Strafzölle - Voest-Chef Eder für stärkere Gegenaktionen der EU
"Wenn notwendig, sollte Europa zu wesentlich stärkeren Waffen
greifen" - Bedrohung aus China wesentlich größer -
Problembewusstsein in der Politik gestiegen - E-Mobilität
wichtiger Bereich
Die EU sollte im Handelsstreit mit den USA
ähnlich wie Kanada noch stärker in Richtung Gegenaktionen gehen,
wünscht sich der Chef des oberösterreichischen Stahl- und
Technologiekonzerns voestalpine, Wolfgang Eder. "Es wird nicht
reichen, wenn wir bei nicht unbedingt zentralen Produkten wie
Motorräder oder Whiskey Muskeln zeigen", sagte Eder am Freitag in
der Ö1-Radiosendung "Saldo".
Grundsätzlich sei es aber richtig, zunächst zu versuchen, die
Dinge nicht eskalieren zu lassen. "Wenn es notwendig ist, sollte
Europa letztlich ganz klar sagen, okay, wenn es nicht anders geht,
dann greifen auch wir zu wesentlich stärkeren Waffen", sagte Eder.
Eine wesentlich größere Bedrohung für die europäische
Stahlindustrie komme aber aus China, der Türkei oder Russland. Hier
seien die Unternehmen und die einzelnen Länder bereits in intensiven
Diskussionen mit der EU-Kommission. "Hier kann Europa nicht zum
Mistkübel der westlichen Welt werden", so Eder. Europa sei der
einzige wirklich weitestgehend freie Markt. Das dürfte nicht
missbraucht werden, indem andere alle ihre Produkte versuchen in
Europa loszuwerden. "Dann muss man eben auch in Europa Barrieren
aufbauen", fordert Eder. Er sei zuversichtlich, dass es hier zu
einer Lösung kommen werde. "Die Frage ist dann in erster Linie, wie
hoch sollen dann die Barrieren sein".
Insgesamt sieht Eder den Handelsstreit mit den USA mit relativer
Gelassenheit: "Der Spuk geht zumeist schneller vorbei, als man
zunächst glaubt." Nordamerika werde von der Voest als langfristiger
Zukunftsmarkt für die produzierten Schlüsselprodukte gesehen, sowohl
im Bereich Automobil, Luftfahrt, Eisenbahn, Maschinenbau als auch
bei Öl und Gas. Insofern beeinflussen Barrieren auch die
Unternehmensstrategien und es müsse geprüft werden, ob es Sinn
mache, Nordamerika - oder auch China - weiter als zentralen
Zukunftsmarkt für Expansionen zu sehen. "Ich gehe aber davon aus,
dass relativ rasch die USA wieder zur Einsicht kommen werden, dass
offene Märkte für sie sowie für alle anderen die beste Lösung sind",
so Eder.
Für die Voest im kleinen Heimmarkt Österreich sei ein freier
Zugang zu den großen Weltmärkten umso wichtiger. "Von dieser
Arbeitsteilung profitiert eigentlich jeder. Man muss nur faire
Regeln aufstellen", so Eder. Langfristig bestehe kein Zweifel, dass
die Märkte zumindest überwiegend offen sein werden.
Der wichtigste Markt sei aber die EU. Gott sei Dank sei das
Bewusstsein in der EU schon so, dass man wisse, dass man langfristig
gegen die großen Wirtschafts- und Machtblöcke USA, China, vielleicht
auch Russland und irgendwann Indien, nur dann Chancen habe, wenn man
letztlich als Europa zusammenhält. Insofern habe man für zwei
Drittel des Umsatzes eine sehr solide Ausgangsposition.
"Wir haben in Europa die Tendenz, dass die Politik begreift, dass
die Industrie ein ganz zentraler Zukunftsbaustein des Wohlstandes
ist und bleiben wird müssen", so Eder. Also sei es auch nicht
ausgeschlossen, dass in Österreich ein komplett neues Werk gebaut
werde. Diese Frage hänge eng mit der Energiekostenentwicklung
zusammen. "Vom Wissen der Menschen, der Einsatzbereitschaft, dem
Zugang zur Digitalisierung, würde ich mir in Österreich keine Sorgen
machen", so Eder.
Von der heimischen Politik erwartet sich der Voest-Chef vor allem
eine rasche, sinnvolle und zielorientierte Bildungsreform, mehr
Entbürokratisierung, auf der Steuerseite eine im internationalen
Vergleich nicht stärkere Belastung sowie die Zurverfügungstellung
und den Ausbau der Zukunftsinfrastruktur - nicht nur bei Breitband,
sondern auch bei trivialen Dingen wie ein Eisenbahn- und
Straßennetz, das zukunftssicher ist.
Über den Zugang der ÖVP/FPÖ-geführten Regierung zur Wirtschaft
will Eder noch kein endgültiges Urteil abgeben. Es gebe Ansätze, die
Hoffnung geben, manchmal wünsche er sich mehr Dynamik. "Ich glaube
schon, dass die Politik begriffen hat, dass es notwendig ist, dieses
Land auf einer breiten Front zu entschlacken, von Dingen, die im
Laufe der letzten 30 bis 40 Jahre im Zuge der Entwicklung des
Wohlstandes mitgewachsen sind. Nicht von positiven Teilen, sondern
eher von Dingen, die durch Behäbigkeit die Zukunft einschränken.
Bürokratie und Steuern sind so ein Thema", führte Eder aus. Das
Bewusstsein gehe in die richtige Richtung, die Prioritätensetzung
könnte aber pointierter sein. So würden etwa Steuerbegünstigungen
von Investitionen Arbeitsplätze schaffen und die Zukunft sichern.
Die voestalpine werde ihren Weg der letzten 15 bis 20 Jahre
konsequent fortsetzen. Vom Material her und beim Produktionsprozess
sei noch enorm viel Potenzial drinnen. Man werde die Position dort
weltweit ausbauen, wo man schon führend sei. Es gebe aber auch noch
einige Segmente, wo die Voest diese Position erreichen wolle.
Ein wichtiger Bereich werde etwa die Elektromobilität werden. Die
voest werde beim Elektromotor wahrscheinlich von Beginn weg ein
zentraler Spieler sein. Hier sieht Eder die Möglichkeiten,
langfristig 10 bis 15 Prozent des Umsatzes zu machen. Ein des
Umsatzes mit der Autoindustrie von rund 35 Prozent könnte in Zukunft
auf die E-Mobilität fallen.
Er werde nach seinem Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat der
voestalpine sicher nicht den "Obergeneraldirektor" spielen und
versuchen, das Handwerk des Vorstandes zu übernehmen, meinte Eder,
der den Vorstandsvorsitz im Sommer abgeben wird. Zum übergangslosen
Wechsel in den Aufsichtsrat habe er sich nicht aufgedrängt, vielmehr
sei dies der Wunsch des Aufsichtsrates im Interesse der Kontinuität
und Unterstützung der Strategie gewesen. Dass er auch
Aufsichtsratschef bei Infineon werden soll, habe nichts mit seinem
Ego zu tun, sondern mit der Freude, konstruktiv im
Wirtschaftsgeschehen weiter mit dabei sein zu können.
(Schluss) ggr/phs
ISIN AT0000937503
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