Konjunktur
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Datum/Zeit: 27.11.2021 14:22 Quelle: Konjunktur - Presseaussendung |
Rekord-Inflationsdruck und Sorgen wegen COVID-19
überschatten beschleunigtes Wachstum der Eurozone
Nach dem 6-Monatstief im Oktober hat sich das
Wirtschaftswachstum der Eurozone im November
wieder beschleunigt. Einher ging dies allerdings mit
einem Rekordanstieg der Einkaufs- und
Verkaufspreise.
Ungeachtet der Tatsache, dass die Unternehmen ihr
Personal mit der zweithöchsten Rate seit über 21
Jahren aufstockten, um der anziehenden Nachfrage
Herr zu werden, ging der Geschäftsausblick
aufgrund von Sorgen hinsichtlich der Coronavirus-Pandemie und der anhaltenden Lieferengpässe auf
ein 10-Monatstief zurück.
Der IHS Markit Flash Eurozone Composite Index
Produktion stieg im November erstmals seit vier
Monaten wieder und gewann gegenüber dem 6-
Monatstief von Oktober 1,6 Punkte auf 55,8 hinzu.
Der Langzeit-Durchschnittswert von vor der
Pandemie von 53,0 Punkten wurde damit zwar
erneut übertroffen, der vorläufige Mittelwert von 55,0
Punkten für das vierte Quartal 2021 liegt jedoch
deutlich unter den 58,4 vom dritten Quartal. Dies
deutet auf eine Wachstumsabschwächung im
Schlussquartal 2021 hin.
Auf Sektorenebene schnitten die Dienstleister mit
einem 3-Monatshoch bei der Geschäftstätigkeit zum
dritten Mal hintereinander besser ab als die
Hersteller, wo die Produktionssteigerungsrate trotz
leichter Beschleunigung die zweitniedrigste seit 17
Monaten war.
Dank leicht verstärkter Auftragszuwächse ging es in
beiden Sektoren weiter aufwärts, die Nachfrage fiel
jedoch sektorübergreifend deutlich schwächer aus
als in den Sommermonaten.
Die Industrie geriet vor allem wegen des dritten
Produktionsrückgangs im Automobilsektor erneut ins
Stottern. Immerhin stieg die Fertigung bei den
Herstellern von Technikequipment, Nahrungsmitteln
& Getränken sowie Haushaltswaren kräftig an.
Im Servicesektor schnitt der Bereich Tourismus &
Freizeit diesmal am schlechtesten ab, hier sank die
Zuwachsrate wegen der steigenden Infektionszahlen
auf ein 6-Monatstief.
Auf Länderebene waren Deutschland und Frankreich
im Aufwind. Letzteres schnitt zum zweiten Mal
hintereinander besser ab als Deutschland, da die
wiederholt rückläufige Industrieproduktion hier vom
stärksten Geschäftswachstum des Servicesektors
seit knapp vier Jahren überkompensiert wurde. Die
übrigen von der Umfrage erfassten Länder
vermeldeten sowohl im verarbeitenden Gewerbe als
auch im Dienstleistungssektor höhere
Steigerungsraten als Frankreich und Deutschland.
In Deutschland schwächelte vor allem die Industrie
und auch der Servicesektor wuchs nur mit
angezogener Handbremse, wenngleich sich die
Zuwachsraten in beiden Sektoren gegenüber
Oktober verbesserten.
Das gedämpfte Produktionswachstum ging laut
Befragten erneut vor allem auf Lieferprobleme
zurück. Die Vorlaufzeiten verlängerten sich abermals
so stark wie selten zuvor in den zurückliegenden
zwei Jahrzehnten. Das Ausmaß der Verlängerung
verbesserte sich gegenüber Oktober nur geringfügig,
da es nach wie vor zu Lieferengpässen und
Transportproblemen kam.
Befürchtungen hinsichtlich der Nachschubprobleme
trugen mit dazu bei, dass die Bestände an
Vormaterialien in der Industrie zum zweiten Mal
hintereinander mit Rekordrate aufgestockt wurden.
Obwohl sich der Jobaufbau sowohl in der Industrie
als auch im Servicesektor beschleunigte und
insgesamt zum zweitstärksten Beschäftigungsplus
seit 21 Jahren führte, nahmen die Auftragsbestände
schneller zu als in den beiden Vormonaten, was auf
anhaltende Kapazitätsengpässe hindeutet. Am
stärksten stiegen die unerledigten Aufträge in der
Industrie, angeführt von Deutschland, aber auch im
Dienstleistungssektor nahmen die noch nicht
fertiggestellten Aufträge in größerem Umfang zu.
Materialengpässe waren erneut die Hauptursache
für höhere Einkaufspreise für Waren und
Dienstleistungen. Hinzu kamen gestiegene Fracht-,
Personal- und Energiekosten. Folglich legten die
Einkaufspriese im November zum zweiten Mal
hintereinander mit neuer Rekordrate zu, und zwar
sowohl in der Industrie als auch im Servicesektor.
Auch der Anstieg der Verkaufspreise beschleunigte
sich in beiden Sektoren auf den jeweils höchsten
Wert seit Beginn der Datenerhebung vor knapp
zwanzig Jahren, da die Unternehmen bestrebt
waren, ihre höheren Kosten an die Kunden
weiterzugeben, insbesondere in Deutschland.
Die Geschäftsaussichten sanken auf den niedrigsten
Stand seit Januar. Dabei wurden die aufgrund der
Lieferketten-Problematik ohnehin schon großen
Sorgen durch wachsende Bedenken hinsichtlich der
Auswirkungen weiterer Corona-Infektionswellen
noch verstärkt, was den Ausblick vor allem im
Servicesektor eintrübte. In der Industrie fiel er
hingegen wieder optimistischer aus als beim 1-
Jahrestief im Oktober, dennoch blieb er wegen der
Angebots- und Preisprobleme gedämpft.
Chris Williamson, Chief Business Economist bei
IHS Markit, kommentiert den aktuellen Eurozone
Flash-PMI:
„Der beschleunigte Wirtschaftsaufschwung strafte
im November die pessimistischen Erwartungen der
Ökonomen Lügen. Nichtsdestotrotz scheint es
unvermeidlich, dass die Eurozone im vierten
Quartal 2021 einen Knick beim Wachstum
verzeichnen wird. Vor allem die wieder steigenden
Infektionszahlen dürften im Dezember zu weiteren
Störungen und Geschäftseinbußen führen.
Die Industrie wurde erneut durch Lieferengpässe
gebremst, was die Produktionssteigerungsrate auf
einen der tiefsten Werte seit dem ersten Lockdown
im vergangenen Jahr sinken ließ. Die stärkeren
Geschäftszuwächse im Servicesektor könnten sich
indes als frustrierend kurzlebig erweisen, sollten
neue pandemiebedingte Restriktionen verhängt
werden müssen. In der Reise- und Freizeitbranche
hat sich das Wachstum seit dem Sommer ja bereits
deutlich abgeschwächt.
Da es nach wie vor zu rekordverdächtigen
Verzögerungen bei der Zulieferung kommt und die
Energiepreise weiter in die Höhe schießen, hat der
Inflationsdruck mittlerweile ein Niveau erreicht, das
alles bisher Dagewesene bei Weitem übertrifft.
So ist es keine Überraschung, dass die
Geschäftsaussichten angesichts der Kombination
aus Lieferengpässen, exorbitant steigenden Kosten
und erneuten pandemiebedingten Sorgen auf den
niedrigsten Stand seit Januar zurückgegangen
sind. Zudem verstärkt dies die kurzfristigen
Abwärtsrisiken für die Wirtschaft der Eurozone."
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