Wiener Börse für Fidelity-Österreich-Chef in "Negativspirale"
Lessing: Weniger Marktteilnehmer führen zu weniger Liquidität
- Potenzial wäre da - "Richtig gute" Unternehmen in Österreich
- Politik soll stärkere institutionelle Voraussetzungen
schaffen
Fidelity-Österreich-Chef Adam Lessing sieht die
Wiener Börse in einer Art "Negativspirale", weil weniger
Marktteilnehmer auch zu weniger Liquidität geführt haben. "Es fehlt
nicht viel, es gibt richtig gute Unternehmen in Österreich. Das
Potenzial wäre da", sagte Lessing im APA-Interview. Österreichs
Politik müsse "stärkere institutionelle Voraussetzungen" schaffen,
um die Börse zu stärken.
"Österreich hat derzeit kein investmentfreundliches Klima", so
die Einschätzung von Lessing, der auch für den Vertrieb von
Fidelity-Fondsprodukten in Osteuropa zuständig ist. In der Politik
gebe es Zurückhaltung die Wiener Börse wieder attraktiver zu machen.
"Eine sehr viel stärkere Fokussierung auf die kapitalgedeckte
Pensionsvorsorge wäre notwendig", lautet einer der Vorschläge des
Fidelity-Österreich-Chefs. Außerdem müsse der Zwang zu Garantien bei
der kapitalgedeckten Vorsorge zurückgenommen werden.
Leise Kritik übte Lessing an heimischen Firmen, welche die
betriebliche Vorsorge vernachlässigen würden. "Die österreichischen
Unternehmen haben sich aus ihrer Verantwortung bei den
Betriebspensionen für ihre Mitarbeiter herausgestohlen. Österreich
ist bei Betriebspensionen im Vergleich zum Bruttonationalprodukt
eines der Schlusslichter", so der Fidelity-Österreich-Chef. Die
Schweiz habe trotz einer sehr guten staatlichen Pensionsvorsorge
auch hohe Betriebspensionen.
Um die Wiener Börse machen große globale Fonds tendenziell einen
Bogen. Fidelity-Fonds sind laut Lessing nicht in Aktien der Wiener
Börse investiert, weil die tägliche Liquidität an der heimischen
Börse für den Fondsanbieter zu gering ist. "Hineinkommen sie immer,
aber nicht hinaus". Ohne große Marktteilnehmer werde sich die Börse
schwertun, entsprechende Volumina zu generieren, so der
Fidelity-Österreich-Chef. "Wir würden es total gerne sehen, wenn es
mehr Volumen an der Wiener Börse gibt."
Österreichische Unternehmen planen ihren Börsengang nun öfters an
ausländischen Börsen oder verlegen ihre Aktiennotierung ins Ausland.
Um Novomatic hat es zuletzt Börsespekulationen gegeben. Laut
Finanzkreisen überlegt Novomatic ein Initial Public Offering (IPO)
von 20 bis 30 Prozent der Anteile. Ein Börsengang ist demnach in der
zweiten Jahreshälfte in London oder Frankfurt angedacht. Novomatic
würde an der Börse mit mehr als 6 Mrd. Euro bewertet.
Laut dem Fidelity-Österreich-Chef ist es für heimische Firmen
hierzulande schwierig Kapital aufzunehmen. "Wo soll das herkommen?
Dann landen sie plötzlich in Frankfurt oder New York. Und dann ist
die Überraschung groß."
Weltweit managt Fidelity International Kundengelder in Höhe von
267 Mrd. Euro (Assets under Management). Fidelity verwaltet für
österreichische, tschechische, slowakische, ungarische und polnische
Kunden insgesamt ein Fondsvermögen von 3,18 Milliarden Euro, davon
rund 2 Mrd. von österreichischen Kunden. Fidelity verschließt sich
auch nicht dem Trend zu passiv verwalteten Indexfonds (ETF), die
wesentlich geringere Gebühren haben als aktive gemanagte Fonds. Seit
kurzem bietet Fidelity auch zwei ETF-Produkte an.
(Schluss) cri/ggr