
arbeiten müssen", wie PRO-GE-Bundesvorsitzender Rainer Wimmer und
GPA-Bundesgeschäftsführer Karl Dürtscher sagten. Bei MAN heißt es
hingegen, man sei "wegen des guten Konzepts und aus Verantwortung
für den Standort Steyr" bei den Zugeständnissen ohnehin über die
Schmerzgrenze gegangen. Jedenfalls muss der Sozialplan nun neu
ausgehandelt werden. Aus dem MAN-Umfeld heißt es, dass selbst bei
gleich großem Topf weniger pro Kopf herauskommen werde, weil das
Geld ja auf mehr Leute aufgeteilt werden müsse. Nachdem MAN die
Standortgarantie bis 2030 gekündigt hat, will die Gewerkschaft vor
Gericht ziehen, sobald es zu betriebsbedingten Kündigungen kommt.
Der Konzern ist aber optimistisch, dass diese Klage keine Aussicht
auf Erfolg haben würde, die Belegschaftsvertretung sieht das
naturgemäß ganz anders.
Die Belegschaftsvertretung startet nun mit einem neuen
Betriebsratschef in die weitere Zukunft. Am Donnerstag wurden die
Mitarbeiter offiziell informiert, dass der bisherige Stellvertreter
Helmut Emler den bisherigen Vorsitzenden Erich Schwarz ablöst.
Schwarz, der zuletzt Wortführer der Proteste war und sich stets
skeptisch gegenüber Wolfs Plänen geäußert hatte, geht in Pension.
Das war zwar schon lange bekannt, der Zeitpunkt des Wechsels sorgte
aber bei der Konzernzentrale für Stirnrunzeln. Für Emler ist es noch
nicht gegessen, dass das Werk geschlossen wird: "Als Betriebsrat
werden wir morgen beginnen, mit MAN das Gespräch zu suchen",
kündigte er an und betonte, dass man in Steyr derzeit Vollauslastung
habe. Ziel sei eine Lösung wie in Deutschland, wo die ursprünglichen
Sparpläne entschärft worden sind.
Im Vorjahr war bekanntgeworden, dass MAN im Zuge eines riesigen
Spar- und Umstrukturierungsprogramms Tausende Stellen weltweit
einsparen und das Werk in Steyr bis 2023 schließen will. Ende
September kündigte MAN die Standortgarantie, die den Bestand des
Unternehmens in Steyr bis zumindest 2030 sichern hätte sollen.
Schließlich trat Ex-Magna-Chef Siegfried Wolf mit seiner WSA
Beteiligungs GmbH als Interessent auf den Plan. Er wollte von der
aktuell knapp 1.900 Personen zählenden Stammbelegschaft rund 1.250
Leute übernehmen, denen allerdings eine bis zu 15-prozentige Kürzung
des Nettoeinkommens gedroht hätte. Im Gegenzug hätte es
Bleibeprämien von 10.000 Euro und einen Sozialplan gegeben. Die
Abstimmung der Belegschaft ist zwar nicht rechtsverbindlich,
allerdings hatte Wolf immer betont, dass er die Zustimmung der
Belegschaft brauche.
Offen ist, ob noch Chancen für das Projekt des "Green
Mobility"-Konsortiums rund um den Industriellen Karl Egger (KeKelit)
bestehen. Mit diesem hatte die Belegschaftsvertretung geliebäugelt,
die MAN-Zentrale hatte es hingegen als zu wenig konkret abgetan und
nicht ins Auge gefasst. Nach dem Votum in Steyr sagte ein Sprecher
des Konsortiums am Donnerstag, man sei natürlich jederzeit weiterhin
zu Gesprächen mit MAN bereit.
Die Politik appellierte am Donnerstag nach kurzer Schockstarre an
MAN, weiter für Gespräche offen zu sein. Es gehe nicht nur um die
Absicherung der Arbeitsplätze im Werk, sondern auch um den Standort
Oberösterreich an sich, betonten etwa LH Thomas Stelzer und
Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (beide ÖVP). Wie sehr eine
Schließung nicht nur die rund 2.300 Beschäftigten, sondern die ganze
Region betreffen würde, zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie
des Leiters der Initiative Wirtschaftsstandort OÖ, Friedrich
Schneider. Demnach drohe ein BIP-Rückgang von 957 Mio. Euro und der
Verlust von 8.400 Arbeitsplätzen - inklusive der Jobs im MAN-Werk.
(Grafik 0466-21, 88 x 50 mm)
(Schluss) ver/ker/stf
ISIN DE0005937007
WEB http://www.man.eu/de/