IV: CO2-Bepreisung darf Standort Österreich nicht gefährden
Drexel gegen weitere Belastung für energieintensive Industrie:
"Dicke rote Linie" - Auch Wifo-Expertin und Verbund-Chef
plädieren für Zweckwidmung der Mittel
Die Industriellenvereinigung (IV) lehnt weitere
Bepreisungen von CO2 nicht rundweg ab - sie selbst unterliegt
ohnedies großteils schon dem Emissionshandelssystem -, tritt aber
für behutsames Vorgehen ein. Eine CO2-Bepreisung dürfe den Standort
Österreich nicht gefährden, betonte am Mittwoch Dieter Drexel, in
der IV Vizechef der Abteilung, die auch für Ressourcen, Energie und
Umwelt zuständig ist.
Es sei klar, dass man für die Klimapolitik weitere Maßnahmen
setzen müsse - über das hinaus, was derzeit am Markt sei. Aber nicht
alles, was man umsetzen könnte, sei auch sinnvoll, sagte Drexel beim
Energiefrühstück des Verbund. Für die IV seien Maßnahmen "nicht
sinnvoll", wenn sie die produzierende Industrie in Österreich
betreffen, allen voran die energieintensive Industrie: "Da ziehen
wir eine dicke rote Linie." Wolle man das
Treibhausgasemissionshandelssystem (ETS) weiterentwickeln, dann in
internationalen Verhandlungen.
Besonders warnte der IV-Vertreter vor der Gefahr neuer
Steuerbelastungen, bei denen die Verwendung der eingenommenen Gelder
nicht zweckgewidmet ist. Als "gelernter Österreicher" habe er seine
Zweifel, dass ein Recycling, eine Wiederverwendung solcher
Einnahmen, tatsächlich passiere. Auch die 200 Mio. Euro aus dem ETS
gingen einfach im Budget auf, auch wenn die IV schon gegenüber
verschiedenen Finanzministern bereits seit über zehn Jahren darauf
dränge, einen Teil davon für Klimaschutzmaßnahmen in der Industrie
rückzuführen. "Da haben wir uns bisher den Kopf an der geschlossenen
Tür in der Himmelpfortgasse angestoßen", sagte Drexel.
Egal, was in Österreich nun von der Politik angedacht werde, es
sei darauf zu "achten, dass der Standort nicht beschädigt wird, bei
allem was man tut". Die Industrie selbst habe ja bereits unmittelbar
einen CO2-Preis, nämlich über das ETS, der 80 Prozent der gesamten
Industrieemissionen abdecke. "Im Prinzip unterliegt die gesamte
Industrie einem CO2-Preis."
Vorstellen könne sich die IV dagegen heute, anders als früher,
"border tax adjustments", also einen am CO2-Gehalt von Importgütern
orientierten steuerlichen Ausgleich an der Grenze. Derartiges habe
ja die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
angekündigt. "Wir sind mittlerweile der Meinung, dass das etwas sein
kann, was uns - Österreich und den Wirtschaftsraum Europa -
weiterbringt", meinte Drexel. Freilich sei das Aushandeln solcher
Steuerausgleiche "ein WTO-Minenfeld" und "nicht einfach". Von der
Leyen solle sich mit ihrem Team dieses Themas annehmen und es
hochziehen. "Kommt das, kann man auch diskutieren, wie sich der
CO2-Preis mittelfristig weiterentwickeln soll." Jedoch sollte das
Klimathema in Europa als eine "tatsächliche Machtfrage" auf
internationaler Ebene begriffen werden. "Ich glaube nicht an die
Vorreiterrolle Europas. Es geht um multilaterale Interessen, die
unter einen Hut zu bringen sind."
Ein klares Bekenntnis zugunsten von CO2-Bepreisungen legten die
drei Mitdiskutanten ab, Johannes Wahlmüller von Global 2000, die
Wifo-Expertin Claudia Kettner-Marx und Verbund-Generaldirektor
Wolfgang Anzengruber.
Kettner verwies darauf, dass es weltweit 58 nationale oder
regionale Initiativen zugunsten von CO2-Bepreisungen gibt, zur
Hälfte aufs ETS bezogen, zur Hälfte Steuern. In Europa hätten elf
EU-Staaten und vier weitere Länder CO2-Steuern, wobei die
Steuersätze weit auseinanderklaffen würden. Die weltweit höchsten
Sätze weist Schweden auf, das Land startete 1991 mit einem Preis von
24 Euro pro Tonne CO2, aktuell sind es 115 Euro mit automatischer
Valorisierung.
Selbst in Schweden habe die CO2-Bepreisung keine negativen
Effekte auf die Wirtschaft, betonte die Wifo-Expertin. Von 1990 bis
2015 seien die Treibhausgasemissionen des Landes um 27 Prozent
gesunken - was freilich nicht monokausal gesehen werden dürfe -,
zugleich sei das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Schwedens real um 77
Prozent angestiegen.
Erhöht werden könne die Akzeptanz einer CO2-Steuer durch eine
planbare, stufenweise Einführung, die grundsätzlich mit einem
niedrigen Satz beginnen sollte. Wichtig wäre auch eine Zweckbindung
der Einnahmen, wobei aber die Wiederverwendung der Mittel sichtbar
sein müsse. Für Österreich haben Kettner und die Co-Autoren einer
erst kürzlich zu dem Thema publizierten Wifo-Studie zufolge drei
Szenarien, die ein jährliches Aufkommen von 2 Mrd. Euro (bei 60 Euro
pro t CO2 wie in Finnland) oder 4 Mrd. Euro (bei 120 Euro/t wie in
Schweden) errechnen, wobei Kettner die 4 Mrd. Euro für am
realistischsten hält; ein Extremszenario, das auf 315 Euro/t
abstellt, kommt auf 7 Mrd. Euro. Die Simulationen einer CO2-Steuer
zeigten, dass der CO2-Ausstoß deutlich gesenkt werden kann,
insbesondere bei Transport, Dienstleistungen.
Die meisten CO2-Preis-Modelle sehen als Gegengewicht zu den
Steuerbelastungen Entlastungen zum Beispiel bei den
Sozialversicherungsbeiträgen oder auch einen Ökobonus für Haushalte
vor. Schweden habe ursprünglich lediglich eine Senkung der
Einkommensteuer angepeilt, die CO2-Steuer habe sich als ein
Puzzlestein dabei herauskristallisiert, so die Wifo-Expertin. Ein
Ausgleich sei nötig, gab Kettner zu verstehen, denn je nach Modell
wäre auch bei uns das einkommensschwächste Fünftel der Haushalte von
CO2-Steuern zweieinhalb Mal so stark betroffen wie das oberste
Fünftel.
Wahlmüller von der Umweltschutzorganisation Global 2000 meinte,
er kenne keine Studie, die davon ausgehe, dass die Klimaziele ohne
CO2-Steuern oder CO2-Bepreisung zu schaffen seien. Österreich zahle
heute schon jedes Jahr eine Milliarde Euro für die Behebung von
Klimaschäden, "CO2 hat also schon heute einen Preis". Egal wie hoch
der Wert sei, der letztlich herauskomme, "wichtig ist, dass wir in
Österreich über eine Einführung reden". Nötig sei das Bewusstsein
für die Verursacher, auch die energieintensive Industrie, dass man
das Klimaproblem lösen müsse. Es sei möglich, einen hohen
Lebensstandard mit einer CO2-Bepreisung zu verbinden. Global 2000
gehe von rund 5 Mrd. Euro jährlich aus einer Besteuerung der
fossilen Ressourcen aus, mit Entlastungsmaßnahmen im Gegenzug.
Verbund-Chef Anzengruber ist überzeugt, dass sich in Sachen
CO2-Bepreisung auch in Österreich etwas tun wird, "denn das Thema
CO2 wird von Madrid bis in die Himmelpfortgasse doch relativ
hochprioritär diskutiert". Nur in der Industrie habe CO2 bereits
einen Preis, zu über der Hälfte - zu etwa 55 Prozent - aber noch
nicht. Es gelte, "diesen Teil auch in ein System zu bringen".
Deutschland habe jetzt einmal einen Eingangspreis definiert, zwar
"relativ zaghaft", aber doch.
Auch der Verbund-Chef, dessen Konzern Strom zu 95 bis 97 Prozent
CO2-frei erzeugt, warnte vor der Gefahr, dass die Mittel aus einer
CO2-Bepreisung im allgemeinen Budget "verschwinden" könnten: "Daher
bevorzugen wir eher eine Fondslösung außerhalb des Steuersystems,
aber mit gleicher Wirkung." Und er meinte: "Passiert nichts, werden
wir die von Österreich selbst gesteckten Ziele nicht erreichen und
Österreich müsste 2030 Strafe zahlen - rund 6 Mrd. Euro, was ich so
höre." Wahlmüller verwies auf Szenarien, die bis zu 8,7 Mrd. Euro
Strafzahlung für möglich halten.
(Schluss) sp/cri
ISIN AT0000746409
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