Grasser-Prozess - Richterin weist Grasser-Verteidiger zurecht
Hohenecker zu Wess: Kontaktaufnahme mit Zeugen im laufenden
Verfahren "konterkariert amtswegige Wahrheitserforschung und
ist zu unterbleiben" - Zeuge zu Terminal Tower - BILD
Richterin Marion Hohenecker hat heute den
Beginn des 105. Verhandlungstages im Grasser-Prozess mit einer
Zurechtweisung des Verteidigers von Ex-Finanzminister Karl-Heinz
Grasser, Anwalt Norbert Wess, eröffnet. Dass dieser mit dem
gestrigen Zeugen Heinrich Traumüller im laufenden Verfahren abseits
des Gerichts in Kontakt getreten ist, wie gestern bekannt wurde, war
"keineswegs erforderlich".
Da der Zeuge bereits eine Ladung zur Aussage hatte, ergebe sich
"die Notwendigkeit nicht". "Das Übermittteln von vorbereiteten
Fragen an den Zeugen konterkariert überdies die amtswegige
Wahrheitserforschung und hat daher zu unterbleiben", so Hohenecker.
Das Begehr von Wess aus dem April des heurigen Jahres, doch die
sechs Schöffen an ihre Pflichten zu erinnern, wurde von der
Richterin abgelehnt, auch hier sei keine Notwendigkeit erkennbar.
Des Weiteren würde sie in ihrer Funktion als Sitzungspolizei darauf
achten, dass die Zulässigkeit von Fragen an die Zeugen gegeben ist,
so Hohenecker weiter.
Gestern war durch den Hinweis der Staatsanwaltschaft bekannt
geworden, dass eine Vertrauensperson von Traumüller diesem im März
2019 in einer Verfahrenspause Fragen von Wess an ihn vorab gezeigt
hat. Dies wurde von einem Rechtspraktikanten beobachtet, der es
Hohenecker meldete. Traumüller sagte, er sei daraufhin mit Wess in
dessen Kanzlei zusammengetroffen und habe einen Disput gehabt. Wess
pochte gestern darauf, dass es rechtlich zulässig sei, als Anwalt
eines Angeklagten mit Zeugen zu sprechen - solange er diese nicht
beeinflusse.
Traumüller hatte im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur
Causa Buwog Grasser unter Wahrheitspflicht belastet, diese Aussagen
aber nun in der Hauptverhandlung im Wiener Straflandesgericht
abgeändert und den Ex-Finanzminister entlastet. Traumüller, einst
Kabinettchef bei Grasser und später Chef der Finanzmarktaufsicht
(FMA), begründet die abweichenden Aussagen damit, dass es sich beim
U-Ausschuss um ein "Tribunal" gehandelt habe, das mehr einer
politischen Show als einer Aufklärung diente.
Nach den klärenden Worten von Hohenecker geht es heute mit der
Causa Terminal Tower Linz weiter. Hier lautet der Anklagevorwurf,
dass beim Umzug der Linzer Finanzbehörden in ein Objekt der Porr und
RLB OÖ 200.000 Euro Schmiergeld an Grasser, Ex-FPÖ-Generalsekretär
Walter Meischberger und den Lobbyisten Peter Hochegger geflossen sei
- was alle drei bestreiten, ebenso die weiteren Angeklagten von Porr
und RLB OÖ. Das Teilgeständnis von Hochegger zu Prozessbeginn Ende
2017 bezog sich lediglich auf die Causa Buwog.
Am Nachmittag ist eine weitere Zeugin geladen, dabei geht es
wieder um die Buwog. Morgen bekommen die Angeklagten die
Möglichkeit, zu den bisherigen Zeugenaussagen Stellung zu nehmen.
Danach folgt der Richtersenat unter Hohenecker der Spur des Geldes -
sprich den zahlreichen Konten in Liechtenstein und der Karibik, über
deren Herkunft und Zuordnung Anklage und Verteidigung
unterschiedliche Versionen haben. Über Zypern floss der Großteil der
Buwog-Millionenprovision nach Liechtenstein.
Bekanntheit erlangte dabei das sogenannte "Schwiegermuttergeld",
sprich eine angebliche Zahlung von rund 500.000 Euro in bar durch
die Schwiegermutter von Grasser an diesen. Die Schwiegermutter soll
gegenüber den Behörden angegeben haben, dass das Geld nicht von ihr
sei. Grasser wiederum hatte in seiner Verteidigungslinie diese
500.000 Euro, die er persönlich von der Schweiz nach Österreich
brachte und ohne Beleg in der Meinl Bank einzahlte, mehrfach als
Darlehen oder Geschenk seiner Schwiegermutter dargestellt.
(Schluss) stf/gru/kre
ISIN AT00BUWOG001 AT0000809058
WEB http://www.buwog.at
http://www.immofinanz.com
http://www.rlbooe.at