Grasser-Prozess: Telekom-Kronzeuge vermisst Politiker auf Anklagebank
Schieszler: Präsident der Lobbyingorganisation der
Telekom-Konkurrenten ist von der Telekom bezahlt worden -
Meischberger sei der "Brückenkopf" zu Grasser gewesen - BILD
Am ersten Verhandlungstag im neuen Jahr stand heute
im Grasser-Prozess der Kronzeuge Gernot Schieszler ganztägig im
Zeugenstand. Der ehemalige Manager der Telekom Austria gab sich sehr
redselig - und verwundert darüber, dass Manager und Berater der
Telekom auf der Anklagebank sitzen, aber keine Politiker, denen sie
die Geldwünsche erfüllt haben.
Schieszler nannte gleich zu Beginn seiner heutigen Befragung im
Wiener Straflandesgericht den ehemaligen Finanzminister Wilhelm
Molterer (ÖVP), der ein Sponsoring für den Fußballklub in seinem
Heimatort Sierning (OÖ) eingefordert und bekommen habe - obwohl der
kleine Klub für den Telekomkonzern keinen Werbewert gehabt habe.
Weiters ging es um Zahlungen an den ehemaligen FPÖ-Vizekanzler
Hubert Gorbach nach seinem Ausscheiden, Zuwendungen an den
Echo-Medienverlag, der laut Schieszler als Türöffner zur
SPÖ-regierten Stadt Wien fungierte, Geld für die Telekomsprecher von
SPÖ und ÖVP im Nationalrat, Kurt Gartlehner und Karin Hakl.
Weiters ging es um Geld für den ehemaligen Kärntner
FPÖ-Nationalratsabgeordneten Reinhart Gaugg, für den ehemaligen
FPÖ-Infrastrukturminister Mathias Reichhold, Geld für einen
Privatjet nach Schottland zu einem Jagdausflug bei Alfons
Mensdorff-Pouilly, an dem etwa der damalige ÖIAG-Chef Markus Beyrer
teilnahm - alles wurde aus Telekom-Mitteln via dem angeklagten
Lobbyisten Peter Hochegger finanziert.
Diese Zahlungen zur "politischen Landschaftspflege" wurden über
Hochegger abgewickelt bzw. über dessen Gesellschaft Valora. Dort sei
ein "Geldtopf", eine "externe Liquiditätsreserve", gebildet worden,
aus dem man derartige Zahlungen geleistet habe. Aber auch die
Beeinflussung des Telekom-Aktienkurses über einen Banker, damit ein
Bonusprogramm für die Telekom-Führungskräfte schlagend wurde, wurde
mit Hilfe von Hochegger abgewickelt, der dafür scheinbar eine Studie
erstellte und dafür Geld von der Telekom bekam, das letztlich an den
Banker als Bezahlung für seine Kursmanipulation ging, schilderte der
Zeuge. In Wahrheit habe die Telekom selber die Studie erstellt,
Hochegger habe sie nur ausgedruckt.
In einer im Zuge des Ermittlungsverfahrens sichergestellten
Aufzeichnung von Schieszler, die er selber mit "Shit List"
betitelte, hatte er zahlreiche Vorfälle in Stichworten festgehalten:
"Vorstand besticht Politiker" findet sich ganz oben, "Vorstand kauft
Orden", oder auch Namen von Personen, die auf Wunsch von außen
offenbar angestellt worden waren. Richterin Hohenecker ging in der
gewohnt genauen Befragung mit Schieszler die einzelnen Punkte durch
und fragte ihn auch: "Warum haben Sie das alles aufgeschrieben"? Er
habe etwas in der Hand haben wollen, falls ihm jemand in der Telekom
Austria etwas Böses gewollt hätte, meinte der Zeuge.
Nicht nur die Shit List, sondern auch E-Mails geben Auskunft über
die Zahlungen der Telekom über die "Schwarzen Kassen" bei Hochegger,
die die Angeklagten jetzt als externe "Liquiditätsreserve" der
Telekom bezeichnen. So floss das Geld nicht nur an Lobbyisten,
sondern auch an Politiker und Parteien sowie deren
Vorfeldorganisationen. Mit dem Telekom-Geld wurde auch die
Bauernbund-nahe Organisation "Forum Land" - die später aufgelöst
wurde - gesponsert. Auch für ein Buffet im Wiener
Innenstadtrestaurant "Schwarzes Kameel" floss Geld.
Neben Politikern bekamen auch Lobbyisten still und leise Geld von
der Telekom über den Umweg Hochegger, schilderte Schieszler: Sogar
ein ehemaliger Obmann der ISPA, der Vereinigung alternativer
Telekom-Betreiber, habe Geld von Hochegger aus der Telekom-Kasse
bekommen. Die Telekom habe also den Obmann einer
Interessensvereinigung finanziert, die eigentlich komplett
gegensätzliche Interessen hatte und vertreten sollte.
Da heute nur die Causa Telekom verhandelt wird, musste lediglich
ein kleiner Teil der Angeklagten erscheinen. Der Erstangeklagte
Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser wurde heute nicht in den Großen
Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts geladen, er ist in
dieser Causa nicht angeklagt. Dafür musste Rudolf Fischer,
Ex-Telekom-Vorstand, wieder auf der Anklagebank Platz nehmen. Auch
Ex-FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger und Hochegger sind
diesbezüglich angeklagt.
Meischberger bekam von der Telekom 824.000 Euro über fünf Jahre -
und will dafür auch eine entsprechende Leistung erbracht haben.
Schieszler sagte heute aus, Meischberger sei ein "Brückenkopf" ins
Kabinett des damaligen Finanzministers Grasser gewesen.
Auf der Anklagebank saß heute auch Michael F. ehemals
ÖVP-Organisationsreferent und damals Chef der Public Affairs der
Telekom. Er schrieb an Schieszler im November 2007 ein E-Mail, dass
Rudolf Fischer, damals Telekom-Vorstand, die Zahlung von 100.000
Euro an die Bundes-ÖVP genehmigt habe. Laut ÖVP wurde das erhaltene
Geld der Telekom zurückgezahlt.
Letztlich hätten gute Kontakte zur Politik der teilstaatlichen
Telekom Austria geholfen - und auch den Konzernvorständen. Denn
"letztendlich" werde der Vorstand vom Ministerium bestellt, sagte
Schieszler zu Richterin Marion Hohenecker am heutigen 133.
Verhandlungstag. Der Aufsichtsrat habe von dem Ganzen nichts
gewusst. Aber ihm sei damals nicht vorgekommen, etwas Unrechtes zu
tun. Auch Rudolf Fischer habe immer nur das Beste des Unternehmens
im Sinne gehabt. Walter Meischberger sei mit seinem Honorar - "ein
Zehner im Monat" - eher im unteren Bereich der Berater angesiedelt
gewesen. Der mitangeklagte Michael F. habe - so wie er damals -
nicht erkennen können, irgendetwas strafrechtliches zu tun. Und
Hocheggers Arbeit habe für die Telekom viel Mehrwert gehabt, so der
Kronzeuge.
Der Prozess wird morgen, Mittwoch, mit einer weiteren
Zeugenbefragung fortgesetzt.
(Schluss) stf/gru/tsk
ISIN AT0000720008 AT00BUWOG001 AT0000A21KS2
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