WU-Studie - Einkommensungleichheit in Österreich größer als gedacht
Reiche verdienen durch Zinsen und Dividenden auch
verhältnismäßig viel mehr als der Durchschnitt - Großteil der
Bevölkerung profitiert von Umverteilung
Die Einkommensungleichheit in Österreich ist größer
als bisher angenommen. Das zeigt eine neue Studie der
Wirtschaftsuniversität Wien und des Wiener Instituts für
Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) für 2004 bis 2016. Die
Finanzkrise 2008 ließ die Arm-Reich-Schere zunächst zugehen, seit
2012 ging sie aber wieder auseinander. Junge Menschen unter 30
Jahren und Geringqualifizierte mussten deutliche Einkommensverluste
hinnehmen.
Die Forscher haben für ihre Untersuchung erstmals Daten aus
Befragungen und dem Steuerregister mit Daten aus der
volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung verknüpft. Diese neue
statistische Methode (DINA, Distributional National Accounts)
liefert realistischere Ergebnisse und macht außerdem Daten
verschiedener Länder vergleichbar.
Die einkommensstärksten zehn Prozent der österreichischen
Bevölkerung verdienen der Untersuchung zufolge mehr als das
Dreifache des Durchschnitts und siebenmal mehr als die
einkommensschwächste Bevölkerungshälfte. Die Studie zeigt auch, dass
der Großteil der Österreicher von der Umverteilung via Sozialstaat
profitiert. "Darunter fallen Sachleistungen oder staatliche
Dienstleistungen, die grundsätzlich allen BürgerInnen zur Verfügung
stehen und die verfügbaren Einkommen steigen lassen", wie die WU am
Montag erklärte.
In den untersuchten 12 Jahren stagnierte das reale Einkommen für
den Großteil der Österreicher, wie die Ökonomen errechneten. Bei
genauerem Blick auf einzelne Bevölkerungsgruppen zeigten sich aber
große Unterschiede. Speziell Menschen mit geringerer formeller
Bildung und junge Menschen haben Einkommen - vor Steuern - verloren,
aber auch beträchtlich von der Umverteilung profitiert.
Die Finanzkrise war in der Einkommensentwicklung deutlich zu
sehen. Ganz zu Beginn der globalen Krise ab 2007 hatte sich die
Einkommensungleichheit bereits zu verringern begonnen, ehe sie 2012
das niedrigste Niveau erreichte. Reiche verloren also in der Krise
relativ gesehen mehr als Arme. Von 2012 an (bis 2016) ist die
Einkommensschere aber wieder aufgegangen.
Ein weiteres Erkenntnis: Kapitaleinkommen, also Einkommen aus
Zinsen und Dividenden, sind sehr stark konzentriert - stärker als
bisweilen gedacht. Bei den reichsten zehn Prozent machen sie mehr
als ein Drittel, beim reichsten Prozent sogar bis zu 60 Prozent aus.
Bei den unteren 90 Prozent der Österreicher beträgt der Anteil an
Kapitaleinkommen am noch nicht versteuerten Einkommen lediglich zehn
Prozent. Die Ungleichheit beim Finanzeinkommen in Österreich
erreiche überraschenderweise US-Werte, so die Studienautoren. Sie
geben außerdem zu bedenken, dass die Steuerdaten für
Kapitaleinkommen unzureichend sind, was es wahrscheinlich mache,
dass die Ungleichheit nach wie vor unterschätzt wird.
(Schluss) snu/gru
ISIN
WEB http://www.wiiw.ac.at/