MAN - Wissenschafter: Weg von Auto, hin zu Zügen und Straßenbahnen
Aktive Industriepolitik könne für Akzeptanz bei Belegschaft in
Steyr sorgen - Sozial gerechter und ökologischer Umbau
Die mögliche Übernahme des MAN-Werks
Steyr berge sowohl Chancen als auch Risiken für die Beschäftigten
und die Region. Wissenschafter und Wissenschafterinnen von Wiener
und Linzer Unis forderten langfristig einen Umstieg von der
Automobil- hin zur Zug- und Straßenbahn-Produktion. In Zeiten von
Pandemie und Klimawandel sei ein sozial-ökologischer Umbau im Sinne
aller Beteiligten vonnöten, empfahlen sie in einer Pressemitteilung
des Wissenschaftsnetzes "Diskurs" am Dienstag.
Expertinnen und Experten der Uni Wien und der JKU Linz waren sich
einig, dass die Politik gefordert sei, Rahmenbedingungen für diesen
Umbau zu stellen. Kreativität sei gefragt und die
Verantwortungsträger müssten weiter denken, einen Umstieg planen.
Der wichtigste Treiber im Klimawandel sei der Straßenverkehr und
hier vor allem der steigende Kraftstoffverbrauch bei leichten
Nutzfahrzeugen.
"Machen wir uns nichts vor, wir benötigen aus klimapolitischen
Gründen mittelfristig einen geordneten Rückbau von Teilen der
Autoproduktion", so der Wiener Politikwissenschafter Ulrich Brand.
Das spreche für Strategien, auch andere Produkte jenseits des Autos
herzustellen. "Neben dem Verbrennungsmotor nur auf
Elektro-Automobilität zu setzen könnte sich als falsches Versprechen
und damit als dramatisches Versagen der Politik erweisen." Das würde
die ökologischen Probleme nur verlagern, da der Bedarf an
metallischen Ressourcen drastisch zunehmen würde.
Brand, der vorige Woche als Sachverständiger in den oö. Landtag
geladen war, schlug für MAN kurzfristig den Bau von mittleren E-Lkw
und Bussen vor. Den weiteren Weg sah er weg vom ressourcenintensiven
Automobil und hin zum Ausbau von Zügen und Straßenbahnen, "auch wenn
es hier um andere Technologien und Märkte geht und der
Umstellungsprozess länger dauert". Eine aktive, zukunftsorientierte
Industriepolitik könnte auch die Akzeptanz eines Umbaus in den
Belegschaften der österreichischen Autoindustrie deutlich erhöhen,
so Brand. Wichtig sei, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den
Prozess einzubeziehen.
Der Politikwissenschaftler empfiehlt, dass möglichst viel
Entscheidungsmacht in Österreich bleibt. Auch wenn mit Siegfried
Wolf wohl ein neuer Investor gefunden wird, sollten bei der
Übernahme von MAN soziale und ökologische Aspekte weiter wichtig
bleiben. Brand ist sicher: "Verhandlungen unter Zeitdruck zwingen
mitunter zu Zugeständnissen und es werden ökologische Aspekte zu
wenig berücksichtigt." JKU-Soziologin Julia Eder schlug vor, die
neue Industriestrategie auf vier Säulen zu stützen: Unterstützung
der Betriebe bei einem sozial-ökologischen Umbau, Stärkung lokaler
und regionaler Wirtschaftskreisläufe u.a. durch öffentliche
Beschaffung, gerechtes Verteilen von Gewinnen und Verbreiterung der
Eigentumsverhältnisse, damit nicht ausschließlich gewinnorientierte
Konzerne die Weichen für die Zukunft stellen.
Diese Industriepolitik müssen durch arbeitsmarktpolitische
Maßnahmen flankiert werden. Brand nennt eine Arbeitszeitreduktion,
um das zurückgehende Produktionsvolumen in klimaschädlichen
Bereichen abzufedern und dazu beizutragen, die verbleibende Arbeit
gerechter zu verteilen. Aber auch über Frühpensionierungen und
Arbeitsplatzgarantien sei angesichts der Krise unbedingt
nachzudenken. Dafür bedarf es aber klarer Ansagen und Unterstützung
durch die Politik, sind sich die Forscherinnen und Forscher einig.
(Schluss) inn/ker/kan
ISIN DE0005937007
WEB http://www.man.eu/de/