Wirecard-Skandal - Anleger aus Österreich verloren viele Millionen
Prüfungstagsatzung im Konkurs am 10. Dezember - Wiener Anwalt
ruft Geschädigte auf, ihre Forderungen noch einzubringen und
überlegt Anzeige gegen Abschlussprüfer EY in Österreich
Im Skandal um den deutschen
pleitegegangenen Zahlungsdienstleister Wirecard haben auch
Österreicher viel Geld verloren. Auf der Seite wirecardclaims.com
des Wiener Anwalts Eric Breiteneder haben sich bisher 972 private
und institutionelle Investoren registriert, ihre durchschnittliche
Schadenssumme liegt bei 45.000 Euro, der Gesamtschaden bei etwa 50
Mio. Euro. Das ist aber noch lange nicht alles, sagt Breiteneder.
Üblicherweise unternähmen bei derartigen Massenschadensfällen nur
fünf bis zehn Prozent der Betroffenen etwas, so der Anwalt zur APA.
Wenn man die Kapitalisierung des ehemaligen Börsenstars Wirecard
ansehe, "lässt sich erwarten, dass wir noch einige tausend
Geschädigte in Österreich haben, die bisher nichts gemacht haben".
Bis 9. Dezember sollten sich betroffene Investoren entscheiden, ob
sie ihre Ansprüche anmelden; am 10. Dezember findet die
Prüfungstagsatzung im Konkurs der Wirecard AG statt.
Nicht nur Aktionäre können ihre Forderungen beim
Insolvenzverwalter in München anmelden, sondern auch
Wirecard-Anleiheinhaber und Käufer andere Finanzprodukte, die auf
die Wirecard-Aktie referenzieren, etwa Hebelzertifikate. "Gerade in
wirtschaftlich so unsicheren Zeiten sollte man valide Ansprüche auch
geltend machen", wirbt Breiteneder.
Nach Meinung des Anwalts können Investoren im Insolvenzverfahren
aufgrund des Berichts des Masseverwalters mit einer Quote von um die
zehn Prozent rechnen.
Breiteneder prüft im Fall Wirecard außerdem, ob er für seine
Mandanten eine Strafanzeige gegen den Abschlussprüfer EY einbringt.
Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen EY (Ernst & Young) steht in der
Kritik, weil es jahrelang die Bilanzen von Wirecard testiert hat.
Die Investoren hätten zwar immer wieder Berichte vernommen, wonach
bei Wirecard bilanziell etwas nicht in Ordnung sei, aber das
geprüfte Unternehmen habe sich gewehrt und habe doch immer wieder -
bis inklusive 2018 - ein uneingeschränktes Testat bekommen, so
Breiteneder. Darauf hätten sich die Anleger verlassen. "Das war
ausschlaggebend dafür, dass sie auch weiterhin investiert haben."
Breiteneder will die Sachverhaltsdarstellung in Österreich
einbringen. "In Österreich können wir im Gegensatz zu Deutschland
auch die juristische Person verfolgen, sodass eine umfassende
Aufarbeitung der Vorgänge durch die österreichischen
Strafverfolgungsbehörden möglich und sinnvoll ist." Hoffnung geben
dem Anwalt der Bericht des Masseverwalters sowie Aussagen aus dem
deutschen U-Ausschuss zu Wirecard.
Im Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zum
Wirecard-Bilanzskandal sind zuletzt Defizite bei der
Abschlussprüfung zutage getreten. Laut Aussage des
Wirecard-Sonderprüfers KPMG im U-Ausschuss vorige Woche hat der
Zahlungsabwickler die Arbeit sehr erschwert, Dokumente
zurückgehalten und Interviews immer wieder verschoben. "Wir wollten
die Daten analysieren, konnten es aber nicht", sagte
KPMG-Mitarbeiter Alexander Geschonneck. Am Freitag verhängte der
U-Ausschuss gegen zwei EY-Vertreter Bußgelder von je 1.000 Euro,
weil sie nicht konkret zum Fall ausgesagt, sondern nur allgemeine
Angaben gemacht hatten. Sie hatten sich, sehr zum Missfallen einiger
Parlamentarier, auf ihre Verschwiegenheitspflicht berufen.
Breiteneder: "Neben den Aufsichtsräten, die hätten einschreiten
müssen, sind die Abschlussprüfer diejenigen, die die Belege umdrehen
müssen."
Der Wirecard-Konzern ist im Juni 2020 zusammengebrochen. In den
Medien, besonders in der "Financial Times" (FT), kursierten aber
schon jahrelang Vorwürfe wegen Ungereimtheiten in den Bilanzen. Der
ehemalige DAX-Konzern soll über Jahre Scheingeschäfte in
Milliardenhöhe verbucht haben, zum Schaden von Banken und Anlegern.
Die Münchner Staatsanwaltschaft wirft Ex-Chef Markus Braun, einem
Österreicher, und anderen Wirecard-Managern gewerbsmäßigen
Bandenbetrug, Bilanzfälschung und Marktmanipulation vor. Für alle
gilt die Unschuldsvermutung.
(Schluss) snu/sp
ISIN DE0007472060
WEB http://www.wirecard.de