Lenzing-CEO: "Q2 war das schwierigste Quartal"
Umsatz im Hygienebereich übertrifft Umsatz im Textilbereich
Ein wegen der Coronakrise "in Summe sehr
schwieriges Marktumfeld" hat dem heimischen Faserhersteller Lenzing
im ersten Halbjahr einen Verlust beschert. Die Talsohle dürfte für
heuer aber bereits durchschritten sein, sagte CEO Stefan Doboczky am
Mittwoch bei der Bilanzpressekonferenz. "Q2 war das schwierigste
Quartal", so der Lenzing Chef.
Belastet von niedrigeren Viskosepreisen gingen die Umsätze im
zweiten Jahresviertel um knapp 35 Prozent auf 344 Mio. Euro zurück.
Vor allem bei Standardfasern habe man einen Preis- sowie einen
Mengenrückgang verzeichnet, während Spezialfasern trotz eines
Preisrückgangs ihren relativen Aufschlag gegenüber Standardfasern
weitgehend beibehalten hätten können, so der Finanzchef Thomas
Obendrauf.
Erstmals übertraf der Umsatz im Hygienebereich den Umsatz im
Textilbereich. "Das haben wir vorher noch nicht gesehen", sagte der
Lenzing-CEO am Mittwoch. Vliesfasern hätten im zweiten Quartal im
Zuge der Coronakrise mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes
ausgemacht. Die Fasern werden hauptsächlich für Hygieneartikel wie
Gesichtsmasken, Wischtücher, feuchtes Toilettenpapier oder Tücher
für Babypflege verwendet. Nach den Panikkäufen von Hygieneprodukten
zu Beginn der Coronakrise normalisiere sich die Nachfrage
mittlerweile wieder.
Im Zuge der Coronakrise hat Lenzing mit dem Wäschekonzern Palmers
das Joint Venture Hygiene Austria gegründet. Dieses kann aktuell 12
Millionen Masken pro Monat produzieren. An dem Ziel, diese Kapazität
auf 25 Millionen Masken auszuweiten, halte man weiterhin fest.
Lenzing müsse sich aber erst als Lieferant in diesem Bereich
positionieren. Man sei außerdem bestrebt, dass das
Gemeinschaftsunternehmen einen positiven Konzernbeitrag leiste, es
werde aber in Anbetracht der Größe des gesamten Konzerns
voraussichtlich kein großer Ergebnisbeitrag sein.
Der schwachen Umsatzentwicklung waren in Folge auch Rückgänge bei
den operativen Kennzahlen im zweiten Quartal geschuldet. Das
Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) brach um
knapp 70 Prozent auf 27 Mio. Euro ein und das operative Ergebnis
(EBIT) drehte mit minus 12,8 Mio. Euro in den roten Bereich, nach
einem Plus von rund 51 Mio. im Vorjahr. Unterm Strich blieb ein
Verlust von 32,1 Mio. Euro stehen; im gesamten ersten Halbjahr blieb
eine "schwarze Null" von 1,5 Mio. Euro übrig.
Für die kommenden beiden Quartale sollte es beim Umsatz und auch
auf operativer Seite aber wieder etwas bergauf gehen, zeigte sich
der Lenzing-CEO vorsichtig zuversichtlich. Mit einer "dramatischen
Verbesserung" rechnet er aber nicht. "Die Krise wird uns noch länger
weiter verfolgen", so Doboczky. Die Sicht für die weiteren Monate
sei weiterhin sehr eingeschränkt, von Region zu Region
unterschiedlich und hänge stark von der weiteren Entwicklung der
Preise und der Nachfrage ab.
Dementsprechend gab sich der Konzernchef auch beim Thema
Kurzarbeit zurückhaltend. Man habe dieses Instrument ab Mai genutzt
und bis Ende Juli rund 1.500 Mitarbeiter in Kurzarbeit gehabt. Im
August und September wolle man nur noch eine "hohe dreistellige
Anzahl" an Mitarbeitern in Kurzarbeit haben, danach werde neu
evaluiert.
"Wir haben noch keine finale Entscheidung getroffen, wie lange
wir dieses Werkzeug noch verwenden werden", sagte Doboczky am
Mittwoch. Derzeit sei die Dynamik des Geschäfts extrem schwierig
vorherzusagen, daher müssten Entscheidungen rund um die Kurzarbeit
sehr kurzfristig gefällt werden. Es sei aber ein gutes Werkzeug, das
auch geholfen habe, in der Krise Kosten einzusparen. Neben der
Kurzarbeit nehme Lenzing derzeit keine weiteren staatlichen
Coronahilfen in Anspruch.
Um die Kosten weiter zu senken, seien neben der Kurzarbeit auch
Initiativen und Projekte, die konzernexterne Berater benötigen,
hintangestellt worden, um Beraterkosten zu sparen. Darüber hinaus
sei man bei der Lieferung von Rohmaterialien "höchst erfolgreich"
und wolle Lieferverträge neu verhandeln.
Gut laufe es indessen bei den beiden Großprojekten in Thailand
und Brasilien. Sowohl bei dem Bau des Zellstoffwerks in Brasilien
als auch bei der Lyocellfaseranlage in Thailand gebe es keine
Verzögerungen. "Beide Projekte gehen trotz der Herausforderungen
rund um Covid-19 gut voran" und seien auch im Rahmen des dafür
geplanten Budgets, so der Lenzing-Chef. Als Produktionsstart für die
Lyocellanlage in Thailand wird das zweite Halbjahr 2021 anvisiert,
das Zellstoffwerk in Brasilien soll in der ersten Jahreshälfte 2022
in Betrieb genommen werden.
(Schluss) bel/kre
ISIN AT0000644505
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