Wohnungslücke in Wien schließt sich - Mieten steigen heuer nur leicht
Heuer Rekord an Fertigstellungen - EHL: Ab 2021 droht wieder
Engpass - Wohnen an U-Bahn-Achsen besonders gefragt -
Reformwünsche zu Wohnbau und Mietrecht
In Wien schließt sich zum Teil die über Jahre
aufgebaute Angebotslücke bei Wohnungen wegen eines Rekords an
Fertigstellungen, doch droht schon in einigen Jahren das
Neubauvolumen wieder auf den laufenden Bedarf zurückzufallen. Der
Mietenanstieg dürfte heuer mit nur 1,5 Prozent recht gering sein,
sagt der Consulter EHL. Für Eigentumswohnungen wird mit 3,75 bis
4,25 Prozent Preisanstieg gerechnet.
Die Zahl der Wohnungsfertigstellungen dürfte 2020 laut der
zuständigen Bereichsexpertin von EHL Immobilien, Sandra Bauernfeind
auf 19.000 bis 20.000 klettern, nach 15.000 voriges Jahr, 14.000
2018 und lediglich 10.000 im Jahr 2017. Andererseits sei die Zahl
der Baubewilligungen wegen der hohen Baupreise und der hohen
Grundstückskosten rückläufig, 2019 und 2018 waren es jeweils rund
15.000, 2017 aber noch 23.000. "Ab dem Jahr 2021 werden die
Fertigstellungen sinken. Das wird zu einem Engpass führen", sagte
Bauernfeind am Montag in einer Pressekonferenz .
60 Prozent der fertiggestellten Einheiten seien Mietwohnungen.
Ein großer Teil davon werde als Gesamtobjekt von Investoren
errichtet - vor allem seitens deutscher Investoren sei nach wie vor
Interesse gegeben. Gebaut würden meist 1-, 2- und 3-Zimmer-Wohnungen
- der Demografie geschuldet. Denn 75 Prozent der Wiener Haushalte
seien nur von ein, zwei Personen bewohnt. Bis 2080 werde die Zahl
der Haushalte von 931.000 (2019) auf 1,1 Millionen zunehmen; die
Zahl der Einpersonenhaushalte werde bis dahin dabei um 125.000
Menschen wachsen, in Mehrpersonenhaushalten um 90.000 Menschen,
sagte Buwog-Geschäftsführer Andreas Holler mit Verweis auf
Bevölkerungsprognosen.
2027 werde in Wien die 2-Millionen-Einwohner-Grenze
überschritten, im Jahr 2070 sollen es 2,2 Millionen sein. Wegen des
Fertigstellungsrekords könne die Lücke teils geschlossen werden, ab
2021 werde der Neubau aber in etwa nur mehr dem Bedarf entsprechen.
Diesen bezifferte Holler mit 5.000 Wohnungen im Jahr allein durch
den Zuzug. Weiterer Bedarf resultiere aus der Haushaltsentwicklung,
sagte Bauernfeind. So gebe es jedes Jahr 4.000 Scheidungen in Wien -
und eine noch immer zu füllende Angebotslücke, die sich in den
Vorjahren ausgebaut habe. In den Jahren vor 2017 seien in der
Bundeshauptstadt jährlich nur 3.000 bis 6.000 Wohnungen jährlich
errichtet worden, so Holler.
Besonders gefragt sei Wohnraum entlang der U-Bahn-Achsen, sagte
EHL-Wohnungsexpertin Bauernfeind. Es würden also neue Lagen "hip",
ganz stark getrieben von einer guten Erreichbarkeit mit öffentlichen
Verkehrsmitteln. Auch Wohntürme seien eine neue Wohnform, die als
sehr hip gelte, daher gebe es keine Vermarktungsprobleme. Wie viele
Wohntürme Wien noch vertrage, sei eine wirtschaftliche und
demografische Frage ("solang Wien wächst"), so Holler auf eine
entsprechende Rückfrage. Generell gelte: Würde man nur
Luxuswohnungen bauen, gäbe es Leerstände - bei der Buwog, Tochter
der deutschen Vonovia, lägen 80 Prozent der Eigentumswohnungspreise
bei maximal 400.000 Euro.
Damit der Wohnungsbedarf gedeckt und das Angebot dem Markt
angepasst werden kann, legten EHL und Buwog eine Reihe von Wünschen
für den Wohnbau und das Mietrecht vor. Es sollten die Grundrisse an
neue Bedürfnisse angepasst werden, Genehmigungen und Widmungen
schneller abgewickelt sowie private Eigentümer zum Vermieten ihrer
Wohnungen in befristeter Form motiviert werden, forderte
Bauernfeind. Die Lagezuschläge im Mietrechtsgesetz (MRG) sollten
durch den Gesetzgeber neu definiert werden, nachdem der Oberste
Gerichtshof (OGH) Ende 2017 die bestehenden Regeln ja teilweise
ausgehebelt habe. Richtwert-Befristungsabschläge sollten statt der
starren 25 Prozent gestaffelt werden - je länger die Befristung,
desto niedriger sollte der Abschlag sein, so die EHL-Expertin. Auch
bei den Regeln für Eintrittsberechtigungen und die Mietzinsbildung
sieht sie einen Reformbedarf.
"Wir brauchen mehr leistbare Mietwohnungen", betonte auch der
Buwog-Geschäftsführer. Momentan nehme der große Nachfrageüberhang
ab, Wien wachse aber weiter und somit der Bedarf - vor allem an
Wohnungen im leistbaren Bereich. Zur Baulandmobilisierung sollten
weiterhin Wohntürme und Dachgeschoßausbauten ermöglicht werden. Und
bei der neuen Wiener Kategorie "geförderter Wohnbau" sollte das
Zwei-Drittel-Erfordernis an gefördertem Wohnbau auf 50:50 plus 1
geändert werden, "damit Investoren ihre Grundstücke auch verkaufen".
Die Initiative der Kategorie "geförderter Wohnbau" an sich halte man
aber für "äußerst gut", so Holler. Derzeit sei in dem Sektor der
Verkauf nicht gewidmeter Liegenschaften zum Erliegen gekommen, "die
werden in Wien derzeit nicht transaktioniert", berichtete
Bauernfeind. Längerfristig werde sich das aber wieder einpendeln und
zu mehr gefördertem Wohnbau führen.
Die Buwog werde ihre Neubauaktivität 2020 stark ausweiten. Heuer
werde der Baustart für elf Projekte mit 1.800 Wohnungen erfolgen,
deutlich mehr als 2019 (210 Einheiten), berichtete Daniel Riedl,
Vorstandsmitglied der deutschen Vonovia SE und zuständig für das
gesamte Buwog-Geschäft in Österreich. Bei den rund 380
Wohneinheiten, die heuer fertig würden, liege der Mietwohnungsanteil
bei 100 Prozent, von den rund 1.800, für die 2020 Baustart ist,
sollen es gut 45 Prozent sein. Bundesweit verfügt die Buwog laut
Riedl über 22.500 Einheiten im Bestand. In der Pipeline habe man
6.000 neue Wohnungen für 1,6 Mrd. Euro (zu Gestehungskosten), die in
den nächsten fünf, sechs Jahren fertig werden sollen. Rechnung
tragen wolle man den Megatrends wie demografischer Wandel,
Zusammenhalt/Integration sowie Klimawandel, betonte Riedl.
(Schluss) sp/kre
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