Handelskonflikte - RBI-Brezinschek: "EU kein Musterschüler"
Experte wünscht sich Vorstoß von Österreich in Handelsfragen
im Rahmen des EU-Vorsitzes anstatt nur Thema "Sicherheit" zu
beackern
Der Handelskonflikt zwischen den
USA und China beschäftigt Exporteure, Volkswirtschafter und
Wirtschafts- bzw. Finanzanalysten gleichermaßen. Der Chefanalyst der
Raiffeisen Bank International (RBI), Peter Brezinschek, sieht
US-Präsidenten Donald Trump grundsätzlich die richtigen Fragen
stellen. "Nur gibt er die falschen Antworten", sagte der Experte am
Freitag in einem Gespräch mit Journalisten.
China und andere ehemalige asiatische Emerging Markets seien nach
wie vor sehr geschützte Volkswirtschaften und würden hohe Zölle
einheben. Dazu käme die Frage des Geistigen Eigentums, da
ausländische Unternehmen meist nur mit Joint Ventures Fuß fassen
könnten. Das bedeute gleichzeitig einen Technologietransfer. Dagegen
wollte Trump eben vorgehen, denn die US-Volkswirtschaft sei viel
offener als die asiatischen und auch offener als die europäischen
Volkswirtschaften, so Brezinschek.
Grundsätzlich habe es Trump mit seiner Handelspolitik viel
stärker auf China als auf die EU abgesehen. Sollte er sich für
höhere Zölle auf EU-Kfz entscheiden, dann würde sich das spürbar
auswirken, so der RBI-Chefanalyst. "Kommt sofort die Retourkutsche,
dann kann das natürlich weiter eskalieren." Der gesamte Konflikt
habe bisher keine dramatischen Auswirkungen auf die Stimmung von
Einkaufsmanagern in Europa gehabt. Asien ist mehr betroffen. Komme
es zu einer Eskalation würde das reale Wachstum wohl aufgefressen
werden, so der Fachmann.
Brezinschek ist überzeugt, dass Europa - "im Wissen selbst nicht
der Musterschüler zu sein" - über die höheren Zölle nachdenken
müsse, das es im Vergleich zu den USA einhebt. Eine "richtige
Antwort" wäre ein Versuch eines Handelsabkommens mit den USA - um
dann WTO-Regeln entsprechend die Zölle gegenseitig zu senken. Der
Experte bedauert, dass es nicht zu TTIP kam und würde sich einen
zweiten Anlauf wünschen. Dann könnten auch gemeinsame
Industriestandards festgelegt werden, was Vorteile gegenüber China
bedeuten würde, da man Rahmenbedingungen selbst vorgebe.
Der RBI-Chefanalyst schlug vor, dass sich Österreich im Rahmen
seiner EU-Präsidentschaft nicht nur auf "Sicherheit" konzentrieren
sondern auch einen Vorstoß in Handelsfragen tätigen könnte. Es gehe
darum, Mitgliedsländer mit Industrie- und Mitgliedsländer mit
Agrarschwerpunkt zu einigen um gemeinsam vorzugehen. "Europa ist ein
bisserl in einer Zwickmühle - es herrscht Uneinigkeit und keine
besondere Offenheit in Handelsfragen. Es gibt einzelne
Mitgliedsländer die sich ganz gerne bei gewissen Handelsthemen
abschotten. Daher soll sich Europa nicht immer als Moralapostel in
Handelsfragen darstellen", sagte Brezinschek. Österreich und Europa
sollten zeigen, "wir können noch etwas positives draus machen" und
"nicht bei den Zöllen auf die Amerikaner hinzeigen". Die EU und die
USA sollten sich stärker zusammenschließen, so der Aufruf des
Fachmanns.
(Schluss) phs/itz
ISIN AT0000606306
WEB http://www.rbinternational.com/