wiiw-Studie: Ukrainischerer Wiederaufbauplan hat Schwächen
Potenzielles Wirtschaftswachstum wird überschätzt - Geplante
Steuersenkung sei kontraproduktiv
Der Wiederaufbauplan der
ukrainischen Regierung (National Recovery Plan) weist eine Reihe von
Defiziten auf. Zu diesem Schluss kommt das Wiener Institut für
Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) in einer Studie
gemeinsam mit dem GROWFORD Institut in Kiew. Etwa werde das
Wachstumspotenzial der ukrainischen Wirtschaft überschätzt. Dennoch
seien in den Plänen enorme Anstrengungen zu erkennen, schreibt das
wiiw in einer Aussendung am Dienstag.
Der Wiederaufbauplan der ukrainischen Regierung (National
Recovery Plan) geht von Kosten in Höhe von 750 Mrd. US-Dollar (750,5
Mrd. Euro) aus. Wobei Militärausgaben in Höhe von 50 Mrd. Dollar
enthalten seien. Zwei Drittel davon, also 500 Mrd. Dollar, sollen
von ausländischen Geldgebern kommen.
Zu den Stärken des Wiederaufbauplanes zähle etwa das Bestreben,
institutionelle Reformen in Angriff zu nehmen, die Macht der bisher
allgegenwärtigen Oligarchen zu beschneiden und die Ukraine an
EU-Standards heranzuführen.
In der Studie gehen wiiw und GROWFORD Institut davon aus, dass
die intensivste Phase des Krieges bis Mitte nächsten Jahres dauern
wird. Die internationalen Geldgeber müssten laut der Studie mit rund
410 Mrd. Dollar etwas weniger zum Wiederaufbau beisteuern, heißt es
in der Studie. Dieser Betrag steht im Einklang mit anderen
einschlägigen Schätzungen. "Die EU, die ein starkes Eigeninteresse
an einer demokratischen und prosperierenden Ukraine hat und das Land
ja auch zum Beitrittskandidaten gemacht hat, wird daher ihre
Anstrengungen in diesem Bereich massiv verstärken müssen", betont
Co-Autor Richard Grieveson, stellvertretender Direktor des wiiw.
Ein anderer Kritikpunkt ist der Plan, die Steuern- und
Abgabenquote auf 30 Prozent des BIP zu drücken. Dies sei unvereinbar
mit den hunderten Milliarden Dollar, die der Wiederaufbau kosten
werde. "Auch bei der Verteilung der Mittel auf die einzelnen
Sektoren sowie bei den Plänen für die Industriepolitik und den
Finanzsektor sind Anpassungen notwendig" führte Tetiana Bogdan,
wissenschaftliche Direktorin des GROWFORD Instituts in Kiew und
Gastforscherin am wiiw, an.
Unrealistisch erscheine das im Wiederaufbauplan formulierte Ziel
einer Verfünffachung der Wirtschaftsleistung von etwas über 100 Mrd.
Dollar im heurigen Jahr auf 500 Mrd. Dollar im Jahr 2032. Das lege
auch der Vergleich mit anderen ehemaligen Kriegsgebieten nahe.
Bosnien-Herzegowina habe gerade einmal eine Verdreifachung des BIP
zwischen 1996 und 2005 geschafft, Kroatien eine Verdoppelung von
1994 bis 2003.
In der Studie wird auch der dezentrale Ansatz kritisch
beleuchtet: "In den meisten Fällen sollte der Wiederaufbau auf
nationaler Ebene koordiniert werden", gibt Michael Landesmann,
ehemaliger wissenschaftlicher Direktor des wiiw und Co-Autor der
Studie, zu bedenken. Der Wiederaufbauplan sehe vor, die Projekte in
bestimmten Regionen unter Führung eines internationalen Partners zu
konzentrieren. Großbritannien habe sich etwa bereit erklärt, den
Wiederaufbau in der Region Kiew zu übernehmen, Dänemark will sich
auf Mikolajew konzentrieren, Schweden auf Odessa.
Die Einstufung der Schwerindustrie und der Agrarproduktion als
Sektoren mit hoher Wertschöpfung wird ebenfalls kritisiert. Es
handle sich dabei um eine rückwärtsgewandte Industriepolitik, statt
die Gelegenheit für einen Strukturwandel hin zu einer nachhaltigen
und grünen Wirtschaft zu forcieren. Dabei hätte die Ukraine gerade
im IT-Bereich oder bei Umwelttechnologien großes Potenzial, merkte
Landesmann an.
fel/cgh
ISIN
WEB http://www.wiiw.ac.at/
ISIN AT00BUWOG001 AT0000809058
WEB http://www.buwog.at
http://www.immofinanz.com
http://www.rlbooe.at