Erste-Chef Treichl zum Abschied selbstkritisch - Krise war "brutal"
Scheidender Bankchef zu Osteuropa-Geschäfte in der
Vergangenheit: "Ja, im Osten waren wir zu aggressiv, sind zu
stark gewachsen, haben viel zu viel Fremdliquidität in die
Länder gebracht."
Seit 1997 hat der 67-jährige Andreas Treichl die
Erste Group geführt, nun geht der Volkswirt in Pension - und gibt
sich zum Abschied selbstkritisch. Als die Finanzkrise 2008 begann
"hatten wir jede Menge fauler Kredite, mussten wie die Wahnsinnigen
Firmenwerte abschreiben, hatten völlig unnötige Investitionen in
Island-Anleihen", so Treichl im Interview mit dem "Standard"
(Wochenendausgabe).
Dies habe sich in den Jahren danach akkumuliert, und das
Aufräumen sei erst 2014 erledigt gewesen. "Es war brutal", so der
Banker, der gerne auch seinen kritischen Kommentar zur Politik
abgegeben hat. Zu der schwierigen Situation österreichischer Banken
in Osteuropa nach der Lehman-Pleite in den USA merkte er an: "Ja, im
Osten waren wir zu aggressiv, sind zu stark gewachsen, haben viel zu
viel Fremdliquidität in die Länder gebracht - bis hin zu
Schweizer-Franken-Krediten. Das war alles überzogen."
Das Bankgeschäft habe sich jedenfalls stark geändert seitdem er
den Chefsessel bei der Erste Group erklommen hatte. "Wir machen das
Gleiche wie damals, aber unter völlig anderen Rahmenbedingungen:
viel mehr Regulierung und Eigenkapital, neue Vorschriften, unendlich
mehr Aufwand für Kontrolle und Regulierung, Konkurrenz von Fintecs.
Das hat auch dazu geführt, dass Banken weniger profitabel sind", so
Treichl.
Die Zukunft der Erste Group sieht Treichl herausfordernd: "Der
neue Vorstand muss sicher sehr viel erledigen, was ich nicht
erledigt habe. Wir wollen uns ja nicht mehr als Bank sehen, sondern
als Firma, die sich um die finanzielle Gesundheit ihrer Kunden
kümmert - und das hat viele Konsequenzen. Etwa die, dass wir nicht
nur digitalen Service anbieten, sondern weiterhin hochkompetente
Mitarbeiter beschäftigen. Die Erste wird also höhere Kosten haben
als rein digitale Banken, und das heißt, dass wir noch effizienter
sein müssen als die."
Treichl, der mit Jahresende in den Ruhestand wechselt und dann
den Aufsichtsrat der Erste-Privatstiftung führt, geht von einer
längeren globalen Phase der Null- und Negativzinsen aus - und warnt
einmal mehr davor. "Durch die Nullzinssituation öffnet sich die
Vermögensschere immer mehr - und das geht auf die Dauer nicht, es
braucht eine andere Verteilung", so der Banker.
(Schluss) stf
ISIN AT0000652011
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