Anonymer Brief wirft Ex-Voest-Chef Eder Fehlentscheidungen vor
Autoren des Briefes fordern: Eder darf nicht den Vorsitz im
Aufsichtsrat übernehmen - Voestalpine: Angeführte Zahlen über
Kartellstrafen nicht nachvollziehbar
Im Sommer soll der langjährige Vorstandschef
der voestalpine AG, Wolfgang Eder, nach dem Ende der zweijährigen
Abkühlphase den Vorsitz im Aufsichtsrat des Unternehmens übernehmen.
Nun werden Eder aber in einem anonymen Schreiben anlässlich der
gestrigen Aufsichtsratssitzung etliche Fehlentscheidungen
vorgeworfen, die das Unternehmen hunderte Millionen Euro gekostet
haben sollen. Das berichten die "Oberösterreichischen Nachrichten"
(OÖN) am Freitag.
Gerichtet sei das Schreiben an Herta Stockbauer und Volkmar
Angermeier, heißt es in dem Bericht. Stockbauer ist
Generaldirektorin der Bank für Kärnten und Steiermark, BKS. Sie war
bis vor wenigen Monaten Aufsichtsratsvorsitzende der Oberbank, die
ihren Generaldirektor Franz Gasselsberger in den Aufsichtsrat der
voestalpine entsandt hat. Die Oberbank hält 7,6 Prozent an der
voestalpine. Angermeier ist Aufsichtsratschef der Raiffeisen
Landesbank Oberösterreich. Deren Generaldirektor Heinrich Schaller
vertritt im Aufsichtsrat der voestalpine fast 15 Prozent, die der
RLB gehören. In dem Brief wird Schaller und Gasselsberger
vorgeworfen, ihre Kontrollfunktion nicht ausreichend auszuüben.
In dem anonymen Brief werden Eder Fehler bei
Investitionsentscheidungen vorgeworfen. Angeführt wird etwa die
extreme Verteuerung der Eisenschwammanlage in Texas von 570
Millionen auf 1,3 Milliarden Euro. 350 Mio. Euro betragen dem Brief
zufolge die aufgelaufenen Verluste im Autoteilewerk in Cartersville
(USA). Dazu kommen mehr als 100 Mio. Euro Verlust in der
Feindrahterzeugung in der Steiermark. Das 2017 eröffnete
Drahtwalzwerk in Donawitz (Investitionssumme 140 Mio. Euro) schreibe
ebenfalls Monat für Monat Millionen-Verluste, heißt es. Dazu kämen
noch Baukostenüberschreitungen in Millionenhöhe beim Edelstahlwerk
in Kapfenberg und Strafen bzw. Schadenersatzzahlungen - etwa für das
Schienenkartell und verbotene Absprachen beim Grobblech -, die sich
über mehr als zehn Jahre auf 1,2 Mrd. Euro aufsummieren würden.
Eder dürfe deshalb nicht zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates
gewählt werden, fordern die Briefschreiber. Stattdessen soll ein
"externer Vorsitzender mit internationaler Erfahrung" den Posten
einnehmen, so die Forderung. Eder war vor zwei Jahren mit Zustimmung
der Kernaktionäre direkt vom Vorstand in den Aufsichtsrat gewechselt
und soll im Juli nach der zweijährigen Abkühlphase den
Langzeit-Aufsichtsratschef Joachim Lemppenau (77) an der Spitze des
Gremiums ablösen.
Aus der voestalpine selbst hieß es auf Anfrage der APA, man
kommentiere "anonyme Behauptungen und Gerüchte grundsätzlich nicht",
könne aber die in dem Schreiben genannten Zahlen auch nicht
nachvollziehen.
Im Zusammenhang mit dem Grobblech-Kartell (2017 - 2019) habe man
einen Vergleich mit dem deutschen Bundeskartellamt geschlossen und
ein Bußgeld von 65,5 Mio. Euro bezahlt. Beim Edelstahl-Kartell (2015
- 2018) sei man als Kronzeuge aufgetreten und es sei daher vom
deutschen Bundeskartellamt keine Strafe gegen die voestalpine
verhängt worden. Das wegen des Schienenkartells (2011 - 2013) in
Deutschland gegen die voestalpine verhängte Bußgeld belief sich auf
14,9 Mio. Euro. Die Strafen der EU-Kommission wegen des
Spannstahlkartells (2010 - 2015) gegen 17 Hersteller betrugen
insgesamt 518,5 Mio. Euro, davon entfielen auf die voestalpine 7,5
Mio. Euro, rechnet das Unternehmen vor.
Unter Eders Führung (2004 bis 2019) habe der voestalpine-Konzern
seinen Umsatz von ursprünglich 4 Mrd. Euro auf 12,7 Mrd. Euro mehr
als verdreifacht und sich von einem österreichischen
Stahlunternehmen zu einem global tätigen Stahl- und
Technologiekonzern entwickelt. Die Zahl der Mitarbeiter sei seit dem
Börsengang 1995 von 15.000 auf knapp 52.000 (2019) gestiegen.
(Schluss) ivn/bel
ISIN AT0000937503
WEB http://www.voestalpine.com