FinCEN Files - Odebrecht-Konzern verschob Geld über Austro-Banken
profil und ORF: Frühere Meinl Bank und RBI als
Korrespondenzbanken für saftige Schmiergeldzahlungen
Nach den Panama und Paradise Papers gibt
es nun die sogenannten FinCEN Files. Es wird enthüllt, wie Geld, das
aus Staatskassen abfloss, durch kriminelle Handlungen generiert
wurde und weltweit versteckt wurde, berichteten das Internationalen
Netzwerks investigativer Journalisten (ICIJ) und das US-Onlineportal
BuzzFeed am Sonntagabend (MESZ). Spuren führen auch nach Österreich.
Der brasilianische Odebrecht-Konzern soll Gelder über Austro-Banken
verschoben haben.
Gut 100 Medien mit mehr als 400 Journalisten aus 88 Ländern des -
darunter aus Österreich ORF und profil - haben sich länger als ein
Jahr mit Korruption, Geldwäsche und Großbanken sowie der Frage
auseinandergesetzt, was falsch läuft im internationalen
Bankensystem. Die Geldwäschemeldungen, die man sich angeschaut hat,
"zeichnen ein verstörendes Bild", schreibt das profil (online).
Ungeachtet aller Anstrengungen gegen Geldwäsche wurden Milliarden
US-Dollar aus dunklen Quellen durch das internationale Bankensystem
geschleust.
In den FinCEN Files - geleakte Dokumente aus dem Financial Crimes
Enforcement Network (FinCEN), der Strafverfolgungsbehörde des
US-Finanzministeriums - werden den Berichten zufolge auch
österreichische Banken genannt. Zwischen 2007 und 2017 registrierten
US-Banken mindestens 804 verdächtige Transaktionen in einer Höhe von
mehr als einer Milliarde US-Dollar - die entweder bei
österreichischen Banken landeten oder von diesen auf die Reise
geschickt wurden. Die von den US-Banken als verdächtig eingestuften
Transaktionen involvierten unter anderem UniCredit Bank Austria,
Erste Group, Bawag, Raiffeisen Bank International, Meinl und den
Österreich-Ableger der russischen VTB, so ORF und profil.
Die mittlerweile insolvente Meinl Bank und deren frühere
Antigua-Operation spielen auch eine besondere Rolle. Das hat mit
deren Verwicklung in den Schmiergeldskandal rund um den
brasilianischen Baukonzern Odebrecht zu tun. Die US-Reports
dokumentieren verdächtige Transaktionen der Meinl Bank Antigua von
insgesamt 188 Millionen US-Dollar, ein Teil davon lief auch über die
Raiffeisen Bank International.
Eine der Verdachtsmeldungen stammt von der US-Zentrale der
britischen Standard Chartered Bank. Dort fiel auf, dass Odebrecht
2011 offenbar eine Mehrheit an der Meinl Bank Antigua erworben hatte
und sie dazu nutzte, Bestechungsgelder in Milliardenhöhe "zu
waschen, zu verteilen und zu verbergen". Nun bieten Einvernahmen
ehemaliger Odebrecht-Mitarbeiter neue Erkenntnisse.
Ein geständiger Ex-Odebrecht-Mitarbeiter sagte demnach gegenüber
der brasilianischen Staatsanwaltschaft aus, dass die bis dahin für
schmutzige Transfers genutzte Antigua Overseas Bank 2010 in
Schieflage geraten sei. Und bei der Suche nach Ersatz sei man bei
der Karibiktochter der Meinl Bank fündig geworden. Über Antigua
seien dann nicht nur Beamte bestochen worden, sondern "alle".
Dass die Meinl Bank Antigua in den Odebrecht-Skandal verwickelt
ist, steht schon seit einigen Jahren fest. Doch Vertreter der Meinl
Bank in Wien bestritten immer, Bestechungsgelder wissentlich
weitergeleitet zu haben. 2016 hatte die Bank selbst, nachdem der
Skandal medial bekanntgeworden war, eine Geldwäscheverdachtsmeldung
erstattet, auch wenn sie inhaltlich nicht besonders umfangreich
ausgefallen ist.
Schon 2017 hatten ORF und profil berichtet, dass Meinl Antigua
die Wiener Meinl Bank als Korrespondenzbank genutzt und über sie
Transaktionen abgewickelt habe, da die Karibik-Bank keinen Zugang
zum internationalen Zahlungsverkehr hatte. Dieser Verdacht wird nun
in den FinCEN-Files erhärtet - und auch deswegen dürfte die
Europäische Zentralbank (EZB) ihr im November 2019 per Bescheid die
Bankkonzession, allerdings noch nicht rechtskräftig, entzogen haben.
Die Meinl Bank nennt sich heute Anglo Austrian Bank (AAB) und ist
derzeit in Abwicklung, bis Jahresende solle die Bank endgültig
stillgelegt sein. Seit 2017 ermittelt die Wirtschafts- und
Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der
Bestechung und der Geldwäscherei. Die meisten Ermittlungen gegen die
Meinl Bank wurden im Mai eingestellt - nicht so jene in Sachen
Antigua.
Der frühere Meinl-Bank-CEO Peter Weinzierl bestreitet gegenüber
dem profil und dem ORF sämtliche Vorwürfe und betont, dass es sich
bei Meinl in Wien und der Meinl Bank Antigua um "völlig getrennte
Einheiten" gehandelt habe. In Wien habe man "keine operative
Kontrolle über die Aktivitäten der Meinl Bank Antigua" gehabt. Bei
den Transaktionen, die man für die Karibik-Bank abgewickelt habe,
habe man keinen Verdacht gehegt. Allerdings hielt die Meinl Bank
laut EZB-Beschluss an der Meinl Bank Antigua bis zum Verkauf der
letzten verbliebenen Anteile im Oktober 2015 eine Sperrminorität und
sei "effektiv an der Kontrolle über die Meinl Bank Antigua
beteiligt" gewesen.
Odebrecht hatte seine Schmiergeldzahlungen über mehrere
Offshore-Firmen abgewickelt. Diese hatten Konten bei der Meinl Bank
Antigua. Und die wiederum wickelten ihre Zahlungen über mehrere
Korrespondenzbanken ab. Über die Meinl Bank in Wien dürften laut den
FinCEN-Files mindestens 64 Millionen Dollar in 134 verdächtigen
Transaktionen geflossen sein.
Ebenfalls als Korrespondenzbank diente aber laut den Dokumenten
auch die Raiffeisen Bank International. Zwischen Ende 2013 und 2015
sollen es hier mindestens 54 Millionen Dollar in 102 Zahlungen
gewesen sein. Insgesamt sind beide Summen aber nur ein kleiner Teil
der Odebrecht-Zahlungen, die über die Meinl Bank Antigua gelaufen
sind: Einer der drei Direktoren der Bank, der mittlerweile als
Kronzeuge geführt wird, behauptet, über Meinl Antigua sollen
insgesamt 1,6 Milliarden Dollar bewegt worden sein.
Ob auch Raiffeisen eine Geldwäschemeldung erstattet hat, ließ die
Bank auf Anfrage von ORF und profil offen: Aufgrund des
Bankgeheimnisses sei man nicht dazu berechtigt, "Angaben zum Bestand
oder Nicht-Bestand einer Geschäftsbeziehung oder zu einzelnen
Transaktionen zu machen", hieß es zunächst von einer Sprecherin.
Selbstverständlich würde die Bank "alle gesetzlichen Verpflichtungen
einhalten". Und weiter: "Wir melden Verdachtsfälle und wir beenden
auch Beziehungen, wenn entsprechende Verdachtsmomente bestehen."
Später ergänzte die RBI, dass die Meinl Bank Antigua nicht
Inhaberin des Kontos gewesen sei, über das laut Verdachtsmeldung die
Transaktionen gelaufen sind. Die Geldflüsse als solche hat es
demnach aber gegeben. Von der RBI heißt es weiter: "Die von den
US-Banken gemeldeten Zahlungen haben auch einen Alarm unserer
Geldwäschesysteme ausgelöst. Daraufhin haben wir sofort eine
Erstanalyse durchgeführt und in der Folge derartige Zahlungen
unterbunden. Nach Durchführung einer Detailanalyse haben wir die
Geschäftsbeziehung mit dem betroffenen Kontoinhaber beendet."
Begonnen hatte alles mit einem Datenleck in den USA. Der
Projektname Fincen-Files nimmt Bezug auf jene US-Behörde, bei
welcher diese Verdachtsmeldungen eingehen. Wann immer eine US-Bank
Hinweise darauf hat, dass ihre Systeme zur Geldwäsche oder
Terrorismusfinanzierung genutzt werden, muss sie das im
US-Finanzministerium angesiedelte Financial Crimes Enforcement
Network, FinCEN, informieren. In Österreich ist dafür das
Bundeskriminalamt zuständig.
Die vertraulichen US-Regierungsdokumente gewähren laut profil
einen bisher einzigartigen Einblick in eine Schattenwelt, in der
Geld aus dunkelsten Quellen ohne nennenswerte Widerstände zirkuliert
und dabei umstandslos Landesgrenzen überwindet. All das unter den
Augen heillos überforderter Behörden.
Es handle sich um ein Panoptikum des Bösen: Steuerhinterziehung,
Betrug, Korruption, Menschen-, Waffen- und Drogenhandel, Verbrechen
gegen Leib und Leben. Die Reports lieferten unter anderem Hinweise
auf die Verwicklung von Banken in die Finanzierung des
Fentanyl-Handels, einem Opioid, dem allein in den USA jedes Jahr
zehntausende Menschen zum Opfer fallen. Sie zeigen, wie problemlos
Wirtschaftskriminelle öffentliche Mittel aus Malaysia und Venezuela
veruntreuen und verschwinden lassen konnten. Auch ukrainische
Oligarchen mit Österreich-Bezug nutzten die Bankerservices, um
diskret Milliarden US-Dollar unklarer Provenienz zu verschieben.
(Schluss) phs
ISIN AT0000606306 AT0000BAWAG2 AT0000652011
WEB https://www.aab-bank.com/de/home
http://www.rbinternational.com/
http://www.bankaustria.at
http://www.bawagpsk.com
http://www.erstegroup.com
http://www.odebrecht.com/en/odebrecht-group