Gewerkschaftliche Machtdemonstration gegen drohende MAN-Schließung
Über 4.000 bei Warnstreik und Kundgebung in Steyr - 2.300 Jobs
wackeln - Wimmer: "Wir wollen keine Schüsserl, Gummiringerl
und Kochlöffel produzieren, sondern Lkw" - BILD VIDEO
Kämpferisch haben sich die von der
Schließung ihres Werks bedrohten MAN-Beschäftigten und die
Gewerkschaft am Donnerstag in Steyr gezeigt. Laut Betriebsrat nahmen
über 4.000 Leute an dem öffentlichen Warnstreik teil, der Tenor:
"Steyr hat das nicht verdient." Wut über die Vorgehensweise des
Konzerns, Unverständnis, dass man einen profitablen Standort
schließe, und Kritik, dass man Unterstützung des Bundes vermisse,
prägten die Kundgebung.
Die Belegschaft marschierte zunächst vom Werksgelände in Richtung
Stadtplatz, wo sie unter dem Applaus u. a. von Kollegen der
voestalpine und von BMW empfangen wurde. Dort machte man dem Zorn
angesichts des drohenden Verlusts von 2.300 Jobs mit kämpferischen
Parolen Luft, laute Hupen und Tröten unterstützten die Demonstranten
akustisch.
"Die Deutschen wollen uns an den Pelz, da werden wir
dagegenhalten", gab sich der Vorsitzende der Gewerkschaft PRO-GE,
Rainer Wimmer, entschlossen. Man werde nicht zulassen, dass "6.000
Familien in der Region um ihre Existenz gebracht werden, da sind die
MAN-Zulieferer mit eingerechnet." Und angesichts eines von
Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) angedachten
Österreich-Konsortiums, das den Standort übernehmen und dort etwas
anderes produzieren könnte, stellte er klar: "Wir wollen keine
Schüsserln, Gummiringerl und Kochlöffel produzieren, sondern Lkw."
Auch GPA-djp-Vorsitzende Barbara Teiber kritisierte die
Vorgehensweise der Ministerin: "Der Betriebsrat reißt sich den Arsch
auf", aber Schramböck habe sich bisher noch nicht bei ihm gemeldet.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft vida, Roman Hebenstreit, hatte
schon vorab in einer Aussendung kritisiert, dass es die
Bundesregierung verabsäumt habe, mit der Kurzarbeit
Standortgarantien zu vereinbaren. "Wir haben jetzt den Schaden, und
müssen mitansehen, wie unser Steuergeld als Boni ins Ausland
fließt", so der Gewerkschafter. Ähnlich SPÖ-Bundesparteichefin
Pamela Rendi-Wagner, die sich ob "4.000-mal geballter Kraft" am
Steyrer Stadtplatz beeindruckt zeigte. "Wir kämpfen, wir lassen uns
nicht unterkriegen", versprach sie "Seite an Seite mit den
Betroffenen" zu stehen, und monierte, es laufe etwas falsch, "wenn
mit Staatshilfen und Förderungen Werksschließungen" passierten.
Voraussetzung für staatliche Förderungen müsse eine
Arbeitsplatzgarantie sein. Wenn Betriebe absiedelten, müssten sie
jeden Cent zurückzahlen, forderte sie und fragte: "Wo ist der
Kanzler, warum kämpft er heute nicht persönlich mit euch?" Auch
Angestellten-Betriebsrat Thomas Kutsam kritisierte, dass er bis dato
keine Unterstützung vom Bund erhalten habe.
Der oberösterreichische Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner
(ÖVP) betonte: "Wir haben alle miteinander dasselbe Ziel: eure
Arbeitsplätze in Oberösterreich abzusichern." Er rief den
Mutterkonzern VW auf, "nicht den nächsten großen Fehler nach dem
Dieselskandal zu machen". Er habe in einer Videokonferenz mit
MAN-Vorstandschef Andreas Tostmann in dieser Woche immer noch keine
Antwort bekommen, "warum man, um gegen Verluste anzukämpfen, dort
anfängt, wo man Gewinne macht", so Achleitner. Der
oberösterreichische AK- und ÖGB-Präsident Johann Kalliauer schlug in
eine ähnliche Kerbe und verwies darauf, dass "VW einst ein
Flaggschiff gewesen ist" und nun seine Reputation verspiele.
Der Steyrer Bürgermeister Gerald Hackl (SPÖ) unterstrich die
Bedeutung des Standorts für die ganze Region und übte harsche Kritik
am Management. "Diktatorische Abgehobenheit" habe es bisher noch
nicht bei MAN gegeben, das habe die Belegschaft nicht verdient, so
der Stadtchef. 25 Bürgermeister der Region hätten sich
solidarisiert, die MAN-Belegschaft führe den Kampf nicht allein,
versicherte Hackl.
Im September hatte das Management des MAN-Konzerns die
Standort-und Beschäftigungsgarantie für Steyr mit seinen 2.300
Mitarbeitern aufgekündigt. Ende 2023 droht damit die Schließung.
Betriebsrat und Gewerkschaft wollen gegen die Kündigung des Vertrags
klagen - mit unklaren Erfolgsaussichten. In der
Belegschaftsvertretung setzt man aber nach wie vor auf Dialog: "Wir
hoffen, dass wir im November in die Verhandlungen einsteigen", so
Kutsam. "Wir werden unsere Kräfte bündeln, und um jeden Arbeitsplatz
kämpfen", versprach Arbeiter-Betriebsrat Erich Schwarz der
Belegschaft.
Die drohende MAN-Schließung war am Donnerstag auch Thema im
Oberösterreichischen Landtag. Die SPÖ-Abgeordneten haben einen
Initiativantrag gestellt, in dem sie die Landesregierung auffordern,
Verhandlungen mit den Eigentümervertretern, dem Management und der
Personalvertretung von MAN-Volkswagen aufzunehmen, um das Werk zu
erhalten. Zudem solle die Bundesregierung auf EU-Ebene darauf
hinarbeiten, dass der "Missbrauch der Niederlassungsfreiheit
innerhalb der Europäischen Union durch das Verlagern profitabler
Standorte wie MAN-Steyr in europäische Billiglohnländer" unterbunden
wird, heißt es in dem Antrag.
(Schluss) ker/ver/kre
ISIN DE0005937007
WEB http://www.man.eu/de/
https://www.proge.at