"Dieselgate" - VKI brachte Sammelklagen ein, VW weist Vorwürfe zurück
16 Sammelklagen mit knapp 10.000 Fällen, Streitwert rund 60
Mio. Euro - Laut VW sind über 92 Prozent der betroffenen
Fahrzeuge in Österreich umgerüstet
Vor drei Jahren wurden Abgasmanipulationen
bei VW-Dieselfahrzeugen bekannt. Nach österreichischem Recht drohen
damit erstmals Schadenersatzansprüche von VW-Kunden zu verjähren.
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat nun 16 Sammelklagen
gegen VW wegen des Abgasskandals eingebracht. Der Streitwert in
9.872 Fällen beläuft sich auf rund 60 Mio. Euro.
"Es hat keinerlei Bereitschaft für eine außergerichtliche
Entschädigung durch VW gegeben", sagte VKI-Rechtsexperte Thomas
Hirmke am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien. Er rechnet mit
einem jahrelangen Rechtsstreit. Die Abgasmanipulationen durch
Volkswagen seien "unglaublich", sagte Sozial- und
Konsumentenschutzministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) bei dem
gemeinsamen Pressetermin mit Arbeiterkammer (AK), VKI und dem
deutschen Prozessfinanzierer Roland.
VW weist die Vorwürfe des VKI zurück. Es gebe in Österreich kein
rechtskräftiges Urteil, in dem Fahrzeugeigentümer mit ihrer Klage
gegen die Volkswagen AG Erfolg gehabt hätten. "Die Darstellungen des
VKI zu Problemen nach der Umrüstung sind völlig einseitig", hieß es
in einer VW-Stellung gegenüber der APA. Die vom VKI befragten
Konsumenten hätten sich der Sammelklage angeschlossen. "Diese
Darstellungen sind daher in keiner Weise repräsentativ für die
Gesamtheit der betroffenen Kunden", betonte der VW-Konzern. Den
Kunden würden keine Nachteile durch die technischen Maßnahmen beim
Diesel-Softwareupdate entstehen.
"Die zuständigen Behörden haben ausdrücklich bestätigt, dass sich
die Durchführung der technischen Maßnahme nicht negativ auf
Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen, Motorleistung, maximalem
Drehmoment sowie die Geräuschemissionen auswirken wird", erklärte
der Autobauer.
Laut VW sind mit heutigem Stand über 92 Prozent der betroffenen
Fahrzeuge in Österreich umgerüstet. Die Serviceaktion werde "weiter
mit Hochdruck" forciert. "Die ganz überwiegende Mehrzahl" der Kunden
sei mit der technischen Maßnahme zufrieden. Nur "bei einigen
Promille" aller umgerüsteten Fahrzeuge komme es nach dem
Software-Update zu Beanstandungen. Es habe aber bisher nicht
nachgewiesen werden können, dass diese in einem Zusammenhang mit dem
Update stehen.
Am Dienstag (18. September) jährt sich das Auffliegen des
VW-Dieselskandals zum dritten Mal. Nach österreichischem Recht
drohen damit erstmals Schadenersatzansprüche von VW-Kunden zu
verjähren. In Österreich gibt es 360.000 betroffene Fahrzeuge.
Volkswagen hat mehrfach erklärt, dass dem Konzern das Ausmaß der
Strafzahlungen in den USA erst am 18. September 2015 bewusst
geworden sei, als die US-Umweltbehörde mit dem Abgasskandal an die
Öffentlichkeit ging und eine Strafe von bis zu 18 Mrd. Dollar
androhte. Als nach eigenen Nachforschungen klar wurde, dass weltweit
millionenfach Dieselautos durch eine Abschalteinrichtung manipuliert
worden waren, hat Volkswagen die Börse am 22. September 2015 in
einer Pflichtmitteilung informiert und die Gewinnziele kassiert. Die
Aufarbeitung des Betrugs hat den Konzern bereits mehr als 27 Mrd.
Euro gekostet.
Für den Arbeiterkammer-Direktor Christoph Klein ist in dem
VW-Abgasskandal "die Zeit der Samthandschuhe vorbei". Es habe in der
Causa "keinerlei Einsicht" von VW gegeben. Klein appellierte an die
Bundesregierung, in Österreich Verbraucher-Gruppenklagen möglich zu
machen. Derzeit seien die Sammelklagen mit einem hohen Prozessrisiko
verbunden. In Deutschland gebe es ab 1. November die Möglichkeit
einer Gruppenklage.
Für die betroffenen Autobesitzer fordert der VKI bei den
zivilrechtlichen Sammelklagen rund 55 Mio. Euro Entschädigung. Bei
den Sammelklagen, die an 16 Landesgerichten eingebracht wurden,
klagt der VKI einen Schaden von 20 Prozent des Kaufpreises ein. Der
VKI wurde in der Causa vom Sozialministerium und der Arbeiterkammer
beauftragt, die Sammelklagen zu organisieren. Der Streitwert für die
Feststellung der Haftung für Folgeschäden beläuft sich auf
zusätzlich 4,5 Mio. Euro. Beispielsweise könne sich durch mögliche
Dieselfahrverbote in Österreich der Gebrauchtwagenwert von
Dieselfahrzeugen weiter reduzieren.
Bei den VKI-Sammelklagen ergibt sich ein durchschnittlicher
Streitwert von rund 6.000 Euro pro Fall. Die deutsche Roland
ProzessFinanz AG hat die Finanzierung der Prozesskosten und das
Prozessrisiko für die 16 Sammelklagen gegen VW übernommen. Die
Erlösbeteiligung für den Prozessfinanzierer im Erfolgsfall beträgt
zwischen 20 und 37 Prozent, je nachdem wie lange der Rechtsstreit
dauert. Die Verbraucher tragen bei den Sammelklagen kein
Prozessrisiko.
Auch andere Sammelklagen gegen VW sind in Österreich anhängig.
Die private Wiener Plattform Cobin Claims vertritt mehr als 6.400
Fälle und hat bereits mehrere Sammelklagen gegen VW eingebracht.
"Gutgläubige Kunden haben um mindestens 20 Prozent zu viel für ein
vermeintlich nicht-manipuliertes Qualitätsprodukt bezahlt, aber in
Wahrheit ein gar nicht zum Verkehr zulassungsfähiges Auto bekommen",
so Cobin Claims am Montag in einer Aussendung. Eingeklagt werden 20
Prozent oder mehr des Kaufpreises des Wagens.
(Schluss) cri/kan
ISIN DE0007664039
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