EuGH: Weniger Lohn für ungarisches "Henry am Zug"-Personal rechtens
"Standard": Entsenderichtlinie kommt bei Do&Co-Tochter "Henry
am Zug" nicht zur Anwendung - Gewerkschaft und Arbeiterkammer
beklagen Urteil
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat
sein Urteil im Fall des ehemaligen ÖBB-Caterers, der Do&Co-Tochter
"Henry am Zug", ausgesprochen. Diese war laufend dafür kritisiert
worden, Mitarbeiter auf österreichischen Strecken zu ungarischen
Konditionen und daher wesentlich geringer zu entlohnen. Der EuGH
erklärte diese Vorgehensweise vergangene Woche für rechtens,
berichtet der "Standard" (Montag).
Zwischen 2012 und 2016 hatten die ÖBB die österreichische Do&Co
mit der Betreuung der Zugrestaurants und des Bordservice mehrerer
Züge beauftragt. Den Auftrag gab das heimische Cateringunternehmen
an die eigene Tochtergesellschaft "Henry am Zug" weiter, die ihn
wiederum an die ungarische "Henry am Zug" Hungary Kft. weitergab.
Die Mitarbeiter wurden nach ungarischen Bestimmungen angestellt,
entlohnt und sozialversichert, was der Do&Co-Tochter Ärger mit dem
Arbeitsinspektorat einbrachte.
Dieses ortete unter anderem einen Verstoß gegen die
EU-Entsenderichtlinie wonach Beschäftigte, die von einem Unternehmen
in ein anderes EU-Land geschickt werden, um dort für eine begrenzte
Zeit zu arbeiten, nach Mindestlöhnen im Zielland bezahlt werden
müssen und dem dortigen Kollektivvertrag - in diesem Fall dem
österreichischen - unterstehen. Laut Gewerkschaft verdienten die
betroffenen Beschäftigen deutlich weniger, als wenn sie nach
österreichischem Recht angestellt worden wären.
Der zuständige Wiener Magistrat hatte dem ehemaligen
Geschäftsführer von "Henry am Zug", Michael Dobersberger, daraufhin
Verwaltungsstrafen dem Vernehmen nach in Höhe von 1,3 Mio. Euro
aufgebrummt, wogegen erfolglos Beschwerde beim
Bundesverwaltungsgericht erhoben worden war. Der Fall landete
schließlich vor dem Verwaltungsgerichtshof, der den EuGH zur Klärung
wichtiger Rechtsfragen anrief.
Dieser hat dem ehemaligen "Henry am Zug"-Chef nun recht gegeben.
Laut EuGH-Urteil hat der "wesentliche Teil" der Arbeit der
betroffenen Beschäftigten nicht in Österreich stattgefunden, sondern
beim Be-und Entladen der Speisen und Getränke in Ungarn.
Dienstanfang und Dienstende, sowie die Erledigung administrativer
Aufgaben hätten ebenfalls in Ungarn stattgefunden, weshalb die
EU-Entsenderichtlinie nicht zur Anwendung komme.
Bereits der Generalanwalt beim EuGH hatte in seinem Schlussantrag
erklärt, dass seiner Auffassung nach das Bordpersonal gar nicht nach
Österreich entsendet war, sondern es bloß in einem Zug arbeitete,
der durch Österreich fuhr. Der EuGH äußert sich ähnlich: damit die
Richtlinie greife, müsse eine "hinreichende Verbindung" zum Zielland
vorliegen, so der EuGH. Die Anstellung der Mitarbeiter zu
niedrigeren Löhnen sei also legitim und die Strafe gegen den "Henry
am Zug"-Chef rechtswidrig.
Arbeiterkammer und Gewerkschaft beklagen das Urteil im "Standard"
und befürchten, dass es nun auch in anderen Branchen Bedeutung
erlangen und österreichische Kollektivverträge aushebeln könnte.
Sollte dies passieren, "dann würde das bedeuten, dass Lohndrückerei
zum europäisch sanktionierten Geschäftsmodell erhoben wurde,"
kritisierte Roman Hebenstreit, Chef der Transportgewerkschaft Vida,
das Urteil im "Standard". "Dann braucht sich keiner mehr wundern,
wenn arbeitende Menschen das Vertrauen in die EU verlieren."
Laut "Standard" ist die Zahl der Entsendungen nach Österreich
kontinuierlich gestiegen und liegt bei deutlich über 100.000
Menschen, wovon die meisten am Bau tätig sind.
(Schluss) lek/itz/ivn
ISIN AT0000818802
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