Hygiene Austria - Handelsketten brachten Millionen Masken in Umlauf
Spar: FFP2-Masken stammen nachweislich aus Österreich - Rewe:
Prüfen derzeit intern - ÖBB kauften über eine halbe Million
Masken bei dem Hersteller - Bundesbeschaffung legte Vertrag
auf Eis
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AKTUALISIERUNGS-HINWEIS
Neu: Weiter Vorgangsweise der BBG (6. und 7. Absatz) sowie Spur nach
Liechtenstein in den letzten beiden Absätzen
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Nach den Durchsuchungen beim
Schutzmasken-Hersteller Hygiene Austria wegen des Verdachts, dass in
China produzierte Masken falsch etikettiert und als österreichische
Produkte verkauft wurden, gehen die Abnehmer der Masken nun der
Frage nach, ob auch sie betroffen sein könnten und ein Rückruf
notwendig ist. Eine politische Dimension hat die Causa durch die
Tatsache, dass der Geschäftsführer der Firma ein Verwandter der
Büroleiterin von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist.
Ein Sprecher der Hygiene Austria - das Unternehmen ist ein Joint
Venture des oberösterreichischen Faserherstellers Lenzing mit dem
Textilkonzern Palmers - hatte die Razzien an zwei Standorten am
Dienstag bestätigt. Laut Wirtschafts- und
Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geht es um den Verdacht der
organisierten Schwarzarbeit sowie schweren gewerbsmäßigen Betrugs.
Hygiene Austria weist die erhobenen Vorwürfe als "haltlos" auf
das Schärfste zurück und kooperiert eigenen Angaben zufolge eng mit
den Behörden, um zur Aufklärung beizutragen. Es sei bedauerlich hier
"in tagespolitische Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden",
so das Management. Die APA-Anfrage nach den Hauptabnehmern der
Coronaschutzmasken ist von Hygiene Austria vorerst noch
unbeantwortet geblieben.
Vertreter von SPÖ und FPÖ haben heute darauf hingewiesen, dass
die im Ausland produzierten und mutmaßlich umetikettierten Produkte
auch vom Parlament zur Verfügung gestellt werden.
Für wen und in welcher Stückzahl die Bundesbeschaffungsagentur
BBG außerdem noch Masken der Hygiene Austria gekauft hat, lässt sich
zunächst nicht vollständig klären - die BBG hat nach eigenen Angaben
gestern aus den Medien von den Hausdurchsuchungen erfahren, wie es
heute auf Anfrage der APA hieß.
Mittlerweile hat die BBG auf die Hausdurchsuchungen bei Hygiene
Austria reagiert und das Unternehmen als Auftragnehmer "inaktiv"
gestellt - das bedeutet, dass bis auf Weiteres keine Bestellungen
bzw. Abrufe von Schutzmasken bei der Hygiene Austria über die BBG
möglich sind, wie die Gesellschaft Mittwochnachmittag auf
APA-Anfrage mitteilte. Hygiene Austria sei nur einer von mehr als 30
Auftragnehmern im Bereich FFP2-Schutzmasken.
Die BBG hatte die Hygiene Austria LP GmbH eigenen Angaben zufolge
bereits Dienstagabend zu einer Stellungnahme aufgefordert. Darüber
hinaus habe man auch bereits am 2. März schriftlich bei der
Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) um nähere
Informationen zur vergaberechtlichen Bewertung der Sachlage
angefragt.
Wie viele Masken die BBG bei dem Unternehmen in Auftrag gegeben
hat und für welche Behörden oder staatsnahe Betriebe sie bestimmt
waren, wollte die BBG auf Anfrage nicht verraten. Laut EU-weiter
Ausschreibung (https://opentender.eu/at/search/tender) hat es für
den 420 Mio. Euro schweren Auftrag 50 Bieter gegeben.
Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) haben von der Hygiene
Austria 576.000 FFP2-Masken mit CE-Zertifikat über die
Bundesbeschaffungsagentur aus einem Rahmenvertrag abgerufen, wie ein
ÖBB-Sprecher am Mittwoch zur APA sagte. Nun wolle man die
Ermittlungen der WKStA abwarten.
In besonders hohen Stückzahlen wurden Schutzmasken vom
Einzelhandel in Umlauf gebracht. "Wir haben die Berichte mit Sorge
zur Kenntnis genommen, weil wir viele dieser Masken bewusst
eingekauft haben", erklärte Spar-Sprecherin Nicole Berkmann auf
Anfrage der APA. Man habe dazu bereits Gespräche "auf hoher Ebene"
geführt. Die von Spar an seine Kunden abgegebenen Masken seien
sicher, betonte die Sprecherin. "Wir haben die 100-prozentige
Rückverfolgbarkeit, dass die von uns gekauften Masken auf jeden Fall
in Österreich am Standort in Wiener Neudorf hergestellt worden
sind." Auch die Rohware stamme aus Österreich, "und es liegen uns
auch für unsere Masken Prüfgutachten vor, dass es sich wirklich um
FFP2-Masken-Qualität handelt". Daher werde man die Masken wie bisher
an Mitarbeiter und Kunden abgeben.
Auch der Rewe-Konzern (Billa, Merkur, Bipa, Penny) hat mehrere
Millionen Masken von Hygiene Austria bezogen. "Wir prüfen das
derzeit intern und sind in Kontakt mit Hygiene Austria", sagte
Rewe-Sprecher Paul Pöttschacher. Momentan seien die Masken weiter im
Verkauf, man prüfe die Qualität aber intern via Qualitätsmanagement.
Rewe hat Masken auch vom steirischen Produzenten Aventrium, aber
auch aus China bezogen.
Der Diskonter Hofer hat ebenfalls Masken von Hygiene Austria
bezogen. "Diese mit österreichischer Herkunft deklarierten
FFP2-Masken werden seit 26.01.2021 in unseren Filialen verkauft. Da
es sich bei der gegenständlichen Untersuchung um einen Verdachtsfall
handelt, werden wir die weiteren Entwicklungen beobachten", erklärte
eine Sprecherin auf Anfrage der APA. Der Mitbewerber Lidl Österreich
hat nach eigenen Angaben keine Masken von Hygiene Austria bezogen.
In der Causa um die vermutete Umetikettierung von FFP2-Masken
führt laut Tageszeitung "Kurier" auch eine Spur nach Liechtenstein.
Wie das Blatt am Mittwochnachmittag unter Berufung auf einen
"Vermittler für Schutzmasken" berichtete, soll die Rechnung für eine
Lieferung von 20 Millionen chinesische Masken an eine Stiftung in
Liechtenstein gegangen sein. Die Masken selbst seien an Palmers nach
Wiener Neudorf geliefert worden, schilderte die Person der Zeitung
zufolge. Es sei ein "merkwürdiges Geschäft" gewesen. Schlussendlich
habe die Ware in die Ukraine gehen sollen, aber nicht direkt dorthin
geliefert werden - das alles sei mehr als unüblich gewesen,
berichtete der Vermittler der Tageszeitung.
Er selbst soll am Mittwochnachmittag von der Kriminalabteilung
Niederösterreich befragt worden sein. Die Masken, die er geliefert
hatte, sollen zudem eine Besonderheit aufgewiesen haben: Der
chinesische Beipackzettel sei nicht gemeinsam mit den Masken
verschweißt gewesen, sondern sei lose im Karton gelegen, so der
Mann.
(Schluss) kre/ivn/gru/has
ISIN AT0000644505
WEB http://www.lenzing.com
http://www.palmers.at