Grasser-Prozess - Verteidigung im wilden Ritt durch die Causen
Grasser-Anwalt Wess: "Mein Mandant ist beruflich ruiniert,
Operation gelungen, Patient tot" - BILD
Am dritten Tag des Untreueprozesses gegen
Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und 13 andere versuchte heute,
Donnerstag, Grasser-Anwalt Norbert Wess die Anklage der
Staatsanwaltschaft in einem wilden Ritt durch angeklagte und nicht
angeklagte Causen zu erschüttern. Und er stellte klar: "Unser
Mandant ist nicht schuldig, er wird sich nicht schuldig bekennen."
Nachdem gestern die Korruptionsstaatsanwaltschaft von "Geld, Gier
und Geheimnissen" als roter Faden in der Anklage zum Verkauf der
Buwog und der Einmietung von Finanzbehörden in den Linzer Terminal
Tower sprach, drehte Wess heute den Spieß um und kündigte an
"Zeugen, Daten und Fakten" zu präsentieren. Vor allem zu Beginn
seines Plädoyers strapazierte Wess aber eher die Nerven der
Anwesenden mit ausführlichen Bemerkungen zu Causen, die vom
Oberlandesgericht Wien aufgehoben oder zu Ermittlungen
zurückverwiesen wurden - also gar nicht angeklagt sind.
Der laut Anklage "gemeinschaftliche Tatplan" von Grasser und
seinen ehemaligen Freunden Walter Meischberger, Peter Hochegger und
Ernst Karl Plech, sich in Grassers Amtszeit bei Privatisierungen und
anderen Amtshandlungen des Finanzministers zu bereichern, wurde von
Wess wortreich zurückgewiesen. Hintergrund dazu: Willibald Berner,
damals Kabinettschef von Verkehrsminister Michael Schmid (FPÖ),
hatte ausgesagt, er sei von Hochegger informiert worden, dass ein
kleiner Kreis von Persönlichkeiten der FPÖ - einerseits um Grasser,
andererseits um den damaligen FPÖ-Chef und Kärntner Landeshauptmann
Jörg Haider - sich bei diversen Privatisierungsprojekten bereichern
wolle.
Dass die Immofinanz im Bieterverfahren um die Bundeswohnungen
(Buwog u.a.) nur um eine Million mehr geboten hat als der Zweite,
die Ca Immo, ist laut Wess leicht zu erklären, denn schließlich habe
laut Zeugenaussage "die halbe Stadt" gewusst wie hoch das Angebot
der Ca Immo sein könne, nämlich 960 Mio. Euro. Dies konterte der
Anwalt der CA Immo, die hier als Privatbeteiligte auftritt, vor
Journalisten damit, warum dann 9,6 Mio. Euro an Meischberger und
Hochegger für den Tipp zur Auktionshöhe geflossen sind, wenn die
Summe ohnehin allgemein bekannt war.
Sollte es zu einer Verurteilung von Grasser kommen, könnte dies
für die Republik sehr teuer werden - denn der CA Immo ist nach
Eigenangaben durch die Schmiergeldzahlung, so sie denn stattgefunden
hat, ein Schaden von 200 Mio. Euro entstanden. Und hier werde man
sich wohl an der Republik schadlos halten, so Anwalt Johannes Lehner
zur APA. Die Republik könnte wiederum über ein Zivilverfahren das
Geld von Grasser zurückfordern. Oder der Schöffensenat weist die
Schadenswiedergutmachung direkt Grasser und anderen zu.
Dass Grasser alles daran gesetzt habe, dass es beim Buwog-Verkauf
zu einer zweiten Bieterrunde komme, damit dann der "richtige" Bieter
den Zuschlag erhält und Schmiergeld fließt - wie die Anklage
behauptet - wies Wess heute ebenfalls zurück. Grasser habe sich hier
auf seine Berater verlassen. Und im übrigen gebe es überhaupt kein
Indiz dafür, dass der entscheidende Tipp, wie viel die Immofinanz
bieten muss um den Buwog-Zuschlag zu erhalten, von Grasser komme.
Dass der Baukonzern Porr, der Teil des siegreichen
Bieterkonsortiums für den Terminal Tower Linz war, in einer
Aktennotiz festgehalten hat, dass es die Möglichkeit gibt, mit einer
"700.000-Euro-Zahlung an die Finanz bzw. allenfalls namhaft gemachte
Dritte" das Finanzministerium zur Einmietung von Finanzbehörden in
den Linzer Terminal Tower zu bewegen, ist für Wess kein Hinweis auf
eine Bestechung, sondern durchaus branchenüblich.
Die genannten 700.000 Euro seien in Wirklichkeit für
Zusatzleistungen der Finanzbehörden bestimmt gewesen, wie etwa ein
neues Zutrittssystem. Des weiteren betonte Wess, dass Grasser in den
Notizen der Porr mit keinem Wort vorkomme. Das gleiche gelte auch
für das Wort "Bestechung".
Laut Anklage sollen letztendlich 200.000 Euro an Grasser und
seine damaligen Freunde Ernst Karl Plech, Walter Meischberger und
Peter Hochegger geflossen sein. Die Verteidigung bestreitet, dass
die 200.000 Euro-Zahlung an Hochegger irgendetwas mit Grasser bzw.
einer Bestechung zu tun gehabt hätte.
Einmal mehr wies die Verteidigung von Grasser auf die ihrer
Meinung nach "mediale Vorverurteilung" hin. "Mein Mandant ist
beruflich ruiniert, Operation gelungen, Patient tot", so Wess.
Zu Beginn des heutigen Prozesstages im Großen Schwurgerichtssaal
des Wiener Straflandesgerichtes hatte der Verteidiger des
mitangeklagten Gerald Toifl, der früher selber Anwalt war und Walter
Meischberger vertreten hatte, die Beseitigung eines von der
Staatsanwaltschaft gestern präsentierten E-Mails seines Mandanten
beantragt, das auch in der Anklageschrift zitiert ist. Hinsichtlich
dieser Unterlage bestehe ein Beweisverwertungsverbot, so der
Verteidiger. Inhalt des Toifl-Mails: "Habe do auf fr nacht mit
meischberger (ex-fpoe) und grasser verbracht, ergebnis war
selbstanzeige fuer meischi......hintergrund ist top-story im format
dieser woche, dazu wuerde ich zum kauf buwog gerne auch deine
strafrechtliche meinung wissen, lies die mal die geschichte vom
sankholkar, sie stimmt, betrug, amtsmissbrauch, untreue, eigene
straftatbestaende im vergabeverfahren? da rollt einiges auf uns
zu...." Laut Staatsanwaltschaft kann die E-Mail allerdings verwendet
werden.
Der Prozess wird morgen, Freitag, um 9:30 fortgesetzt. Sollte es
zu keinen Überraschungen kommen, ist dann der Verteidiger des
Zweitangeklagten Walter Meischberger am Zug. Meischberger hat nach
Eigenangaben vor Gericht einen Pflichtverteidiger, also einen
Rechtsvertreter, den der Staat stellt und bezahlt. Das gleiche
trifft auch auf Hochegger zu.
(Schluss) stf/gru/tsk
ISIN AT00BUWOG001 AT0000609607
WEB http://www.buwog.at
http://www.porr-group.com