Telekom/Valora - Privatflug mit Grasser, Weitflug mit Hühnern
Die teilstaatliche Telekom Austria bezahlte Umfragen für
Ex-Finanzminister, Tisch für Modeshow auf ÖVP-Wunsch und
Weinfest für den Wiener Bürgermeister - Nur Hühner wurden
nicht gesponsert - BILD
Am vierten Tag des Telekom/Valora-Prozesses gegen
die Ex-Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberger sowie den
Ex-Telekom-Austria-Vorstand Rudolf Fischer ging es heute viel um
einen Mann, der gar nicht angeklagt ist: Ex-Finanzminister
Karl-Heinz Grasser (ÖVP/FPÖ), für den die Telekom beispielsweise
Umfragen zu seinem Image und Privatleben bezahlte.
Für den Lacher des Tages sorgte jedenfalls ein Anwesender:
Fischer erzählte, wie ein Minister bei ihm für ein Sponsoring für
einen Hühner-Weitflug-Wettbewerb angefragt hatte. Da musste selbst
die eher emotionslos agierende Richterin Marion Hohenecker herzhaft
lachen.
Den Namen des Ministers nannte Fischer heute im Wiener
Straflandesgericht nicht, aber die "Kleine Zeitung" wusste zum
fraglichen Zeitpunkt folgendes zu berichten: "Weitflug-Meisterschaft
für Hühner am Längsee, drei Gewichtsklassen treten an.
Verkehrsminister Reichhold macht den Ehrenschutz." Weiters
berichtete die Zeitung in ihrer Lokalausgabe vom 19. August 2002,
dass der Gastgeber der Veranstaltung der örtliche Backhendlverein
ist. Den ersten drei Hühnern blieb demnach das Schicksal erspart,
zum Backhendl zu werden.
Der heutige 62. Verhandlungstag - das Verfahren ist in die
Hauptverhandlung zur Buwog eingebettet - war sehr kurzweilig, wenn
auch sehr ernüchternd. Fischer zeichnete ein Bild der
Parteienfinanzierung an ÖVP, SPÖ und FPÖ, getreu dem Motto: Sie
bestellen, wir zahlen. "Wir" sind in diesem Fall alle Bürger, da die
Telekom zu einem Viertel dem österreichischen Staat gehört.
So erhielt Reichhold Telekom-Geld von der Valora im Umfang von
insgesamt 72.000 Euro. Der Vertrag wurde mündlich abgeschlossen,
schriftliche Leistungsnachweise wurden nicht gelegt. Die Firma hatte
keine Mitarbeiter. Fischer bekannte sich im Prozess diesbezüglich
schuldig und sagte, dass es für die 72.000 Euro an Reichhold keine
Gegenleistung gegeben habe.
Fischer berichtete auch von einem Linienflug nach Spanien von
Grasser, Meischberger, den ebenfalls im Buwog-Prozess angeklagten
Ernst Karl Plech und ihm auf eigene Kosten. Ziel sei es gewesen, für
die Errichtung eines Golfplatzes in Wien zu recherchieren. Man habe
natürlich auch Golf gespielt. Zurückgeflogen wurde mit einem
Privatflugzeug - auf Kosten der Telekom Austria. Wobei die Rechnung
in Höhe von 11.940 Euro nicht von Fischer an die Telekom gestellt
wurde, sondern von Meischbergers Gesellschaft "ZehnVierzig" an die
Hochegger-Firma Valora, die sie mit Telekom-Geld beglich. "Warum",
wollte Richterin Hohenecker heute wissen. Das sei "eher passiert"
und "vielleicht unglücklich" gewesen, so Fischer.
Interessant ist der von Fischer geschilderte Grund, warum die
Gruppe zum Privatflieger griff. Während der Golfreise sei es
Freitagnachmittag zu einem verheerenden Terroranschlag in Madrid
gekommen, woraufhin Fischer nach heutiger Aussage am Montag wieder
in der Telekom-Zentrale sein wollte, da aus Erfahrung bekannt
gewesen sei, dass nach Terroranschlägen die Telekommunikationsnetze
besonders stark belastet seien. Daher habe er Meischberger gebeten,
seine Kontakte zu nutzen, um einen Privatflieger zu organisieren.
Abgesprochen habe er dies mit der Telekom nicht. Tatsächlich gab es
am 11. März 2004 einen schweren Terroranschlag in Madrid mit vielen
Toten - das war Donnerstagfrüh.
Danach widmete sich Hohenecker den Zahlungen an das
FPÖ-Parteiorgan "Neue Freie Zeitung". Fischer sagte, dass ihn der
damalige Minister Hubert Gorbach angerufen habe, und um eine
Unterstützung der FPÖ angefragt habe.
Weiters wurden mit Telekom-Geld mehrere Umfragen über Karl-Heinz
Grasser bezahlt. Die verschiedenen Rechnungsgründe, laut
Anklageschrift, lauteten etwa "Image der Politiker", "das
Privatleben von Karl-Heinz Grasser", "der Mehrwert von Karl-Heinz
Grasser", "Kandidatur von Karl-Heinz Grasser" und schließlich
"Karl-Heinz Grasser als Finanzminister einer Großen Koalition".
"Politische Landschaftspflege", wie es Fischer bezeichnet, habe
es unter anderem auch auf Wunsch des ehemalige ÖVP-Staatssekretär
Franz Morak gegeben. Er wollte einen Tisch bei der Modeshow "EU
Young Fashion Summit 2006" bezahlt haben, so Fischer. Weiters
berichtete er über ein Gespräch mit dem ehemaligen
NÖ-Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), das Monika Langthaler
eingefädelt habe. Ein Filmprojekt von ihr und ihrem Mann habe die
Telekom gesponsert.
Die Hochegger-Firma Valora, über die die Zahlungen abgewickelt
wurden, schien auch als Zahler für das Wiener Weinfest auf. Darum
habe ihn der damalige Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ)
ersucht, sagte Fischer. Er selber sei aber nie dort gewesen.
Werblichen Gegenwert für das Sponsoring - etwa durch Weingläser oder
Becher mit Telekom-Aufdruck - habe es nicht gegeben. "Aber es ist
eines der Lieblingsfeste von Häupl gewesen", so Fischer.
Der Lobbyist Peter Hochegger erhielt von allen Zahlungen, die
über seine Valora abgewickelt wurden, 10 Prozent "Management Fee".
Angeklagt sind Fischer und Hochegger wegen Untreue gegenüber der
Telekom, Meischberger wegen Geldwäscherei. Die hier genannten
übrigen Empfänger der Gelder stehen nicht vor Gericht.
Der Prozess wird morgen im Wiener Straflandesgericht fortgesetzt.
(Schluss) stf/gru/ggr
ISIN AT0000720008
WEB https://www.a1.net
http://www.telekomaustria.com