Grasser-Prozess - Ex-Minister und Meischberger nehmen Stellung
Grasser: Wird etwas länger dauern - Richterin hofft auf
Prozessende im April 2020
Am 127. Tag im Korruptionsprozess gegen
Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, seinen Trauzeugen Walter
Meischberger und andere sind heute die beiden Angeklagten am Wort,
um auf bisherige Zeugenaussagen zu reagieren. Eine zentrale Rolle
spielen die belastenden Aussagen des Zeugen Willibald Berner. Rund
vier Stunden werden Grasser und Meischberger ihre Version
präsentieren, hieß es heute Früh.
Wobei der Prozesstag nicht von Grasser, sondern seinem Anwalt
Norbert Wess eröffnet wurde. Er ging heute, Mittwoch, auf eine
aktuelle Entscheidung des Oberlandesgericht (OLG) Wien ein. Es geht
dabei um Akten, die Grasser laut OLG von der Wirtschafts- und
Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) rechtswidrig vorenthalten
wurden. Zuvor war der Ex-Minister in der gleichen Angelegenheit beim
Landesgericht Wien abgeblitzt, berichtet die "Presse". Es geht dabei
um ein Ermittlungsverfahren, das mittlerweile eingestellt wurde -
und nicht um den laufenden Prozess. Konkret wollte die WKStA
ursprünglich Grasser auch anklagen, weil er beim
Bundeswohnungsverkauf zu wenig für den Staat eingenommen habe, da es
nicht zu einem Einzelverkauf der Wohnbaugesellschaften kam ("35 Mio.
Euro-Faktum"). Diesbezüglich kam es allerdings nie zu einer Anklage.
Anwalt Wess forderte heute, dass weitere Aktenvermerke in die
Prozessakte aufgenommen werden. Dem schlossen sich mehrere Anwälte
der übrigen Angeklagten an. Oberstaatsanwalt Alexander Marchart
konterte, dass sowohl das OLG-Urteil als auch die heutigen Anträge
nichts mit dem laufenden Prozess zu tun hätten, weil es um ein ganz
anderes Verfahren gehe. Das Gericht solle sich auf die eigentliche
Korruptionsanklage in diesem Prozess konzentrieren. Die WKStA habe
in der Frage außerdem eine andere Rechtsansicht als das OLG Wien,
vorbehaltlich einer Prüfung durch den Obersten Gerichtshof (OGH). Im
laufenden Verfahren sei Grassers Recht auf Akteneinsicht nicht
verletzt worden, betonte Marchart.
Eine halbe Stunde nach Prozessstart nahm dann Grasser in der
Mitte vor Richterin Marion Hohenecker Platz, um mit seinen
Ausführungen zu beginnen. Gleich zu Beginn entschuldigte er sich
dafür, dass es etwas länger dauern könnte, denn bei den "falschen
Vorwürfen" von Berner würden seine Emotionen durchgehen, so der
ehemalige Minister der schwarz-blauen Bundesregierung unter
Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP).
Die Angeklagten der Causa um Bestechungsverdacht bei der
Einmietung der Finanz in den Linzer Terminal Tower mussten heute
nicht vor Gericht erscheinen.
Zu Beginn des 127. Prozesstages hatte die Richterin noch einmal
ihre gestrige Aussage wiederholt, dass sie hofft Ende April 2020 den
nunmehr seit fast zwei Jahren laufenden Prozess abzuschließen. Bis
März stehen bereits Zeugenlisten fest, anschließend können von der
Verteidigung nominierte Zeugen befragt werden. Verhandlungstermine
gibt es derzeit bis Ende April.
Am 12. Dezember 2017 wurde die Hauptverhandlung im Großen
Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts eröffnet, damals
nahmen noch zwölf Schöffen an den Verhandlungen teil. Diese Zahl
reduzierte sich rasch auf sechs und ist seitdem aber konstant. Für
ein Urteil braucht Hohenecker zwei Schöffen.
(Schluss) stf/gru/cri
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