Strugl: Grünen Wasserstoff bevorzugen - Mellach wird Innovations-Hub
Vize-Vorstandschef: "Wollen hier Vorreiter sein" - Gut
einsetzbar in Industrie, Verkehr - Für CO2-Mindestpreis -
"Hochlauf" bei E-Mobilität wird kommen - Für raschere
Genehmigungsverfahren - BILD
Verbund-Vizevorstandschef Michael Strugl macht sich
für eine Bevorzugung von "grünem Wasserstoff" stark, der nicht
fossil, sondern mit Hilfe von Überschussstrom aus Erneuerbaren
Energien gewonnen wird. Hier sollten "Hebel" überlegt werden, um
diesen Wasserstoff in den Markt zu bringen - etwa eine steuerliche
und regulatorische Incentivierung, sagte Strugl im APA-Interview.
Grüner Wasserstoff werde für die Energiewende eine große Rolle
spielen, Stichwort Sektorkopplung. Sinnvoll zum Einsatz kommen könne
dieser Rohstoff sowohl in der Industrie als auch im Bereich der
Mobilität, auch könne er gut gespeichert werden. Das Thema
Wasserstoff müsse aber "mindestens europäisch" gedacht werden, sagte
Strugl: "Denn die Mengen, die man braucht, können in Österreich gar
nicht erzeugt werden." Zu denken sei da beispielsweise an eine
Produktion mithilfe von Solar- oder Windstrom. Die frühere Regierung
habe im März 2019 ja eine Wasserstoff-Initiative gestartet, "ich
gehe nach wie vor davon aus, dass das ein wichtiges Anliegen der
Politik ist".
Gerade weil grüner Wasserstoff bei der Energiewende in der
Sektorkopplung eine große Rolle spielen werde, wolle Verbund in
diesem Bereich ein Vorreiter sein, betonte Strugl. Beim Stahl- und
Technologiekonzern voestalpine in Linz läuft ja seit geraumer Zeit
unter Einbindung von Verbund ein
6-Megawatt-Elektrolyse-Pilotprojekt, das größte Europas. Dort wolle
man vorführen, wie die Dekarbonisierung im industriellen Bereich
funktionieren könne.
Auch am Verbund-Standort Mellach in der Steiermark, der zum
zentralen Innovations-Hub des Stromkonzerns werden solle, wird
Wasserstoff-Elektrolyse Strugl zufolge eine wichtige Rolle spielen -
sowohl im Bereich der Hochtemperatur-Elektrolyse als auch in der
klassischen PEM-Elektrolyse (Proton Exchange Membrane). Dort könne
Verbund Demonstrations- und Probeanlagen in Kooperation mit
Forschungsinstituten und Unternehmenspartnern durchführen, sagte der
im Konzern unter anderem für Innovationen zuständige
stellvertretende Vorstandschef.
In Mellach verfüge man über ein 12 Hektar großes Areal, die
nötige Strom-, Gas- und Verkehrsinfrastruktur, das technische
Personal und das Know-how. Nach der Kohleverfeuerung in Mellach, die
mit Ende dieser Heizsaison auslaufen soll - derzeit wird noch
Fernwärme für die Stadt Graz erzeugt -, solle der
"Old-Economy-Standort" zu einem "New-Economy-Standort" werden. Dort
werde man sich auch mit Speicher- und Batterie-Lösungen sowie
digitalen Anwendungen befassen. Das Gaskraftwerk Mellach bleibt
weiter zur Netzstabilisierung tätig.
Für einen zügigeren Ausbau von Wasserkraft und Erneuerbaren
Energien sowie die nötigen Stromnetze sollte es rascher grünes Licht
geben, fordert der Verbund-Vizechef: "Die Genehmigungsverfahren sind
ja nicht unbedingt ein Beschleuniger." Wolle Österreich wie geplant
die 100-prozentige Deckung des Strombedarfs mit Erneuerbaren
erreichen - bilanziell über ein Jahr gerechnet -, was ohnedies schon
schwer genug sei, müsse man sich etwas einfallen lassen, wie man
Erzeugungsanlagen, Speicher und die Netzinfrastruktur in
vernünftiger Zeit errichten könne.
Verbund selbst möchte laut Strugl seine Wasser- sowie Solar- und
Wind-Erzeugungskapazität ausweiten, vom Zubau soll gemessen in der
erzeugbaren Menge etwa ein Drittel auf Wasserkraft entfallen. Das
bezieht sich aber nicht nur auf Österreich, sondern etwa bei der
Wasserkraft auch auf Anlagenertüchtigungen in Deutschland, wo der
Verbund in Bayern über entsprechende Kraftwerke verfügt. Bei Sonne
und Wind seien, über diese beiden Länder hinaus, auch Zukäufe
denkbar, gab Strugl zu verstehen, der von "anorganischen
Überlegungen" sprach. Das hänge von jeweils gegebenen Opportunitäten
ab, derzeit gebe es diesbezüglich aber nichts Konkretes.
Wie für die Energiewirtschaft und die produzierende Industrie
werde es in Österreich auch für die übrigen Bereiche eine Bepreisung
des Kohlendioxid-Ausstoßes geben müssen, betonte Strugl: "Es muss
irgendeine Form geben über alle Sektoren hinweg, bei der CO2 einen
Preis hat. Es muss einen Mindestpreis geben." Insbesondere seien der
Verkehr und der Wärmesektor in ein Bepreisungssystem zu bringen. Das
sei nötig, denn der Übergang zu Erneuerbaren sei nur zu schaffen,
wenn CO2 nicht kostenlos ist. Die Regierung habe zu dem Thema ja
eine Task Force eingerichtet. Freilich sei eine Lösung nicht
einfach, räumte Strugl ein, gelte es doch in einem größeren Kontext
auch die europäische Perspektive sowie Fragen der
Wettbewerbsfähigkeit und des Außenhandels mitzubedenken.
Im Elektroauto-Bereich, in dem Verbund durch seine Beteiligung am
E-Mobilität-Provider Smatrics mitmischt, wird der "Hochlauf" kommen,
ist Strugl überzeugt. Derzeit gebe es zwar erst rund 30.000
strombetriebene E-Autos in Österreich, womit man unter Plan liege,
"doch hat sich das nur zeitlich verschoben". Mit den
CO2-Flottenzielen für die Fahrzeughersteller sei der Pfad zum
Hochfahren der E-Autos mit entsprechenden Modellen vorgegeben.
In der E-Mobilität sei nicht die für das Laden der Elektroautos
erforderliche Strommenge das Problem, sondern der Lastgang, also die
Lastspitzen zu bestimmten Zeiten. Aber selbst wenn bei einer
elektrischen Vollausstattung "alle" E-Autobesitzer gleichzeitig
laden würden, gehe es um maximal neun Terawattstunden (TWh). Doch
davon gehe man nicht aus: Denn 90 Prozent der Ladevorgänge würden
daheim oder nahe dem Arbeitsplatz erfolgen, und nur ein sehr
geringer Teil werde aufs Schnellladen entfallen. Smatrics habe neben
den normalen Ladestationen auch mehrere Anlagen fürs Schnellladen in
Wien und einigen Landeshauptstädten errichtet, so Strugl: "Dort
kappen wir die Lastspitzen mit Energiespeichern - das wird mit
Lithium-Ionen-Batterien abgepuffert."
(Schluss) sp/itz
ISIN AT0000746409
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