Neuer Agrana-Chef könnte Konzern neue Strukturen verpassen
Mühleisen will Divisions- und Nachhaltigkeitsstrategie
schärfen sowie Kunden- und Marktnähe ausbauen - Dafür könnte
sich Unternehmensorganisation ändern - Jahresergebnis 21/22
soll steigen
Nach seinem ersten Quartal als Agrana-Chef betont
Markus Mühleisen die volatilen Zeiten, in dem sich die Wirtschaft
und damit sein Konzern bewegt - vor allem bezogen auf den Rohstoff-
und Energiebereich sowie Corona. "Wir sind optimistisch und
zuversichtlich, aber es kann viel passieren", sagt Mühleisen zum
Jahresziel, das EBIT um 10 Prozent zu steigern, obwohl das aktuelle
Halbjahresergebnis unter der Vorjahresperiode liegt. Der Konzern
könnte neue Strukturen bekommen.
Apfel-, Erdäpfel- und Zuckerrübenernte seien aktuell "sehr gut
angelaufen". Vor einem Jahr sei dem nicht so gewesen, was sich beim
aktuellen Halbjahresergebnis auswirke, sagte Mühleisen am Donnerstag
im APA-Interview. Die Äpfel sind für den Fruchtbereich der Agrana
wichtig, die Kartoffel fürs Stärkesegment und die Rüben für die
Zucker-Division. Man gehe hierbei aktuell von guten Kampagnen aus.
Der Hektar-Ertrag bei den Zuckerrüben liege bei 78 bis 80 Tonnen je
Hektar, der Zuckergehalt sei gut. Selbiges gelte für den
Stärkegehalt bei den Erdäpfeln.
Gibt es nächstes Jahr auch wieder einen Zuckerrübenanbau auf mehr
als 38.000 Hektar, könne die Zuckerfabrik in Leopoldsdorf nahe Wien
weiterbetrieben werden. Sie wackelte für die heurige Kampagne,
schlussendlich wurden aber doch noch genug Zuckerrübenflächen mit
Rübenbauern kontrahiert. Trotzdem: Im Zuckerbereich dürfte sich bei
der Agrana was tun. "Wir beschäftigen uns damit, wie wir uns besser
aufstellen", sagte Mühleisen. Es gehe um die Organisation des
gesamten Netzwerks in dieser Unternehmenssparte. In den vergangenen
Jahren wurde mit der Sparte kein Geld verdient - "und dann muss man
genau hinschauen", so der Unternehmenschef. Es gehe auch um mehr
Nachhaltigkeit. Jedenfalls glaube man an diese Unternehmenssparte.
Wie aber übernimmt man überhaupt das Ruder in einem Konzern wie
der Agrana? Mühleisen löste seinen Vorgänger Johann Marihart nach 29
Jahren und damit längstdienenden Chef eines heimischen,
börsennotierten Unternehmens ab. "Ich habe mich lange mit meinem
Vorgänger Marihart eingearbeitet und sehr viel Zeit mit Gesprächen
mit dem Aufsichtsrat und Belegschaftsvertretern verbracht", so
Mühleisen. Er habe sich mit so vielen Mitarbeitern wie möglich
besprochen, "um zu hören, was die Leute bewegt". Selbiges sei mit
Kunden und Geschäftspartnern der Fall gewesen. "Man merkt so, was
gut läuft und was man vielleicht verändern möchte in der
Organisation."
In den nächsten Monaten geht es Mühleisen darum, die
Divisionsstrategie und die Nachhaltigkeitsstrategie zu schärfen, die
Kunden- und Marktnähe auszubauen und zu schauen, wie man sich
hierfür organisieren muss. "Vielleicht wird es andere Strukturen
geben." Die Digitalisierung sei auch großes Thema. Genau so werden
man "gucken, wie wir unsere finanzielle Performance verbessern
können", so der gebürtige Deutsche.
"Weitere Priorität war und ist es zu schauen, wie wir das nächste
Kapitel der Unternehmensgeschichte gestalten wollen." Es gehe
beispielsweise darum gute Wachstumschancen auszumachen und wie man
den Konzern vor der Herausforderung der Nachhaltigkeit am besten
aufstelle. "Welche Organisationsänderungen müssen wir vornehmen und
wie kommen wir näher an Kunden und Märkte heran", lauteten die
wichtigen Fragen, so Mühleisen. Nächster Entwicklungsschritt sei die
Entwicklung der Agrana von einem großtechnischen Verarbeiter und
Veredler von Rohstoffen auch zu einem Anbieter, der Lösungen für
Kunden weiterentwickeln könne.
Dabei gehe es darum, noch stärker auf Kundenbedürfnisse
einzugehen und Lösungen zu entwickeln. Das gelte etwa für den
Stärkebereich - aber nicht für Lebensmittel sondern für Technik.
Denn beispielsweise wollten etwa die Bau- und Kosmetikbranche
Substanzen auf fossiler Basis mit natürlichen Rohstoffen tauschen,
so Mühleisen. "Wir wollen Spezialstärken entwickeln, die dann in
Klebstoffen, Baustoffen und in der Kosmetik eingesetzt werden können
- auf nachhaltiger Basis."
Im Fruchtbereich - hier ist der Austro-Konzern Weltmarktführer -
wird sehr viel an die Milchwirtschaft abgesetzt. Hier wolle man den
Kunden helfen, sich zu differenzieren und so weiterzuwachsen. In
Europa und den USA gehe es in Richtung Nachhaltigkeit und
Mehrwertprodukte, in anderen Weltregionen eher um den Preis.
(Das Gespräch führte Philip Stotter/APA)
phs/cri
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