Grasser-Anklage genehmigt - Prozess "nicht vor Sommer" erwartet
OLG-Wien-Sprecher: Umfangreicher Akt - Anklage gegen
Ex-Minister selten
Nachdem das OLG Wien nun die Anklage gegen
Ex-Finanzminister Grasser großteils genehmigt hat, wird ein Prozess
vor einem Schöffengericht am Landesgericht für Strafsachen in Wien
stattfinden. "Es ist ein umfangreicher Akt, das Oberlandesgericht
Wien hat einige Monate gebraucht um zu entscheiden", sagte
OLG-Sprecher Reinhard Hinger zur APA. Er erwarte den Start der
Hauptverhandlung nicht vor Sommer.
Die Entscheidung des OLG Wien über die Anklageeinsprüche umfasst
167 Seiten, die ursprüngliche Anklage - verfasst von der
Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft - hat über 800
Seiten. Der Prozess wird vor einem Schöffengericht mit zwei
Berufsrichtern und zwei Schöffen stattfinden. Die Richter dürfen
bisher noch nicht in der Causa tätig gewesen sein.
Eine Anklage gegen einen früheren Minister einer Bundesregierung
sei in der österreichischen Justiz zwar nicht erstmalig, aber so
etwas passiere eher selten, meint Hinger.
Neben Grasser angeklagt sind die Lobbyisten Peter Hochegger und
Walter Meischberger, der Immobilienunternehmer und
Ex-Buwog-Aufsichtsrat Ernst Karl Plech, Ex-Immofinanz-Chef Karl
Petrikovics, der Ex-Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank (RLB)
Oberösterreich, Ludwig Scharinger, RLB-Vorstandsdirektor Georg
Starzer, Meischbergers früherer Anwalt Gerald Toifl, Führungskräfte
des Baukonzerns Porr, ein Salzburger Jurist und ein Schweizer
Vermögensberater - insgesamt sind es 15 Angeklagte.
In dem Polit-Wirtschaftskrimi stehen Grasser, ein früherer
FPÖ-Politiker, der später in Diensten der ÖVP tätig wurde, sowie
dessen Trauzeuge Walter Meischberger, ein weiterer ehemaliger
Freiheitlicher Spitzenfunktionär, im Blickpunkt. Es geht um den
Vorwurf der Bestechung bzw. Geschenkannahme durch einen Amtsträger,
nämlich Grasser, sowie um Untreue auf Seiten der Bestechenden bzw.
Beteiligung daran. Der damalige Finanzminister soll sich beim
Privatisierungsverfahren der Bundeswohnbaugesellschaften und bei
einer Entscheidung über einen Mietvertrag der Finanzbehörde im
Linzer Terminal Tower bestechen haben lassen sollen, so der Vorwurf.
Meischberger und Hochegger sollen Grassers Mittelsmänner gewesen
sein, der Immobilienmakler Ernst Karl Plech soll als Immo-Experte
bei den Deals geholfen haben. Alle bestreiten die Vorwürfe, für alle
gilt die Unschuldsvermutung.
Bei der Privatisierung der Bundeswohnungen (Buwog u.a.) durch
Grasser im Jahr 2004 floss eine damals geheime Zahlung von fast 10
Mio. Euro - 1 Prozent des Kaufpreises - von der im Bieterverfahren
siegreichen Immofinanz nach Liechtenstein. Grasser soll sein
Insiderwissen als Minister ausgenutzt haben, um - über den Umweg von
Hochegger und Meischberger - den entscheidenden Tipp zu geben und
sich selber mit Schmiergeld zu bereichern. Die Provision ging an
Hochegger und Meischberger, das Geld floss über Zypern nach
Liechtenstein. Grasser bestreitet, von dem Geld profitiert zu haben.
In der zweiten Causa geht es um die Einmietung der
oberösterreichischen Finanz- und Zollämter im Linzer Terminal Tower
im Jahr 2006. Das Hochhaus am Linzer Hauptbahnhof war ein
Gemeinschaftsprojekt von Porr, Raiffeisen OÖ und Raiffeisen Leasing.
Damals floss eine "Vermittlungsprovision" von 200.000 Euro via
Hochegger an Meischberger, der das Geld nach Liechtenstein
transferierte. Dort landete es auf jenen drei Konten, wo schon der
Großteil der Buwog-Millionenprovision hingeflossen war. Die Zahlung
soll Schmiergeld für die Entscheidung des Finanzministers gewesen
sein, dass sich die Finanz im Gebäude einmietet, so der Vorwurf.
Auch hier bestreitet Grasser die Vorwürfe.
(Schluss) gru/cri
ISIN AT00BUWOG001
WEB http://www.buwog.at