Strommarktdesign Energie-Hauptthema in Österreichs EU-Präsidentschaft
Grüngas mit Wasserstoff aus Wind-Überschussstrom -
Stromzonen-Trennung mit Deutschland vielleicht nur temporär -
Energiegesetz neu 2019 - "Keine Fortschritte bei Gebäuden,
Verkehr gelungen"
Die Neugestaltung des Strommarkts in Europa wird das
wichtigste energiepolitische Thema der EU-Präsidentschaft
Österreichs im zweiten Halbjahr sein. Darauf verwies
Energiesektionschef Michael Losch am Dienstag. Zum "Greening the
Gas"-Thema soll beim EU-Energierat in Linz eine
Wasserstoff-Strategie gestartet werden, um Strom und Gas besser
verknüpfen zu können.
Mit Grüngas-Strategien soll etwa überschüssiger Windstrom
abgefangen und gleichsam gasförmig gespeichert werden. 10 bis 15
Prozent Wasserstoff-Beimengung sei technisch möglich, meinte beim
Verbund-Energiefrühstück auch der Energiesprecher der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer. Er sagte, Deutschland
verfüge aktuell nur über 0,25 TWh Stromspeicher - "das reicht für 25
Minuten" -, aber über 360 TWh in Erdgasspeichern und Pipelines. Aus
Sicht von Losch sollte auch Biogas nicht verstromt, sondern auf
Erdgasqualität gebracht und integriert werden. Beim informellen
EU-Rat im September in Linz sollte zum Speicherthema eine Brücke
nach Deutschland geschlagen werden, mit visionären neuen
Technologien im Vordergrund wie etwa das
Gas-Elektrolyse-Pilotforschungsprojekt der voestalpine, in das unter
anderem auch Siemens und Linde involviert sind.
Für die Anfang Oktober kommende Aufteilung des bisher gemeinsamen
deutsch-österreichischen Strompreiszone durch
Kapazitätsbeschränkungen an der Landesgrenze erhofft sich der
Sektionschef aus dem Nachhaltigkeitsministerium einen guten Start,
schließt aber auch nicht aus, dass "man vielleicht in einigen Jahren
wieder zurückfindet zur gemeinsamen Zone". "Es geht in die falsche
Richtung, wenn sich jeder abschottet", meinte
CDU/CSU-Energiesprecher Pfeiffer dazu. Die Zonen-Aufteilung sei
"eigentlich der falsche Weg" und "sollte nur temporär sein": "Wir
müssen in Deutschland einen Netzausbau machen".
Die Entkoppelung von CO2-Ausstoß und Energieverbrauch vom
Wirtschaftswachstum sei "noch nicht gelungen", verkündete Losch für
Österreich als "schlechte Nachricht" und sprach damit auch den
Verkehrssektor und den Gebäudebestand an. Beim neuen Energiegesetz,
dessen Ministerialentwurf Anfang 2019 kommen solle, wolle man "von
den Erfahrungen in Deutschland lernen und Fehler vermeiden". Zu
dynamischen Prämien zeigte er sich skeptisch, das sei nur ein
anderes Wort für Einspeisetarife.
Dass sich in der Photovoltaik international etwas getan habe und
dass hier China und Indien viel vorlegen würden, sei "die gute
Nachricht", so Losch. Der deutsche Experte Pfeiffer plädierte dafür,
bei Ausschreibungen künftig innovationsorientierter und
technologieübergreifend vorzugehen sowie nicht mehr Leistung,
sondern elektrische Arbeit zu verlangen. "Wir brauchen gesicherte
Leistung, nicht die installierte", unterstrich dazu auch
Verbund-Generaldirektor Wolfgang Anzengruber.
Als "zweite gute Nachricht" wertete Losch, dass sich die
Unterhändler von Europaparlament und EU-Mitgliedsstaaten vorige
Woche auf die EU-Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energie
geeinigt haben. Demnach verpflichtet sich die EU, den Anteil der
erneuerbaren Energien bis 2030 auf 32 Prozent am Gesamtverbrauch,
nicht nur im Strombereich, zu erhöhen. Dies geht über den Vorschlag
der EU-Kommission von 27 Prozent von Ende 2016 hinaus, das
EU-Parlament wollte noch ehrgeizigere 35 Prozent.
Losch hofft, dass die 32 Prozent plus Review-Klausel (Überprüfung
der Ziele 2023 und allfällige Nachschärfung) aus der Vorwoche zu den
Erneuerbaren auch zum Energieeffizienz-Thema auf EU-Ebene als
Richtwert aufgegriffen werden. Dazu habe man ja vorige Woche keine
Einigung gefunden, sondern sei an der Frage 32 oder 33 Prozent
gescheitert.
Zum Strommarktdesign hat Noch-EU-Vorsitzland Bulgarien für 27.
Juni zu Gesprächen zum Thema Strommarktdesign geladen, berichtete
Losch. Es gehe dabei auch um die Frage von Regeln zu
Kapazitätsmechanismen bzw. Kapazitätsmärkten, wie es die Franzosen
nennen. Derzeit sehe die EU-Kommission dies noch als Beihilfen an.
Der Experte plädierte dafür, dass die Kapazitätsregeln nur für
Anlagen mit unter 550 Gramm CO2-Ausstoß je kWh gelten, was Polen
treffen würde. Polen müsste dazu gebracht werden, die
Kohleverstromung etwas zu reduzieren, wenn genug Windstrom aus
Deutschland im Netz sei. Entschieden werde das CO2-"Spiel" in den
großen Ländern Deutschland, Polen, Frankreich. Als "europäisches
Schildbürgertum" klassifizierte es Losch, dass Polen bis Ende 2018
nachdenke, ob man ein neues Kernkraftwerk baue. Vielleicht könne
Polen darauf verzichten, das Land müsse aber in enger Kooperation
mit Deutschland eine Perspektive erhalten. CDU/CSU-Energiesprecher
Pfeiffer sieht aus ökonomischen Gesichtspunkten keine neuen AKW mehr
in Europa: "Ein Neubau von Kernenergie wird aus meiner Sicht aus
wirtschaftlichen Gründen scheitern", verwies er auf bei einer neuen
Anlage in Finnland drohenden Kosten von 30 Cent pro kWh.
Deutschland werde sein oberstes Ziel im Rahmen der Energiewende -
die Senkung der Treibhausgasemissionen - wohl nicht erreichen, sehe
man sich die Zeit bis 2020 oder 2030 an, sagte der Vorsitzende der
deutschen Expertenkommission zum Energie-Monitoring-Prozess der
Berliner Regierung, Univ.Prof. Andreas Löschel. Dasselbe gelte für
die geplante Reduktion des Primärenergieverbrauchs. Seit einigen
Jahren gebe es beim CO2-Ausstoß keinen Rückgang, die Minus 40
Prozent gegenüber 1990 bis zum Jahr 2020 erreiche man nicht,
Schätzungen würden von 31, 32 Prozent ausgehen. Noch ambitionierter
wäre es, das Ziel für 2030 erreichen, da müsste man jährlich
eigentlich drei Mal so stark die Emissionen reduzieren, um 27 Mio.
statt um 9 Mio. t, "das ist nicht machbar", so Loschel, der auch dem
Beirat der Bundesnetzagentur angehört. Dass Deutschland die minus 40
Prozent bis 2020 nicht erreiche, liege aber auch daran, dass das
Ziel 2010, kurz vor dem AKW-Unfall Fukushima, definiert worden sei,
als Kernenergie in Deutschland noch als Mittel zur
CO2-Emissions-Reduktion angesehen worden sei, betonte Pfeiffer dazu.
Bei den Erneuerbaren erreiche Deutschland dagegen sehr wohl das
Ziel, den Anteil am Bruttoenergieverbrauch zu erhöhen, heute liege
man hier bei einem Drittel - dennoch seien die Emissionen nicht
gesunken, sagte Löschel. Das liege daran, weil man bei den Gebäuden
nicht gut vorangekommen sei, und "im Verkehrsbereich gibt es
praktisch keine Fortschritte". Bei den Zielen zur Energieeffizienz
verpasse Deutschland die meisten, etwa das Ziel, die
Energieproduktivität jährlich um zwei Prozent zu steigern, "wir
schaffen grad einmal die Hälfte". Im Verkehrssektor lasse sich die
Mehrverbrauchs-Lücke mit 11 Mio. Pkw zu quantifizieren.
Eine Belastung der konventionellen Erzeugung sei nötig, nicht nur
bei Strom, sondern auch bei Gebäuden, plädierte Löschel für eine
"CO2-Bepreisung". Ziel sollten europäische CO2-Mindestpreise sein,
komme man da nicht weiter, dann nationale Preise. Mit
CO2-Mindestpreisen könne man die Versorgungssicherheit und den
CO2-Ausstoß zusammenbringen.
In Deutschland sei die Energiewende mit der immensen Förderung
der Erneuerbaren "zu teuer installiert" worden, kritisierte Pfeiffer
die EEG-Regelung mit Preisgarantie und Mengenabsicherung: "Die
Kosten waren unnötig hoch." Denn von den in Summe 550 Mrd. Euro an
Zusagen im System seien erst 150 Mrd. Euro getilgt und 400 Mrd. Euro
in den nächsten zwanzig Jahren noch zu erfüllen. Ebenfalls einen
dreistelligen Milliarden-Betrag werde der Netzausbau kosten - etwa
um Windstrom aus dem Norden zu den Verbrauchszentren im Süden des
Landes zu bringen -, trotz mehrerer Beschleunigungsgesetze geschehe
das nur schleppend.
(Schluss) sp/ivn
ISIN AT0000746409
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