Grasser-Prozess - Langer Verhandlungstag 105 mit Schichtwechsel
Terminal Tower und Buwog waren Thema ausführlicher Befragungen
von Zeuge P. und Zeugin P. - Richterin weist Grasser-Anwalt
Wess wegen Kontakt mit Zeugen zurecht - BILD
Der heutige 105. Verhandlungstag im
Grasser-Prozess rund um Korruptionsverdacht bei der
Bundeswohnungsprivatisierung und bei der Einmietung der
Finanzbehörden in den Linzer Terminal Tower hat von 9.30 Uhr bis
19.20 Uhr besonders lang gedauert. Zwei Zeugen wurden befragt, der
erste zur Causa Terminal Tower, die zweite zur Causa Buwog - was für
einige Angeklagten zu Mittag "Schichtwechsel" bedeutete.
Zu Beginn kommentierte die Richterin Marion Hohenecker einen
Vorfall, der gestern bekannt wurde. Grassers Verteidiger Norbert
Wess hatte den Zeugen Heinrich Traumüller über dessen
Vertrauensperson eine Liste seiner Fragen zukommen lassen. Dies
hatte gestern Oberstaatsanwalt Gerald Denk vorgebracht. Da der Zeuge
bereits eine Ladung zur Aussage hatte, ergebe sich "die
Notwendigkeit nicht", wies die Richterin den Anwalt zurecht. "Das
Übermittteln von vorbereiteten Fragen an den Zeugen konterkariert
überdies die amtswegige Wahrheitserforschung und hat daher zu
unterbleiben", so Hohenecker.
Der frühere Chefverhandler im Finanzministerium für die
Einmietung der Finanz in den Terminal Tower in Linz wurde am
Vormittag als Zeuge befragt. Zeuge P. war damals Spitzenbeamter im
Ministerium und sollte eine Übersiedlung der auf fünf Standorte
verstreuten Linzer Finanzbehörden an einen Standort organisieren.
Im Prozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Walter
Meischberger, Peter Hochegger und andere geht es neben dem
Korruptionsverdacht bei der Privatisierung der Bundeswohnungen auch
um Korruptionsverdacht bei der Einmietung der Linzer Finanzbehörden
in das Bürohaus Terminal Tower am Linzer Hauptbahnhof. Laut Anklage
floss eine Zahlung von 200.000 Euro von den Errichtern und
Vermietern des Bürohauses, Porr und Raiffeisen, an Meischberger,
Hochegger und Grasser, Gegenleistung sei die Zustimmung Grassers zur
Einmietung der Finanz gewesen. Alle Angeklagten bestreiten dies,
Meischberger gibt an dass die Zahlung von 200.000 Euro für seine
Leistungen für die Porr erfolgt sei.
Im Verlauf der Vorbereitungen und Verhandlungen kam es im
Dezember 2005 zu einer Sitzung im Finanzministerium, wo die Beamten
Minister Grasser das Projekt präsentierten. Wie der heutige Zeuge P.
schilderte, habe Grasser alle Teilnehmer einzeln gefragt, ob sie für
das Projekt Terminal Tower seien, was alle bejahten. Dann habe
Grasser gesagt, aber er sei dagegen, und habe das Treffen verlassen.
Die Ablehnung sei ohne Begründung erfolgt, er sei überrascht
gewesen, er habe eine Zustimmung Grassers erwartet. Laut Anklage
hatte Grasser die Zustimmung verzögert, weil er eine Provision der
Errichter erreichen wollte - was Grasser entschieden dementiert.
Einige Monate später, im Frühjahr 2006, unterzeichnete das
Ministerium doch den Mietvertrag. Aus Sicht der Mitarbeiter habe es
zwar dann mehr bzw. gestützte Parkplätze gegeben, doch am stärksten
hätten sie weiterhin ein anderes Projekt favorisiert, nämlich einen
Neubau durch die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) in der
Sonnensteinstraße, so der Zeuge.
Grassers Anwalt Norbert Wess wollte vom Zeugen wissen, ob Grasser
das Wohl seiner Mitarbeiter am Herzen gelegen sei - was der Zeuge
bestätigte. Er als Chefverhandler habe auch nie eine Weisung oder
einen Einfluss auf seine Verhandlungen wahrgenommen, versicherte er.
Am Nachmittag wurde dann eine Zeugin bereits zum dritten Mal
befragt, die bei der Buwog-Privatisierung für die Immofinanz im
Österreich-Konsortium tätig war. Zeugin P. meinte, das Konsortium
habe für die Bundeswohnungen zu wenig hingelegt mit den 961 Mio.
Euro. "Wir haben zu wenig bezahlt", meinte sie.
Die Zahl 960 Mio. Euro, die im ersten Anbot der Konkurrentin CA
Immo enthalten war, sei "tausendprozentig" nicht Stadtgespräch
gewesen, sagte sie. Und dass der letztlich unterlegene Bieter, die
CA Immo, über ihre finanziellen Möglichkeiten rumgeplaudert hätte,
schloss sie auch aus. "Warum sollten sie das in ganz Wien
herumschreien", so die ehemalige enge Mitarbeiterin von
Immofinanz-Chef Karl Petrikovics, der neben Grasser und Meischberger
auf der Anklagebank sitzt.
Zur Erklärung: Die Immofinanz in einem Konsortium mit der RLB OÖ
hatte letztendlich den Zuschlag für den Verkauf der Bundeswohnungen
erhalten - sie bot 961 Mio. Euro, die unterlegene CA Immo 960 Mio.
Euro. In der ersten Bieterrunde hatte die CA Immo die Zahl 960 Mio.
Euro als "Quasi-Finanzierungslimit", so die Zeugin, genannt gehabt.
Morgen Donnerstag wird dann der Erstangeklagte Grasser die
Gelegenheit nutzen und seine Sicht der bisherigen Zeugenaussagen
präsentieren. Auch alle anderen Angeklagten haben das Recht, zu den
bisherigen Zeugenaussagen Stellung zu nehmen. Meischberger will aber
noch abwarten, kündigte er an.
(Schluss) gru/stf/sp
ISIN AT00BUWOG001 AT0000809058
WEB http://www.buwog.at
http://www.immofinanz.com
http://www.rlbooe.at