EuGH zu Reisepässen & Co - Österreich schreibt künftig unionsweit aus
Direktvergabe an Staatsdruckerei verurteilt - Innenminister
muss Staatsdruckereigesetz anpassen - Kickl hätte Produktion
und Datenverarbeitung von Sicherheitsdokumenten lieber in
Österreich
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat der
Republik Österreich heute auf die Finger geklopft. Die direkte
Vergabe der Druckaufträge von Sicherheitsdokumenten wie etwa
Reisepässen an die Staatsdruckerei stellt aus EU-Sicht eine
Vertragsverletzung dar. "Künftig wird die Vergabe des Drucks
sensibler Inhalte unionsweit ausgeschrieben", teilte das
Innenministerium in einer ersten Reaktion darauf mit.
"Das Innenministerium nimmt das Urteil zur Kenntnis, auch wenn
bemerkenswert erscheint, dass der Europäische Gerichtshof
Sicherheitsinteressen niedriger gewichtet als Interessen des
Wettbewerbs", meinte Innenminister Herbert Kickl zu der
Entscheidung. Nach Rechtsansicht Österreichs sei die Beauftragung
ohne Vergabeverfahren beim Druck von Sicherheitsdokumenten wie
Reisepässen aufgrund der Gefahr durch internationalen Terror und
angesichts reisender Täter, etwa Foreign Terrorist Fighters zur
Wahrung wesentlicher Sicherheitsinteressen gerechtfertigt gewesen.
Die Österreichische Staatsdruckerei (OeSD) selbst reagierte
gelassen auf den EuGH-Spruch. Das Urteil sei bereits seit dem Herbst
so zu erwarten gewesen. Die Staatsdruckerei sieht sich auch im
internationalen Vergleich als äußerst konkurrenzfähig. "Das
Unternehmen ist gut aufgestellt und unsere Angebote sind
wettbewerbsfähig - wir haben in den letzten beiden Jahren
Identitätsdokumente und -systeme in über 25 Länder verkauft", so
Geschäftsführer Lukas Praml in einer Aussendung.
Das Innenministerium wird eigenen Angaben von heute, Dienstag,
zufolge "umgehend alle Schritte ergreifen, um die Sicherheit der
Pässe zu gewährleisten und dem Urteil gerecht zu werden". Dazu
sollten ein dem Urteil entsprechendes Vergabeverfahren eingeleitet
und gleichzeitig Maßnahmen zum Erhalt der hohen Sicherheitsstandards
der österreichischen Pässe gesetzt werden.
"Die bisherige Praxis der Direktvergabe auf Grundlage des
Staatsdruckerei-Gesetzes trug den speziellen hohen
Sicherheitsanforderungen im Bereich der Sicherheitsdokumente in
Österreich Rechnung - jetzt bedarf es rascher Maßnahmen zur weiteren
Gewährleistung der Sicherheit in diesem Bereich", betonte
Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ). Die bisherige Lösung sei nach
österreichischer Rechtsauffassung EU-rechtskonform gewesen. "Man
muss die Rechtsprechung des EuGH zur Kenntnis nehmen und mit
Hochdruck an einer Lösung arbeiten, die dem Urteil Rechnung trägt
und gleichzeitig die höchstmögliche Sicherheit gewährleistet."
"Beim Vergabeverfahren wird es strenge Anforderungen an den
Dienstleister hinsichtlich behördlicher Kontrollbefugnisse geben",
ließ das Innenministerium wissen. Sowohl die Produktion als auch die
Datenverarbeitung sollten in Österreich erfolgen, Mitarbeiter
müssten einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden. Außerdem
sollten personenbezogene Daten nicht über ausländische Server
laufen. Die Finanzprokuratur solle das Vergabeverfahren begleiten.
Kickl wird laut Innenministerium "rasch Gespräche über eine
entsprechende Anpassung des Staatsdruckereigesetzes aufnehmen".
Konkret verurteilte der Europäische Gerichtshof Österreich wegen
der Direktvergabe öffentlicher Aufträge für Ausweise und amtliche
Dokumente an die private Staatsdruckerei. Österreich habe gegen
EU-Bestimmungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge verstoßen,
urteilten die Luxemburger EU-Richter heute, Dienstag. Damit gab der
EU-Gerichtshof der EU-Kommission in dem Rechtsstreit (C-187/16)
weitgehend Recht.
Der Verstoß gegen EU-Recht sei erfolgt, indem Österreich
Dienstleistungsaufträge über die Herstellung von Reisepässen mit
Chips, Notpässen, Aufenthaltstiteln, Personalausweisen,
Führerscheinen im Scheckkartenformat und Zulassungsbescheinigungen
im Chipkartenformat ohne vorherige Ausschreibung auf EU-Ebene
unmittelbar an die Österreichische Staatsdruckerei GmbH vergeben
habe und indem Österreich nationale Vorschriften beibehalten habe,
nach denen die öffentlichen Auftraggeber diese
Dienstleistungsaufträge ohne vorherige Ausschreibung auf EU-Ebene
unmittelbar an diese Gesellschaft vergeben müssen.
(Schluss) kre/kan
ISIN AT00000OESD0
WEB http://www.staatsdruckerei.at