Insolvente Sanochemia soll fortgeführt werden
Überschuldung der börsennotierten Firma 27 Mio. Euro - Über
160 Mitarbeiter, großteils in Neufeld im Burgenland - Wurzel
der Liquiditätslücke bei Zertifikats-Einschränkung im Frühjahr
2018
Begonnen hat es mit Qualitätsproblemen in der
Pharma-Produktion vor eineinhalb Jahren - nun hat die börsenotierte
Sanochemia am Montag den Gang zum Insolvenzgericht angetreten und
ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung beantragt. Geplant ist
eine Fortführung des mit 27 Mio. Euro überschuldeten Unternehmens.
Rund 140 der 163 Dienstnehmer sind in Neufeld im Burgenland in der
Produktion tätig.
Das Abgleiten in die Insolvenz führt Sanochemia auf eine
"Liquiditätslücke" und wirtschaftliche Belastungen aus der
Vergangenheit zurück, erklärten der Alpenländische Kreditorenverband
(AKV) und die Creditreform am Montag in Aussendungen. Das
schuldnerische Unternehmen soll demnach im Wege eines
Sanierungsplans entschuldet werden, wobei den Insolvenzgläubigern
eine 20-prozentige Quote offeriert wird, zahlbar innerhalb von zwei
Jahren ab Annahme des Sanierungsplans. Es handelt sich dabei um das
gesetzliche Mindesterfordernis.
Betroffen von der Insolvenz sind 282 Gläubiger, darunter 163
Mitarbeiter, so der Kreditschutzverband von 1870 (KSV1870). Nach
Angaben des Schuldnerunternehmens belaufen sich die
Verbindlichkeiten auf rund 49 Mio. Euro - davon 12,5 Mio. Euro
besichert und 36,5 Mio. Euro unbesichert, die Aktiva auf rund 22
Mio. Euro. Daraus errechnet sich eine Überschuldung von etwa 27 Mio.
Euro.
Die Wurzel der aktuellen "Liquiditätslücke" sieht Sanochemia in
der 2018 im Frühjahr erfolgten Einschränkung des wichtigen
GMP-Zertifikats (Good Manufacturing Practice/Gute Herstellungspraxis
für Arzneimittel), verfügt vom Bundesamt für Sicherheit im
Gesundheitswesen (BASG). Nach einer Kontrollvisite im Unternehmen
hatte Sanochemia am 12. April 2018 mitgeteilt, dass man laut EUDRA
GMP Datenbank (zu den EU-Herstellungsgenehmigungen und -Zertifikaten
über gute Herstellungspraxis) bestimmte Produkte nicht mehr selbst
herstellen oder eigenen Qualitätsprüfungen unterziehen dürfe -
darauf stürzten die Aktien damals schlagartig fast neun Prozent ab.
Die Folgen waren laut Schuldnerangaben Lieferverzögerungen und
Lieferausfälle bei Kunden, die zu Schadenersatzforderungen führten,
so der KSV1870.
Auch sei es zu erheblichen Mehrkosten durch die Prüfung der
Qualität dieser Produkte bei externen Dritten gekommen. Hinzu seien
wirtschaftliche Belastungen gekommen, die laut Sanochemia aus der
Vergangenheit der Gesellschaft resultierten. Der Cashflow aus dem
laufenden Geschäft könne die Liquiditätslücke nicht abdecken,
betonte das 1990 gegründete Unternehmen vorige Woche. Sanochemia
entwickelt und erzeugt Arzneimittel für Radiologie und Neurologie -
die Produkte werden in mehr als 35 Ländern vertrieben.
Die Gläubigerschutzorganisationen wollen "im Interesse der
betroffenen Gläubiger prüfen", ob die angebotene 20-prozentige
Sanierungsplanquote "akzeptabel" ist. Die Mittel für die
Finanzierung des Sanierungsplans will die Sanochemia (Sitz in Wien)
laut KSV1870 aus dem Fortbetrieb sowie aus einer dann eventuell noch
notwendigen Kapitalerhöhung aufbringen. Die Tochtergesellschaften in
Deutschland, der Schweiz, Tschechien, Ungarn, der Slowakei, UK und
den USA sind nicht insolvenzverfangen, heißt es. Die
Sanochemia-Aktien notieren unter anderem an den Börsen Frankfurt und
Wien.
(Schluss) sp/bel
ISIN AT0000776307
WEB http://www.sanochemia.at
http://www.ksv.at
http://www.akv.at/