Verbund profitiert von teurem Strom - Hohe Energiewende-Investments
Auch Gas Connect brachte schon was ein: "Zukauf optimal für
die Sektorkopplung" - Strugl: Für Erneuerbare und Wasserstoff
passende Bedingungen nötig - GRAFIK
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AKTUALISIERUNGS-HINWEIS
Neu: Zusammenfassung nach Pressekonferenz, neu geschrieben.
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Dem Verbund-Stromkonzern hat das unerwartet hohe
Strompreisniveau im ersten Halbjahr trotz geringerer Eigenerzeugung
und weniger Absatz mehr Gewinn beschert. Auch die kürzlich erfolgte
Übernahme der Gas-Connect-Austria-Mehrheit wirkte sich positiv aus.
Die Jahresziele 2021 wurden daher hinaufgesetzt. Für die
Energiewende macht der Stromkonzern erhebliche Mittel aus seinem
ausgeweiteten Investitionsplan locker. Auch bei Wasserstoff will man
ein maßgeblicher Player sein.
Generaldirektor Michael Strugl sprach am Donnerstag von einem
"sehr erfreulichen" ersten Halbjahr. Man habe die Erzeugung gut
vermarktet, dabei von höheren Spotmarktpreisen profitiert und
Ergebnisse über Plan erzielt. In den nächsten drei Jahren werde man
2,3 Mrd. Euro investieren - für Netz, Wasserkraft, neue Erneuerbare.
Der frühere 3-Jahres-Plan hatte ein Volumen von 1,8 Mrd. Euro, der
jetzige könnte auch noch höher werden, sagte Strugl im
Halbjahrespressegespräch.
Zu den 2,3 Mrd. Euro hinzu kämen noch Ausgaben für Flexibilitäts-
und Speichermöglichkeiten. Bis 2025 investiere man über eine halbe
Milliarde in Pumpspeicher zusätzlich, 480 Mio. Euro für Limberg III
(Kaprun), 60 Mio. für Reißeck II+, um rasch Ausgleichs- und
Regelenergie zur Verfügung zu haben. 280 Mio. Euro mache der Konzern
in den nächsten sechs Jahren für Fischdurchgangshilfen locker.
Die Energiewende gebe es nicht zum Nulltarif. Man sehe sich als
wesentlichen Treiber dabei, doch sei ein geeigneter Rahmen dafür
nötig. Das gelte fürs Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), zu dem
Strugl - auch Präsident des E-Wirtschaft-Verbandes Oesterreichs
Energie - noch Kritikpunkte hat, wie auch für die künftige
Wasserstoff-Wirtschaft. Bei H2 dürfe Österreich nicht den Anschluss
verlieren. Das sei ein Schlüssel für die Dekarbonisierung, verwies
Strugl etwa auf das bereits seit 2019 bei der voestalpine laufende
H2-Future-Elektrolyse-Pilotprojekt für eine CO2-ärmere
Stahlproduktion. "Verbund ist Pionier in Österreich und Europa mit
Wasserstoff-Projekten", dafür müsse man aber auch die
Pipeline-Infrastruktur nutzen können. "Die Bedarfe an Wasserstoff
werden wir in Österreich, in Europa, nicht erzeugen können, ein
großer Teil wird zu wirtschaftlichen Kosten importiert werden
müssen."
Die Herausforderungen für die Energiewende seien immens. Wolle
man das Ziel von zusätzlich 27 Terawattstunden (TWh) Strom für eine
bilanziell 100-prozentige Erneuerbaren-Versorgung erreichen, bedeute
dies bei Wasserkraft jährlich 100 Megawatt (MW) Vergabevolumen, bei
Photovoltaik 700 MW Ausschreibungsmenge im Jahr und bei Windkraft
400 MW Vergabevolumen im Jahr. Bis 2030 müssten in Österreich 17.000
MW an Leistung zusätzlich gebaut werden, "zum Vergleich: Wir beim
Verbund haben 8.300 MW".
Das EAG sei ein guter Wurf, trotz einiger Wermutstropfen. Zu
diesen zählte Strugl etwa zusätzliche Öko-Vorgaben für die
Wasserkraft, Abschläge für Solar-Freiflächen oder das Fehlen einer
Rechtsgrundlage für Preisklauseln bei Strom und Gas.
Da künftig wegen der vermehrt volatilen Erzeugung zusätzliche
Flexibilitäten nötig sind, müssten diese Investments auch durch den
Regulator bei der Verzinsung anerkannt werden, wie dies etwa in
Italien bereits der Fall sei. Auch der Vorfall vom letzten Samstag,
bei dem die Iberische Halbinsel zeitweise vom übrigen Europa
getrennt war, zeige, dass das System vulnerabler geworden sei.
Im ersten Halbjahr profitierte Verbund von deutlich höheren
CO2-Zertifikatpreisen und höheren Preisen für Primärenergieträger.
Laut Finanzvorstand Peter Kollmann stieg der Kohlepreis seit
Jahresbeginn um 40 Prozent, der Gaspreis um 50 und die CO2-Preise um
60 Prozent - ein günstiges Umfeld für den Wasserkraftkonzern mit 97
Prozent Erneuerbaren-Anteil. Auch der Kapitalmarkt reflektiere das,
so Strugl und Kollmann. Der durchschnittliche Absatzpreis des
Verbund aus der Wasserkraft-Eigenerzeugung, der wichtigste Faktors
fürs Ergebnis, stieg von 44,5 Euro je Megawattstunde (MWh) ein Jahr
davor auf nun 46,6 Euro. Jeder Euro mehr oder weniger beeinflusst
das EBITDA aufs Jahr gesehen mit +/-25 Mio. Euro.
Bei Strom zeige die Vorschau, dass die Marktpreise in den
nächsten Jahren zurückgehen würden, meinte Kollmann. Die CO2-Preise
würden aber wohl sehr stabil bleiben - was zeige, dass die
Klimapolitik der EU-Kommission sehr ernst genommen werde. Die
kurzfristigen Strompreise seien sehr hoch. Und die Terminpreise
seien noch immer höher als das, was in der ursprünglichen
Verbund-Absicherung drinnen war. Für 2022 hat man bereits 47 Prozent
des Volumens abgesichert, bei 56,3 Euro pro MWh. Hätte man zum
heutigen Preis (market-to-market) bereits alles abgesichert, käme
man auf 65,6 Euro, so Kollmann.
Bis Juni steigerte der Konzern das Ergebnis vor Zinsen, Steuern
und Abschreibungen (EBITDA) um 2,5 Prozent auf 655 Mio. Euro und das
Konzernergebnis um 4,5 Prozent auf 325 Mio. Euro. Im Gesamtjahr 2021
sollen es 1,31 bis 1,41 Mrd. Euro beim EBITDA und 590 bis 660 Mio.
Euro beim Nettogewinn sein.
Die Verbund-Eigenerzeugung ging um 5,9 Prozent auf 15.223 GWh
zurück. Dabei sank sie aus Wasserkraft um 2,9 Prozent auf 14.561 GWh
- der Erzeugungskoeffizient der Laufwasserkraftwerke mit 0,96 um 4
Prozentpunkte unter dem langjährigen Durchschnitt von 1,0 und um
einen Prozentpunkt über dem Vergleichswert des Vorjahres. Aus
Windkraft wurde mit 444 GWh um 13,8 Prozent weniger produziert, aus
Wärmekraft mit 217 GWh um 67,9 Prozent weniger.
Der gesamte Verbund-Stromabsatz war im Halbjahr mit 28.632 GWh um
7,5 Prozent geringer, jedoch wuchs er im Bereich der Endkunden um
4,3 Prozent auf 7.023 GWh an. Der Kundenstock betrug hier Ende Juni
rund 523.000 Strom- und Gasabnehmer. Bei Weiterverteilern und
Händlern sank der Absatz.
Zu Gute kam dem Konzern auch ein positiver Ergebnisbeitrag aus
der erstmaligen Vollkonsolidierung des Leitungsbetreibers Gas
Connect Austria (GCA), dessen 51-Prozent-Mehrheit der Stromkonzern
dem Öl-, Gas- und Chemiekonzern OMV abgekauft hat; das Closing
erfolgte per Ende Mai d.J. Mit diesem Zukauf sei man "optimal
positioniert für die Sektorkopplung", nämlich die Verbindung von
Strom und Gas. Die GCA liefere von Anfang an gute Ergebnisbeiträge
für das EBITDA.
Die Dividenden-Ausschüttungsquote für 2021 soll zwischen 45 und
55 Prozent des um Einmaleffekte bereinigten Konzernergebnisses
liegen, das aktuell zwischen rund 580 Mio. und 650 Mio. Euro
erwartet wird. Bis Juni betrug das bereinigte Konzernergebnis 315
Mio. Euro (+4,7 Prozent). Der Personalstand des mehrheitlich
republikeigenen Verbund lag im Schnitt bei 3.011 (2.830), ein Plus
von 6,4 Prozent.
( 0964-21)
(Schluss) sp/ivn
ISIN AT0000746409
WEB http://www.verbund.com