Grasser-Prozess - Ex-Minister verweist auf Haider und andere
Grasser: Putzkräfte hatten wahrscheinlich Zugang zu sensiblen
Räumen - Übernächste Woche schlägt Richterin Hohenecker ein
neues Kapitel auf - BILD
Am heutigen 106. Tag im Grasser-Prozess sind die
Angeklagten am Wort. Richterin Marion Hohenecker gibt ihnen die
Möglichkeit, zu den bisherigen Zeugenaussagen Stellung zu nehmen.
Begonnen wurde mit dem Erstangeklagten Ex-Finanzminister Karl-Heinz
Grasser, er kündigte an, bis zur Mittagspause mit seinen
Ausführungen fertig zu sein.
"Transparent" und "fair" sei der Verkauf der Bundeswohnungen
(u.a. Buwog) gelaufen, betonte Grasser gleich zu Beginn. Es sei ein
"hervorragender" Preis erzielt worden. Die Information über das
Finanzierungslimit der CA Immo in der ersten Runde, nämlich 960 Mio.
Euro, hätten viele gewusst, es sei sogar "durchaus wahrscheinlich"
gewesen, dass selbst die Reinigungskräfte Schlüssel zu sensiblen
Räumen im Finanzministerium mit Unterlagen zur Privatisierung
hatten. Zur Erinnerung: Der siegreiche Bieter für die Wohnungen, das
Konsortium mit Immofinanz und RLB OÖ, zahlte 961 Mio. Euro, der
unterlegene Interessent CA Immo hatte 960 Mio. Euro geboten.
Und der Ex-Minister brachte heute einmal mehr den mittlerweile
verstorbenen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider ins Spiel. Dieser
habe möglicherweise über Infos aus dem Bieterverfahren verfügt und
dieses Wissen weiter gegeben. Er, Grasser, sei sich jedenfalls
sicher, dass in einer entscheidenden Sitzung im Finanzministerium am
7. Juni 2004, bei der die Höhe der Finanzierungsgarantie des
letztlich unterlegenen Kaufinteressenten CA Immo genannt wurde, der
damalige FPÖ-Bautensprecher Detlev Neudeck anwesend war.
Darüber gehen allerdings die Aussagen auseinander. Neudeck kann
sich daran nicht mehr erinnern, andere Anwesende wollen Neudeck
nicht wahrgenommen haben, Ex-Kabinettchef Heinrich Traumüller (der
bereits fünfmal als Zeuge aussagen musste) will ihn gesehen haben.
Grasser verweist aber nicht nur auf Haider, es habe nämlich eine
Vielzahl von Personen gegeben, die die Finanzierungsgarantie der CA
Immo kannten - und diese Zahl weitergeben hätten können. Dass eine
zweite Bieterrunde durchgeführt wurde (in der ersten Runde hatte die
dann unterlegene CA Immo das höhere Angebot gelegt) begründete
Grasser heute erneut damit, dass damit ein höherer Verkaufswert
erzielt werden konnte.
Der Zweitangeklagte, Ex-FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger,
hatte bereits in den Tagen zuvor angekündigt, heute sein Rederecht
nicht zu nutzen. Er will noch auf eine weitere Zeugenaussage warten.
Der nächste Verhandlungstag ist der 24. September, dann eröffnet
Richterin Hohenecker ein neues Kapitel - sie begibt sich auf die
Spur des Geldes. Dabei geht es unter anderem um jene 9,6 Mio. Euro,
die vom siegreichen Bieterkonsortium bei den Bundeswohnungen,
Immofinanz und RLB OÖ, an Provision an Meischberger und den
Lobbyisten Peter Hochegger gezahlt wurden.
Laut Anklage sind die 9,6 Mio. Euro nicht nur an die beiden
Genannten gegangen, sondern auch an den mitangeklagten
Immobilienmakler Ernst Karl Plech - und an Grasser. Letzterer soll
demnach die notwendige Bietersumme von "über 960 Mio. Euro" an
Meischberger weiter gegeben haben, der sie über Hochegger dem
mitangeklagten damaligen Immofinanzchef Karl Petrikovic
übermittelte.
Bis auf Hochegger bestreiten alle Angeklagten die Vorwürfe, der
Ex-Lobbyist hat ein Teilgeständnis abgelegt. Er bestätigte die
Anklage, wonach es einen Tatplan von Grasser, Meischberger,
Hochegger und Plech gab, bei Privatisierungen der Republik illegal
mit zu kassieren. Seitdem herrscht zwischen den ehemaligen Freunden
Eiszeit im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts.
(Schluss) stf/gru/rf
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