Konjunktur
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Datum/Zeit: 10.10.2020 17:43 Quelle: Konjunktur - Presseaussendung |
Servicesektor bremst Eurozone-Wirtschaftswachstum im September
Das Eurozone-Wirtschaftswachstum hat sich im
September weiter verlangsamt und ist nahezu
stagniert. Dies signalisiert der finale IHS Markit
Eurozone Composite Index (PMI®), der binnen
Monatsfrist um 1,5 Punkte auf ein Drei-Monatstief
von 50,4 sank, die Vorabschätzung jedoch um 0,3
Punkte übertraf.
Tatsächlich kaschiert der Index eine Wirtschaft der
zwei Geschwindigkeiten. Angeführt von einem
starken Deutschland, stieg die Industrieproduktion
so kräftig wie zuletzt vor über zweieinhalb Jahren.
Im Gegensatz dazu rutschte der Servicesektor
wieder in den negativen Bereich ab und vermeldete
die höchsten Geschäftseinbußen seit Mai.
Auch auf Länderebene liefen die Entwicklungen
erheblich auseinander. Deutschland ließ mit seinem
starken Wirtschaftswachstum den Rest der
Eurozone hinter sich. Ansonsten ging es nur noch
in Italien aufwärts, wenngleich nur äußerst
verhalten. Frankreichs und Irlands Wirtschaft
schrumpfte wieder, und in Spanien belasteten die
dramatischen Geschäftseinbußen im Servicesektor
die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in ganz
erheblichem Ausmaß.
Das dritte Auftragsplus in Folge fiel im September
nur noch äußerst dürftig aus - und dies trotz des
ersten Exportorderzuwachses seit über zwei
Jahren.
Aufgrund des Mini-Zuwachses beim Auftragseingang und anhaltender Kapazitätsüberhänge
nahmen die Auftragsbestände zum 19. Mal in Folge
ab, diesmal allerdings nur noch leicht.
Der 7. Stellenabbau in Folge fiel schwächer aus als
in den zurückliegenden sechs Monaten seit Beginn
der Entlassungswelle im März. Sämtliche von der
Umfrage erfassten Länder vermeldeten sinkende
Beschäftigtenzahlen, allen voran Frankreich und
Spanien. In Italien war der Stellenabbau am schwächsten.
Der vierte Anstieg der Einkaufspreise in Folge fiel
recht solide aus, am stärksten legten die Preise in
Spanien zu. Die Verkaufspreise wurden aufgrund
der anhaltenden Nachfrageflaute und des scharfen
Wettbewerbs zum siebten Mal hintereinander
reduziert, diesmal sogar wieder stärker als in den
beiden Vormonaten.
Die Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist fielen so
optimistisch aus wie zuletzt vor sieben Monaten. Der
entsprechende Index lag in etwa auf seinem
Langzeit-Durchschnittswert. Spitzenreiter in dieser
Kategorie war Italien, hier blicken die Unternehmen
aktuell so positiv auf die kommenden zwölf Monate
wie seit Anfang 2016 nicht mehr.
Servicesektor
Mit aktuell 48,0 nach 50,5 im August signalisiert der
finale IHS Markit Eurozone Service-Index, dass die
Geschäfte der Dienstleister im September wieder
geschrumpft sind, und zwar so deutlich wie zuletzt
im Mai.
Lediglich die deutschen Branchenakteure
vermeldeten noch geringfügiges Wachstum.
Ansonsten ging es in den vier übrigen von der
Umfrage erfassten Ländern bergab, allen voran in
Spanien, gefolgt von Irland.
Auch der Gesamt-Auftragseingang wies im
September ein Minus aus, lediglich Deutschland
verbuchte hier einen Zuwachs. Und beim seit über
zwei Jahren rückläufigen Exportneugeschäft schlug
auch diesmal wieder ein hohes Minus zu Buche.
Im Zuge des schwachen Kapazitätsdrucks und des
siebten Rückgangs der Auftragsbestände in Folge
sank die Beschäftigung im September in moderatem
Tempo. In Spanien wurden per Saldo am meisten
Arbeitsplätze abgebaut, und auch Frankreich, Irland
und Italien vermeldeten rückläufige Beschäftigtenzahlen. Lediglich im deutschen Servicesektor kam es
zu einem schwachen Jobaufbau.
Angesichts steigender Einkaufspreise spielten
Kostensenkungsmaßnahmen beim aktuellen Jobabbau mit eine Rolle. Und die Angebotspreise
wurden stärker reduziert als in den beiden
Vormonaten.
Der Ausblick hellte sich indes weiter auf, in Italien
war die Zuversicht diesmal am größten.
Chris Williamson, Chef-Ökonom bei IHS Markit,
kommentiert den finalen Eurozone Composite-PMI:
„Angesichts der annähernden Stagnation des
Eurozone-Wirtschaftswachstums im September ist
die Wahrscheinlichkeit einer neuerlichen Rezession
im vierten Quartal 2020 klar gestiegen.
Spanien war von den steigenden CoronaInfektionszahlen und den erneuten Einschränkungen des öffentlichen Lebens ja am stärksten
betroffen. Mit Ausnahme der Zeit zwischen März
und Mai während des Höhepunkts der ersten Welle
ist Spaniens Wirtschaftsleistung im September so
stark geschrumpft wie zuletzt im November 2012.
Neuerliche Geschäftseinbußen vermeldeten jedoch
auch die französischen und irischen Dienstleister,
und Deutschlands Servicesektor verzeichnete
annähernde Stagnation, was verdeutlicht, dass sich
die Lage der Dienstleister in der gesamten
Eurozone verschlechtert hat. In Spanien und Italien
blieben im September besonders strikte
Maßnahmen zur Eindämmung des Virus in Kraft,
und auch in Frankreich und Deutschland wurden
sie wieder verschärft.
Viel wird jetzt davon abhängen, ob die zweite Welle
an Virusinfektionen unter Kontrolle gebracht
werden kann, und ob die Social Distancing-Beschränkungen gelockert werden können, damit
der Servicesektor wieder in Schwung kommt.
Auch die Regierungen müssen jetzt wachsam
bleiben, um den Aufschwung zeitnah zu
unterstützen und die Geldpolitik zunehmend zu
lockern. Was Letzteres anbelangt, eröffnet die
niedrige Inflation im September ja genügend
Spielraum zur Lockerung. Jegliche
Verschlechterung der PMI-Daten im vierten Quartal
2020 wird den Druck hinsichtlich zusätzlicher
Anreize erhöhen.“
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