 Konjunktur
|
Datum/Zeit: 28.11.2020 17:30 Quelle: Konjunktur - Presseaussendung |
Flash-PMI im November: Starke Schrumpfung der
Eurozone-Wirtschaft infolge von Corona-Lockdowns
Aufgrund der verschärften Maßnahmen zur
Eindämmung der Corona-Pandemie sank die
Wirtschaftsleistung der Eurozone im November
markant.
Der IHS Markit Flash Eurozone Composite Index
Produktion gab binnen Monatsfrist um 4,9 Punkte
auf 45,1 nach - der tiefste Wert seit Mai. Mit
Ausnahme der ersten beiden Quartale dieses Jahres
liegt der bisherige PMI-Durchschnittswert für das
vierte Quartal mit 47,6 Punkten auf dem niedrigsten
Wert seit Ende 2012 (während der Staatsschuldenkrise) und kennzeichnet damit einen
starken BIP-Rückgang.
Der Rückschlag betraf beide von der Umfrage
erfassten Sektoren gleichermaßen, wobei der
Servicesektor am stärksten unter den Corona-Eindämmungsmaßnahmen litt. Während sich das
Produktionswachstum in der Industrie im November
hauptsächlich wegen der spürbar nachlassenden
Exportnachfrage, lediglich auf das Niveau von Juli -
dem ersten Aufschwungsmonat - abschwächte, ging
die Geschäftstätigkeit im Dienstleistungssektor zum
dritten Mal in Folge und so stark aus wie seit Mai
nicht mehr zurück.
Der Auftragseingang der Industrieunternehmen wies
das niedrigste Plus seit fünf Monaten aus, im
Servicesektor schlug das höchste Minus seit Mai zu
Buche. Im Gastgewerbe, der Reisebranche und bei
Unternehmen in konsumnahen Bereichen war die
Nachfrage besonders schwach, da zahlreiche
Regierungen vor dem Hintergrund der zweiten
Corona-Infektionswelle zusätzliche Restriktionen
erließen.
Auch auf Länderebene liefen die Entwicklungen
auseinander, wobei sich Deutschland dem
allgemeinen Abwärtstrend abermals widersetzte.
Mit 39,9 Punkten nach 47,5 im Oktober signalisiert
der Composite-Index Frankreichs, dass die
Wirtschaftsleistung im November zum dritten Mal
hintereinander und so stark geschrumpft ist wie
zuletzt im Mai, was die gesamte Eurozone-Konjunktur massiv belastete. Im Servicesektor ging
es den dritten Monat in Folge und mit beschleunigter
Rate bergab, die Industrie vermeldete erstmals seit
Mai wieder einen Rückgang.
Deutschlands Wirtschaft wuchs hingegen erneut,
wenngleich der dortige Composite-PMI um drei
Punkte auf 52,0 sank - der niedrigste Wert seit
Beginn des Aufschwungs im Juli. Das
Produktionswachstum in der Industrie verlangsamte
sich hier zwar, die Zuwachsrate war jedoch erneut
eine der höchsten seit Umfragebeginn. Die zweiten Geschäftseinbußen in Folge im Servicesektor fielen
hingegen so stark aus wie zuletzt im Mai.
In den übrigen von der Umfrage erfassten
Ländern schrumpfte die Wirtschaft im November
den vierten Monat in Folge und - mit Ausnahme des
Absturzes zwischen März und Juni - so stark wie
letztmals im Mai 2009. Die Industrieproduktion
wuchs kaum noch und im Servicesektor ging es mit
beschleunigter Rate bergab, sodass der Composite-PMI auf 42,4 Punkte von zuvor 47,2 sank.
Der neunte Beschäftigungsrückgang in der
Eurozone in Folge fiel genauso deutlich aus wie
beim Tief im Oktober. Auf Länderebene vermeldete
Deutschland erstmals seit Februar wieder ein
Stellenplus und in Frankreich fiel das Minus so
gering aus wie seit Beginn der Pandemie nicht mehr.
In den übrigen Ländern kam es hingegen zum
stärksten Personalabbau seit Juni.
Hauptgrund für den insgesamt anhaltenden
Stellenrückgang waren die nach wie vor
vorhandenen Überkapazitäten, wofür der stärkste
Abbau der Auftragsbestände seit Juni der beste
Beleg war. Während die unerledigten Aufträge in der
Industrie insgesamt zunahmen (angeführt von einem
kräftigen Anstieg in Deutschland), beschleunigte sich
der Rückgang der unerledigten Aufträge bei den
Dienstleistern gegenüber dem Vormonat.
Infolge der Nachfrageflaute versuchten vor allem die
Serviceunternehmen ihre Umsätze mit verstärkten
Preisnachlässen anzukurbeln. In der Industrie
wurden die Verkaufspreise hingegen wegen der
steigenden Einkaufspreise so deutlich angehoben
wie seit Mai 2019 nicht mehr. Dass sich die
Einkaufspreise in der Industrie so stark verteuerten
wie zuletzt im Januar 2019 lag den Befragten zufolge
vor allem an der florierenden Nachfrage nach
wichtigen Rohmaterialien und den daraus
resultierenden Lieferengpässen auf breiter Front.
Demnach verlängerten sich die Lieferzeiten im
November so stark wie seit Mai nicht mehr.
Die Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist erholten
sich von ihrem Absturz im Oktober und erreichten
den zweithöchsten Wert seit Februar. In der Industrie
hellte sich der Ausblick besonders deutlich auf, hier
stieg der entsprechende Index auf den höchsten
Wert seit März 2018. Doch auch die Dienstleister
zeigten sich wieder zunehmend optimistisch, was
den Geschäftsverlauf der kommenden zwölf Monate
anbelangt. Hoffnung machten den Befragten vor
allem die erfreulichen Nachrichten der letzten
Wochen über die Fortschritte bei der Entwicklung
eines Impfstoffes.
Chris Williamson, Chief Business Economist bei
IHS Markit, kommentiert den aktuellen Eurozone
Flash-PMI:
“Aufgrund der neuerlichen Maßnahmen zur
Eindämmung der Corona-Infektionszahlen ist die
Eurozone im November wieder in eine ernste Krise
geschlittert. Mit den heutigen Daten steigt die
Wahrscheinlichkeit, dass das Eurozone-BIP im
vierten Quartal 2020 wieder schrumpft.
Am stärksten hat es einmal mehr den Servicesektor
getroffen, und zwar besonders Unternehmen aus
konsumnahen Bereichen sowie das Gastgewerbe.
Allerdings hat sich die schwächelnde Nachfrage
auch auf den Industriesektor negativ ausgewirkt.
Gleichwohl bleibt das verarbeitende Gewerbe ein
Lichtblick. Vor allem die deutschen Hersteller legen
eine ermutigende Widerstandsfähigkeit an den Tag,
wobei sie von einem anhaltenden Nachfrageboom
profitieren.
Im Hinblick auf das kommende Jahr ist der
Optimismus sowohl in der Industrie als auch im
Dienstleistungssektor gestiegen. In erster Linie lag
das an den positiven Nachrichten über die
Entwicklung eines Impfstoffs und der Hoffnung,
dass damit im neuen Jahr eine Rückkehr zur
Normalität möglich sein wird.
Bedeutsamer ist jedoch, dass die im vierten Quartal
2020 offensichtlich erneut schrumpfende Wirtschaft
ein deutlicher Dämpfer für den Aufschwung ist und
den Aufholprozess verlängert. Nach einem
Rückgang des BIP von 7,4% in 2020 rechnen wir
für 2021 momentan lediglich mit einem Wachstum
von 3,7%.”
|